Der Regierungschef übertrifft seine grün-rote Koalition noch an Beliebtheit. Winfried Kretschmann findet aber auch in den Reihen der CDU große Zustimmung.

Stuttgart - Die Augenhöhe, die die Koalitionspartner so gerne beschwören, ist vor allem für die SPD ein Wunschtraum. In den Augen der Bevölkerung lässt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) seinen Stellvertreter Nils Schmid (SPD) weit hinter sich. Der erste grüne Ministerpräsident kann sich im Glanz seiner Beliebtheit sonnen. 68 Prozent der Teilnehmer an der Umfrage von Stuttgarter Zeitung und SWR sind mit der Arbeit ihres Landesvaters zufrieden bis sehr zufrieden. Kretschmann hat damit im Vergleich zur Umfrage vom November 2011 sein Ansehen deutlich gesteigert. Damals lobten ihn 58  Prozent der Baden-Württemberger. In einem Jahr als Regierungschef konnte Winfried Kretschmann offenbar viele Skeptiker überzeugen. Das Lager seiner Kritiker schmolz im Vergleich zum November um sieben Prozent ab. Jetzt sind noch 21 Prozent zurückhaltend.

 

Die Anhänger der Grünen, die bisher eher wenig zum Personenkult neigten, lassen nichts auf den Ministerpräsidenten kommen. 95 Prozent von ihnen finden ihn toll, aber auch bei 65 Prozent derer, die die CDU bevorzugen, genießt er hohes Ansehen. Unter den SPD-Anhängern sind 73 Prozent mit Kretschmanns Arbeit zufrieden, 71 Prozent der Piraten-Fans finden den Regierungskapitän gut. Am meisten an Kretschmann auszusetzen haben die FDP-Sympathisanten: Jeder dritte von ihnen hält wenig von ihm.

Nils Schmid: Zustimmung und Ablehnung halten sich die Waage

Nils Schmid, Kretschmanns Stellvertreter, kann nicht aus dem Schatten des beliebten Landesvaters treten. Bei der Bewertung seiner Arbeit halten sich Zustimmung und Ablehnung die Waage. Jeweils 41 Prozent der Befragten finden den Finanz- und Wirtschaftsminister gut beziehungsweise nicht gut. Das eigene Lager bewertet Schmid zwar überwiegend positiv, doch mehr als jeder vierte potenzielle SPD-Wähler ist mit der Arbeit des Superministers nicht zufrieden. Schmid stößt auch bei 34 Prozent der Grünen-Anhänger auf Kritik. Bei CDU und FDP dominiert die Ablehnung mit 50 respektive 44 Prozent.

Nicht nur mit ihrem Spitzenmann, auch mit ihren Inhalten, hat die SPD das Nachsehen gegenüber den Grünen. 47 Prozent der Befragten glauben, dass die Grünen ihre Ziele im ersten Regierungsjahr besser durchgesetzt haben. Von der SPD glauben das nur 26 Prozent. Ärgerlich für Nils Schmid ist, dass auch 40 Prozent der SPD-Sympathisanten glauben, die Grünen stünden in der Regierung besser da. Die SPD sehen nur 33 Prozent vorn. Von den CDU-Anhängern glauben 56 Prozent, dass die Grünen sich stärker durchgesetzt haben.

Die meisten sagen, das Land befinde sich auf gutem Kurs

Grundsätzlich sehen drei Viertel der Befragten Baden-Württemberg auch nach dem historischen Machtwechsel vom März 2011 auf einem guten Kurs. Quer durch alle Altersgruppen und Bildungsschichten finden die Befragten, das Land bewege sich in die richtige Richtung. Dasselbe sagen 66 Prozent der CDU- und 69 Prozent der potenziellen FDP-Wähler. Auch 67 Prozent der Piraten-Freunde würden wohl nicht umsteuern. Die Zufriedenheit mit der Entwicklung des Landes ist nicht deckungsgleich mit der Zufriedenheit mit der Landesregierung. Doch hat die grün-rote Koalition ihr Ansehen deutlich steigern können. 62 Prozent sind zufrieden bis sehr zufrieden. Das bedeutet seit November 13 Punkte Zuwachs an Zustimmung. Auch 52 Prozent der CDU-Anhänger sind zufrieden mit Grün-Rot, ebenso wie 49 Prozent der Piraten und 39 Prozent von der Seite der FDP. Die Grünen-Fans sind mit 91 Prozent deutlich begeisterter von der Koalition als die Sozialdemokraten.

Unter den SPD-Anhängern äußern sich nur 78 Prozent zufrieden. Am wenigsten finden die Befragten mit dem höchsten Schulabschluss, die sich häufig skeptisch zeigen, an der Regierung auszusetzen. 66 Prozent von ihnen loben die Koalition.

Koalition ist nach Hamburg die beliebteste Landesregierung

Mit einer Gesamtzustimmung von 62 Prozent ist die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg die beliebteste Landesregierung nach Hamburg (63 Prozent, Stand Januar 2012). Die CDU-FDP-geführte Bundesregierung kommt einer Umfrage von Infratest dimap vom Mai zufolge nur auf eine Zustimmung von 34 Prozent. In Bayern ermittelten die Demoskopen eine Zustimmung zur Landesregierung aus CSU und FDP von 48 Prozent.

Wäre am Sonntag Landtagswahl, hätte die grün-rote Koalition einen deutlichen Vorsprung vor Schwarz-Gelb. Die CDU käme auf 37 Prozent, das wären zwei Prozent weniger als bei der Landtagswahl, entspricht aber dem Niveau der Umfrage vom November. Die Grünen gewännen gegenüber der Wahl vom März 2011 fast vier Prozent hinzu und würden 28 Prozent erreichen. Das sind mehr als doppelt so viel wie auf Bundesebene. Dort sieht sie das Institut Forsa derzeit bei 13 Prozent. Die SPD verlöre im Vergleich zur Landtagswahl zwei Punkte und würde 21 Prozent erreichen. Gegenüber der Umfrage von vor einem halben Jahr büßt die SPD einen Prozentpunkt ein. Die FDP würde mit vier Prozent nicht wieder in den Stuttgarter Landtag einziehen. Bei der Wahl im März 2011 hatten die Liberalen noch 5,3 Prozent erreicht. Ins Parlament einziehen würden jedoch die Piraten mit sechs Prozent.

Die CDU würde am stärksten bei den über Sechzigjährigen (44 Prozent) und den 30- bis 44-Jährigen (40 Prozent) punkten, die Grünen kämen in den mittleren Altersgruppen auf jeweils mehr als 30 Prozent, die SPD stünde mit 30 Prozent bei den Jüngsten am besten da. Allerdings sind 29 Prozent der Befragten in der aktuellen Umfrage noch unentschlossen.