Soll auch der Landtag einen Ausschuss zum NSU-Terror einrichten? Derzeit sei das nicht nötig, meinen die Fraktionen. Sie halten sich die Möglichkeit aber ausdrücklich offen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Soll der baden-württembergische Landtag einen eigenen Untersuchungsausschuss zu den Aktivitäten der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) einrichten? Derzeit sei das angesichts der laufenden Aufklärung nicht nötig, lautet der Tenor einer Umfrage der Stuttgarter Zeitung bei den vier Fraktionen. Grüne und FDP zeigen sich für ein solches Gremium tendenziell offener als CDU und SPD. Innenminister Reinhold Gall (SPD) soll zunächst am 13. März im Innenausschuss des Landtags umfassend über die Erkenntnisse berichten.

 

Parallel zu dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags haben die Landtage von Bayern, Thüringen und Sachsen eigene Ausschüsse eingerichtet. Sie sollen Fehler und Versäumnisse der Landesbehörden aufarbeiten. Baden-Württemberg solle diesem Beispiel folgen, fordern etwa die Linke-Bundestagsabgeordnete Petra Pau oder die Piratenpartei; diese hat bereits einen umfangreichen Fragenkatalog vorgelegt. Zur Begründung wird auf die besonderen Bezüge in den Südwesten verwiesen – so den Polizistinnenmord in Heilbronn, die jüngst bekannt gewordenen Verbindungen des NSU-Terrortrios nach Ludwigsburg oder die Polizeibeamten mit Kontakten zum Ku-Klux-Klan.

Innenminister soll offene Fragen beantworten

Die Grünen äußerten die Erwartung, dass Innenminister Gall im Innenausschuss „alle offenen Fragen beantwortet“. Klärungsbedarf gebe es in vielen Punkten. „Die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses des Landtags bleibt aber stets eine zusätzliche Option“, sagte der Fraktionsgeschäftsführer Hans-Ulrich Sckerl. Dieser könne etwa notwendig werden, um „umfassend Einblick in Ermittlungsakten zu nehmen“ oder Zeugen zu hören; beides ist den regulären Ausschüssen des Parlaments verwehrt. Eine offensivere Linie sei in dieser Frage nicht möglich, weil dies als Misstrauensvotum gegen Gall gedeutet werden könne, verlautet aus Fraktionskreisen.

Auch für die SPD sind die neuen Informationen zu NSU-Aktivitäten im Land „ohne Frage Besorgnis erregend“. Der Innenexperte Nikolaos Sakellariou plädierte für eine „gründliche Aufarbeitung“ und vertraut dabei vorrangig auf den Innenminister. Die Fraktion sehe daher „zum jetzigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit“ für einen Sonderausschuss auf Landesebene.

CDU will bessere Kontrolle des Verfassungsschutzes

Für die CDU reicht derzeit der Berliner Ausschuss aus. „Eine breite Aufklärung unter Berücksichtigung der Länderproblematik erfolgt derzeit auf Bundesebene“, sagte eine Fraktionssprecherin. Sie verwies auf eine CDU-Initiative für eine interfraktionelle Arbeitsgruppe, um die Kontrolle des Verfassungsschutzes zu verbessern. Dazu habe man bereits Eckpunkte entwickelt. Die Idee sei positiv aufgenommen worden, hieß es, ein Termin für ein Treffen stehe noch aus.

Die FDP zeigte sich für einen Sonderausschuss „offen“, sieht derzeit dafür aber „keine zwingende Notwendigkeit“. Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und Ex-Justizminister Ulrich Goll lobten das „große Aufklärungsinteresse“ des Bundestages, das schon „zahlreiche wertvolle Erkenntnisse“ erbracht habe. Auch im Land gehe die Aufklärung voran. Solange die Behörden „nicht den nötigen Aufklärungswillen vermissen lassen“, sei ein Ausschuss daher „nicht das erste Mittel der Wahl“. Allerdings habe es beim NSU-Komplex schon einige negative Überraschungen gegeben, erinnerten Rülke und Goll. „Sollten neue Erkenntnisse zu Tage gefördert werden“, könne eine U-Ausschuss auf Landesebene durchaus sinnvoll sein.