Umbau für E-Mobilität Daimler trennt sich von fast 700 Zeitarbeitern

Wegen des Umbaus des Motorenwerks in Untertürkheim benötigt der Autobauer weniger Arbeiter. Die Chancen auf einen vergleichbaren Einsatzort sinken derzeit eher als dass sie steigen.
Stuttgart - Der Stuttgarter Autobauer Daimler hat sich im Stammwerk Untertürkheim von allen Zeitarbeitern in der Produktion getrennt. Das teilte der Betriebsrat auf Anfrage unserer Zeitung mit. „Stand 3. 6. 2019 sind noch 261 Leihmitarbeiter bei uns in der Logistik beschäftigt“, sagte eine Sprecherin der Arbeitnehmervertreter unserer Zeitung. „In den Produktionsbereichen wie Montagen und Fertigungen sind keine Leiharbeitnehmer mehr beschäftigt.“ Im Januar waren in Untertürkheim noch 950 Zeitarbeiter im Einsatz. Jetzt sind es also fast 700 weniger.
Bislang war nur bekannt, dass sich Daimler von Zeitarbeitern trennen will, aber nicht in welchem Umfang. Der Konzern macht die Zahl der Männer und Frauen, die betroffen sind, auch jetzt nicht transparent und schickt stattdessen ein allgemeines Statement über das Wesen der Zeitarbeit und die Einstiegsmöglichkeiten von Zeitarbeitern bei Daimler. Dies wirkt für die betroffenen Arbeiter, die nun nicht mehr eingesetzt werden, freilich befremdlich. Viele von ihnen arbeiten schon jahrelang bei dem Autobauer und rechnen mit dem Gehalt, das sie dort beziehen. Wenn Daimler keine Arbeit mehr für sie hat, verlieren sie zwar nicht ihren Job, da sie weiterhin bei der Verleihfirma angestellt sind. Sie können jedoch nicht mehr mit der gleichen Vergütung rechnen, denn Daimler bezahlt seine Leiharbeiter überdurchschnittlich. So erhalten die Arbeiter in der Produktion etwa vom ersten Tag an den gleichen Lohn wie die Stammbeschäftigten. Dadurch kommen sie bereits im ersten Jahr auf einen Monatslohn von mehr als 3200 Euro. Laut Tarifvertrag müsste Daimler erst nach neun Monaten gleiches Geld für gleiche Arbeit zahlen. Derzeit benötigt Daimler in Untertürkheim weniger Zeitarbeiter, weil dort Umbauarbeiten stattfinden, da der Konzern in dem Werk künftig auch Komponenten für Elektroautos bauen will.
Viele Zeitarbeiter setzen nun auf Porsche
Viele Zeitarbeiter, die von Daimler abgemeldet wurden, hoffen, dass sie nun beim Sportwagenbauer Porsche unterkommen. Dort werden noch Produktionsmitarbeiter für den E-Sportwagen Taycan gesucht. Michael Häberle, Betriebsratsvorsitzender des Werks Untertürkheim, hatte sich deshalb an Porsche gewendet, um auszuloten, ob Daimler-Zeitarbeiter beim Sportwagenbauer übernommen werden können. Darüber hinaus sinken die Chancen auf einen gut bezahlten Job in der Produktion nach Ansicht von Branchenexperten in der Region derzeit eher, als dass sie steigen: „Die allgemein spürbare Konjunkturabschwächung betrifft viele Branchen, auch die Automobilindustrie mit ihren Zulieferern“, sagt Suzana Bernhard, Geschäftsführerin des Personaldienstleisters Dekra Arbeit. „Das wirkt sich auf die gesamte Zeitarbeitsbranche bundesweit aus – auch auf uns.“ Eine Umkehr dieses Trends sei in den nächsten Monaten nicht in Sicht, so die Expertin. „Fachkräfte wie zum Beispiel Pflegekräfte, Mechatroniker, Elektriker und Berufskraftfahrer suchen wir weiterhin händeringend, aber im Bereich der ungelernten Kräfte in der Produktion spüren wir einen deutlichen Rückgang der Nachfrage.“ Dekra bietet deshalb gering qualifizierten Mitarbeitern Einsatzmöglichkeiten insbesondere in der weiterhin gut laufenden Logistik-, aber auch in der Metall- und Elektrobranche an. „Wir versuchen bundesweit auch in Einzelfällen die ungelernten Kräfte weiter zu qualifizieren“, erklärt Suzana Bernhard.
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