Seit einem Jahr geht es bei der geplanten Umfahrung des Göppinger Bezirks Jebenhausen nicht vorwärts. Grund sind ,massive ökologische Bedenken.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Bis Ende Juni soll Klarheit herrschen, wie es mit der geplanten Westumfahrung des Göppinger Stadtbezirks Jebenhausen weiter geht. Das hat die zuständige Planerin im Regierungspräsidium Stuttgart jetzt in einem Schreiben an die Stadt Göppingen und an den Gemeinderat in Aussicht gestellt. Seit anderthalb Jahren stockt das Planfeststellungsverfahren für den Ausbau der Landesstraße. Es werde nun untersucht, ob die Umweltverträglichkeitsprüfung wiederholt werden müsse.

 

Hintergrund sind die Bedenken von Seiten des behördlichen Naturschutzes. Im Anhörungsverfahren seien die Pläne massiv kritisiert worden, sagte der Sprecher des Regierungspräsidiums, Clemens Homoth-Kuhs. Als problematisch gilt dabei das Brückenbauwerk über den Heimbach und den Pfuhlbach. Dieses Gebiet unterliegt dem Schutz der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH), der auch von Gerichten höchste Bedeutung beigemessen wird. Der Auenwald sei ein wertvoller Lebensraum für Vögel, Fledermäuse, Käfer und Schmetterlinge, stellte die untere Naturschutzbehörde im Göppinger Landratsamt in ihrer umfangreichen Stellungnahme fest. „Nach unserer Ansicht liegt der Verlust an Lebensraum im kritischen Bereich“, fasst der Landespfleger Thorsten Teichert seine Kritik zusammen.

Gelten die Eingriffe als erheblich

Vor allem die Brückenpfeiler könnten das FFH-Gebiet erheblich stören. Offenbar müssen bei den gegenwärtigen Planungen umfangreich Bäume gefällt werden. Aber auch der Schatten, der durch die Brücke entsteht, die Belastung durch die Bauarbeiten sowie der zu erwartende Verkehrslärm und das verschmutzte Oberflächenwasser, das über die Bäche abfließen soll, stoßen bei den behördlichen Umweltschützern auf Bedenken. Seien diese Eingriffe als „erheblich“ einzustufen, müsse geprüft werden, ob bei der Europäischen Union eine Ausnahmegenehmigung zu erreichen wäre, erläutert die Chefplanerin. Dies ginge dann nicht ohne ein neues Gutachten.

Der Chef der FDP/FW-Gemeinderatsfraktion, Rolf Daferner, auf dessen Nachfrage die Auskunft der Behörde zurückgeht, reagierte alarmiert. Die Stadt müsse dieser „Verzögerungstaktik der grün-roten Landesregierung energisch widersprechen“, sonst werde die Umfahrung „auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben“. Der CDU-Landtagsabgeordnete Dietrich Birk, der selbst in Jebenhausen wohnt und der noch bei der alten Landesregierung erfolgreich für die Aufnahme des Planfeststellungsverfahrens geworben hatte, warnte vor einer Hängepartie. „Der jetzige Planungsstillstand ist inakzeptabel gegenüber den Anwohnern der Ortsdurchfahrt.“

Täglich mehr als 20 000 Autos

Mit täglich mehr als 20 000 Autos gilt die Boller Straße in Jebenhausen als die am stärksten befahrene Ortsdurchfahrt im Zuge einer baden-württembergischen Landesstraße. Die geplante, 3,5 Kilometer lange und nach bisherigen Schätzungen zwölf Millionen Euro teure Umgehungsstraße könnte diesen Wert halbieren. Allerdings ist die geplante Umgehung auch im Ort nicht unumstritten. Schließlich würde sie Jebenhausen vom Baronwald abschneiden, der als beliebtes Naherholungsgebiet gilt. Außerdem würde der Druck steigen, für den Nachbarort Bezgenriet ebenfalls eine Umfahrung zu planen.

Kommentar: Im Koma

Göppingen - Die Jebenhauser Westumfahrung ist gestorben. Schon vor einem Jahr, kurz nach der Regierungsbildung von Grün-Rot im Land, hat der Landtagsabgeordnete der Grünen, Jörg Fritz, diese Feststellung getroffen. Und daran hat sich eigentlich wenig geändert. Nur offiziell ausgesprochen hat dies das zuständige Verkehrsministerium noch nicht, was indirekt auch mit den Erfahrungen zusammenhängen dürfte, die Fritz damals machen durfte. Von allen nur vorstellbaren Seiten wurde der Parlamentsneuling attackiert. Sogar der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till und sein Intimfeind von der Linken, Christian Stähle, waren sich einig, dass Fritz hier etwas Unerhörtes gesagt hatte.

Fakt ist allerdings, dass das Projekt seit damals zumindest in ein tiefes Koma gefallen ist. So gut wie nichts hat sich in den vergangenen zwölf Monaten getan. „Still ruht der See“, lautete der lakonische Kommentar des Göppinger FDP-Fraktionschefs Rolf Daferner dazu. Wer allerdings glaubt, die gegenwärtige Denkpause sei ausschließlich politisch motiviert, macht es sich zu einfach. Vielmehr sind die umweltschutzrechtlichen Bedenken, die beim Anhörungsverfahren geäußert wurden, massiv. Auch ein Verkehrsminister mit anderem Parteibuch könnte darüber nicht einfach hinweg gehen, zumal jüngste Urteile zu anderen Straßenbauvorhaben gezeigt haben, dass die Justiz bei der europäischen FFH-Richtlinie keinen Spaß versteht.

Keine Verzögerungstaktik

Sollte sich das Verkehrsministerium nun dazu durchringen, ein neues Gutachten zur Umweltverträglichkeit in Auftrag zu geben, so wäre dies keine Verzögerungstaktik, wie der FDP-Chef Daferner vermutet, sondern die letzte Chance für das Projekt. Ehrlicher wäre allerdings ein Stopp der Planungen. Denn der Bau einer Umgehungsstraße durch ein FFH-Gebiet passt nicht zu dem groß formulierten Grundsatz von Grün-Rot, ökologischen Gesichtspunkten künftig mehr Bedeutung beimessen zu wollen. Fragt sich nur, ob der Verkehrsminister den Mut hat, dies so deutlich zu formulieren, oder ob er stattdessen auf Zeit spielt und noch ein kostspieliges Gutachten anfertigen lässt.