Diskutiert wird seit Jahren, eine Lösung gibt es nicht. Die Debatte um den Nordostring ist festgefahren. Doch nun kommt wieder Schwung in die Diskussion – mit einer Idee aus der Wirtschaft, die gleichermaßen überraschend wie teuer ist.

Stuttgart - Seit mehreren Jahrzehnten wird über den Nordostring diskutiert, ohne dass es eine Lösung für eine Straßenverbindung von der B 27 bei Kornwestheim im Kreis Ludwigsburg über den Neckar ins Remstal mit Anschluss an die B 14/29 bei Waiblingen/Fellbach gegeben hätte. Nun könnte eine ebenso ungewöhnliche wie teure Idee Bewegung in die festgefahrene Debatte bringen: Der Architekt Hermann Grub und der Industrielle Rüdiger Stihl haben am Dienstag eine Machbarkeitsstudie für einen Nordostring im Tunnel vorgelegt. „Damit kann man einerseits das Verkehrsproblem lösen und andererseits die wertvollen Landschaftsräume erhalten“, sagen sie. Allerdings hätte das seinen Preis: Die vom Planungsbüro Obermeyer erstellte Studie nennt Kosten von 1,2 Milliarden Euro. Für die 11,5 Kilometer lange und vierspurige oberirdische Verbindung sind momentan 210 Millionen Euro im Gespräch.

 

Bevor am Dienstag im Stihl-Konferenzraum in Waiblingen die Pläne der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, waren eine Stunde zuvor Oberbürgermeister, Bürgermeister und Vertreter der Umlandkommunen informiert worden. Auch bei der Landesregierung sind Stihl und Grub schon vorstellig geworden. „Das erste Echo ist positiv. Die Kommunen wollen die Pläne nun genau prüfen. Wir hoffen, dass sie sich aufeinander zubewegen“, sagte Stihl, der der Initiative Landschaftsmodell Nordostring vorsteht, zu der die Unternehmen Stihl, Trumpf, Lapp und Bosch gehören.

„Es gibt auf der einen Seite das dringende Bedürfnis der Wirtschaft nach einer Nordostumfahrung Stuttgarts und auf der anderen Seite die vielen Proteste dagegen wegen der Zerstörung der Landschaft“, begründete Stihl den Vorstoß. Die Machbarkeitsstudie zeige einen Weg auf, der die Zersiedelung der Landschaft verhindere. „Es ist die richtige Idee zur richtigen Zeit“, sagte Grub.

Verkehrssituation als Standortnachteil für die Region

Die Machbarkeitsstudie sieht Folgendes vor: Die vierspurige Straße bei Kornwestheim wird erst eingehaust und taucht dann in einen in offener Bauweise erstellten Tunnel ab. Daran schließt sich ein drei Kilometer langer, in bergmännischer Bauweise erstellter Tunnel an, der ins Neckartal abtaucht, den Fluss beim Klärwerk unterquert und am Ortsrand von Oeffingen endet. Von dort wird die Bundesstraße je nach Geländeform in Tunneln und in einer Einhausung bis zum Anschluss an die B 14/B 29 zwischen Fellbach und Waiblingen geführt. „Der Wirtschaftsraum braucht diese vierspurige Verbindung“, sagt Stihl, die schwierige Verkehrssituation sei ein Standortnachteil für die Region. Ein weiterer Vorteil der 10,7 Kilometer langen Führung in den Tunneln sei, dass an den Anschlüssen in Waiblingen, an die Landesstraße nach Hegnach und an die Straßen zwischen Stuttgart-Mühlhausen und Remseck weniger Fläche verbraucht werde als bei der oberirdischen Variante. Auch die Lärmbelastung werde erheblich reduziert. All dies seien Vorteile, die höhere Kosten rechtfertigten, zumal die verkehrliche Entlastung in den angrenzenden Städten voll wirksam sei. „Im Interesse, den Stau zu verhindern und die Landschaft zu erhalten, muss es möglich sein, diese Last zu stemmen“, sagte Stihl.

Da es eine Bundesstraße ist, müsste dafür in erster Linie der Bund aufkommen. Momentan ist der Nordostring als vier- spurige Variante im Bundesverkehrswegeplan 2030 in der Kategorie „Weiterer Bedarf mit Planungsrecht“ eingeordnet. In der grün-schwarzen Landesregierung ist das Projekt heftig umstritten, obwohl man sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt hat, die Planungen bis zur Baureife voranzutreiben. Darauf drängt die CDU, damit, wenn Geld vorhanden ist, rasch gebaut werden kann. Sie wirft Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) vor, das Verfahren zu verzögern und so die Chance auf eine Realisierung zu hintertreiben.

Projekt in der Landesregierung heftig umstritten

Am Montag hat das Ministerium nun einen öffentlichen Faktencheck angekündigt, der „nicht allein straßenseitig auf den sogenannten Nordostring fokussiert“ sei, sondern verkehrsträgerübergreifend Lösungen suche. Dabei würden Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Bürgerinitiativen und Verbänden befragt und eine Plattform für eine öffentliche Diskussion geschaffen. „Es kann nur darum gehen, wie der Nordostring schnell und verträglich umgesetzt wird“, erklärte Thomas Dörflinger von der CDU-Landtagsfraktion. Es stehe „enorm viel Geld“ für Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung. Der Bund habe signalisiert, dass er „für Tunnellösungen offen ist, was viele Probleme vor Ort lösen würde.“

Die IHK Region Stuttgart begrüßte den Vorstoß der Initiative. Nun müsse ein Prozess angestoßen werden, der alle Beteiligten einbeziehe und „transparent und ergebnisoffen eine konsensfähige Lösung“ ermögliche. Dabei betonte IHK-Präsidentin Marjoke Breuning, dass dies auch innerhalb der Mitgliedsunternehmen ein kontrovers diskutiertes Thema sei.