Land und Kommunen müssen auf die fallenden Zugangszahlen von Flüchtlingen reagieren, aber wie? – Innenminister Strobl bläst der Wind ins Gesicht. Der Streit ums Geld geht in eine neue Runde.

Stuttgart - Die Lage an der Flüchtlingsfront hat sich entspannt. Die chaotischen Szenen mit überrumpelten Gemeinden, überfüllten Turnhallen und überforderten Helfern sind Geschichte. Kamen im vergangenen Jahr rund 100 000 Syrer, Afghanen oder Algerier ins Land, so ist die Zahl der Neuankömmlinge 2016 auf ein Drittel geschrumpft. In den Erstaufnahmeeinrichtungen (Leas) des Landes, aber auch in den Unterkünften der Kreise und Gemeinden, wo die Flüchtlinge vorläufig beziehungsweise dauerhaft bleiben sollen, gibt es wieder mehr Raum.

 

„Die Situation hat sich entspannt, weil die Flüchtlingszugangszahlen relativ niedrig sind“, sagte Eberhard Trumpp, der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags. An manchen Tagen kommen 120, dann wieder nur 80 Flüchtlinge an, diese werden jedoch entsprechend der Quote auf die Länder verteilt. Trumpp spricht jedenfalls von „erheblichen Kapazitäten“. Das hat allerdings auch Schattenseiten: Denn auch wenn Unterkünfte nur zur Hälfte belegt sind, fallen Fixkosten an. Trumpp: „Personal, Sicherheitskräfte und Miete müssen wir bezahlen, egal ob 25 oder 50 Flüchtlinge in einem Containerdorf wohnen.“ Das Land gewährt den Kommunen aber nur eine „Kopfpauschale“. Darüber führen beide gerade harte Verhandlungen.

Das neue Lea-Konzept

Ein weiteres Problem: Weder das Land noch die Kreise wissen, wie stark sie die Zahl ihrer Unterkünfte reduzieren können. „Da wollen wir nicht auf dem falschen Fuß erwischt werden“, begründet Trumpp die Entscheidung vieler Kreise, ihre Containerdörfer aufgebaut zu lassen. Zwar gibt es den erklärten politischen Willen, nur noch Flüchtlinge mit Bleibeperspektive in die Kommunen zu schicken, alle anderen aber in den Leas zu belassen und sie dort zu einer raschen Rückkehr zu bewegen – oder abzuschieben. Doch das ist Theorie. Viele Abschiebe-Kandidaten leben eben doch bereits in Kommunen. Spätestens, wenn das neue Lea-Konzept greift, das Innenminister Thomas Strobl kürzlich vorgestellt hat, soll diese strikte Trennung von Flüchtlingen mit und ohne Bleibeperspektive funktionieren.

Nach diesem Konzept soll es in den kommenden Jahren statt 24 nur noch vier Leas mit deutlich reduzierten Kapazitäten geben: in jedem Regierungsbezirk eine. Strobl hat dafür die Städte Ellwangen, Sigmaringen, Freiburg und Karlsruhe ausgewählt. Das zentrale Ankunftszentrum soll von Heidelberg nach Mannheim oder Schwetzingen umziehen. Außerdem sind Tübingen und Giengen als Reservestandorte vorgesehen. Denn auch der Innenminister steht vor dem Problem, dass er einerseits Kosten sparen, andererseits aber auf einen neuerlichen Zustrom vorbereitet sein muss.

Grüne: Mit Gemeinden reden

Ob seine Rechnung aufgeht, ist derzeit aber offen, denn die wenigsten Städte wollen ihren Lea-Status freiwillig verlängern. So hat der Gemeinderat von Ellwangen am Donnerstag beschlossen, eine Vertragsverlängerung abzulehnen, da er andere Pläne mit dem Gelände hat. Auch Sigmaringen will keine Dauer-Lea und fordert unter anderem, dass spätestens 2020 der letzte Flüchtling ausziehen soll. Schwetzingen sagt ebenfalls Nein, und Mannheims OB Peter Kurz (SPD) stellt eine Reihe von Bedingungen für den Umbau einer US-Kaserne als künftiges Ankunftszentrum. „Es finden noch vertiefte Gespräche statt“, heißt es im Innenministerium zu diesen Schwierigkeiten. Spätestens am 20. Dezember will Strobl das neue Konzept vom Kabinett verabschiedet haben. Die Frage ist, ob die Grünen mitziehen: „Wir haben keine Eile, sondern können das gründlich mit den Kommunen bereden“, mahnt Fraktionsvize Uli Sckerl.

Die Zustimmung der Kommunen hängt nicht zuletzt von der Frage ab, ob das Ankunftszentrum und die Leas auch als Abschiebezentren dienen sollen. Denn dass Strobl die Rückführung zentralisieren und stark beschleunigen will, hat er erst dieser Tage in einem Thesenpapier verdeutlicht. Abschiebezentren jedoch sind heikel: „Dort ballt sich der gesamte Unmut derjenigen, die abgeschoben werden sollen“, sagt Trumpp.

Sprachkurse in Leas?

Die Landtags-Grünen fordern deshalb, dass über die Bleibeberechtigung der Flüchtlinge in den Leas noch schneller als bisher entschieden wird. „Eine Verlängerung des Aufenthalts in der Erstaufnahme über die gesetzlich vorgesehenen sechs Monate lehnen wir ab“, heißt es in einem Papier zur Erstaufnahme, das die Fraktion am Dienstag verabschiedet hat. Doch das Tempo hängt vom zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ab. „Das muss noch rascher entscheiden“, fordert Sckerl, „idealerweise in zwei bis vier Wochen.“ Gleichzeitig fordern die Grünen Strobl auf, für Mindeststandards bei der Unterbringung zu sorgen, bei der Gesundheitsversorgung etwa oder bei der Betreuung. Auch erste Sprachkurse gehören für sie dazu – was wiederum zu Konflikten mit dem Koalitionspartner führen dürfte. Denn Integrationsmaßnahmen in den Leas lehnt die CDU ab.