Grüne und SPD kommen zurzeit zusammen auf 52 Prozent der Stimmen, eine Mehrheit der Befragten spricht sich außerdem für Stuttgart 21 aus.

Stuttgart – Die Grünen in Baden-Württemberg sind auf einem neuen Höhenflug. Wäre am kommenden Sonntag Landtagswahl, kämen die Grünen auf 29 Prozent. Damit würde die Partei von Ministerpräsident Winfried Kretschmann fast fünf Prozent mehr erreichen, als sie bei der Landtagswahl im März erzielte. CDU und FDP verlieren hingegen weiter, die SPD stagniert. Das hat eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der Stuttgarter Zeitung und des Südwestrundfunks Stuttgart ergeben. Während die Grünen offensichtlich von der Regierungsbeteiligung profitieren, verharrt die SPD mit 23 Prozent auf dem Niveau vom 27. März (23,1 Prozent). Die CDU hat drei Prozentpunkte verloren und liegt derzeit bei 36 Prozent. Die FDP schwächelt weiter. Mit vier Prozent würde sie nicht mehr in den Landtag einziehen. Am 27. März hatten die Liberalen noch 5,3 Prozent der Stimmen bekommen. Unterdessen legte die Linke bei der Sonntagsfrage um 0,2 Prozent auf 3 Prozent zu. Infratest dimap hat am 16. und 17. August 1000 Wahlberechtigte im Land befragt.

 

53 Prozent der Befragten sprechen sich in der Umfrage für das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 aus, im Großraum Stuttgart sind es sogar 60 Prozent. 32 Prozent sind insgesamt gegen Stuttgart 21, im Großraum Stuttgart lehnen 28 Prozent der Befragten das Projekt ab. Zum Vergleich: Im Dezember 2010 waren landesweit 54 Prozent dafür und 38 Prozent dagegen. Unter den CDU-Anhängern sind die S-21-Befürworter klar in der Mehrheit: 84 Prozent sind grundsätzlich für das Projekt, 10 Prozent lehnen es grundsätzlich ab. Bei den SPD-Anhängern sind 50 Prozent dafür und 36 dagegen, bei den Grünen sprechen sich 36 Prozent für Stuttgart 21 und 51 Prozent dagegen aus. Auch wenn Grüne und SPD über Stuttgart 21 unterschiedlicher Ansicht sind, wird ihre Koalition die Differenzen überstehen, das glauben jedenfalls 60 Prozent der Befragten.

Dabei steht die nächste Zerreißprobe für die Koalition unmittelbar bevor. In außergewöhnlich scharfer Form hat der Projektsprecher von Stuttgart21, Wolfgang Dietrich, am Donnerstag die Landesregierung angegriffen. Die von Grün-Rot versprochene Volksabstimmung sei „ein Phantom“, das nur dazu diene, die Arbeiten an dem neuen Tiefbahnhof zu verzögern. Im Blick auf den von Kretschmann geforderten Bestandsschutz für den Südflügel bis zu einer Volksabstimmung sagte Dietrich: „Es ist unredlich, von der Bahn etwas zu verlangen, was die Regierung selbst nicht garantieren kann.“ Dies werde sich die Bahn nicht länger bieten lassen. Der Staatskonzern habe „nicht nur das Recht, in Stuttgart zu bauen, sondern die Pflicht“. Dies sähen die anderen Projektpartner, die Stadt Stuttgart und der Verband Region Stuttgart, ebenso. „Es ist schon fünf nach zwölf“, sagte Dietrich und kündigte an: „Bis zum Ende des Jahres müssen die Bäume weg und der Südflügel abgerissen sein.“

Blitzstart für Winfried Kretschmann

Die Arbeit der Koalition bewerten 49 Prozent der Befragten positiv, weniger oder nicht zufrieden sind acht Prozent. Laut der Infratest-Umfrage hat der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann einen Blitzstart hingelegt. 100 Tage nach seinem Amtsantritt sind 62 Prozent der Befragten mit seiner politischen Arbeit zumindest zufrieden. Neun Prozent gaben in der Umfrage sogar an, sie seien mit Kretschmann sehr zufrieden, 53 Prozent zeigten sich zufrieden. Weniger zufrieden sind 20 Prozent, gar nicht zufrieden sechs Prozent der Befragten. Der 63 Jahre alte Kretschmann hat seine größten Fans übrigens bei den ganz jungen Wahlberechtigten. Unter den 18 bis 24-Jährigen sind 14 Prozent der Meinung, Kretschmann mache seine Sache ausgezeichnet. Selbst 47 Prozent der CDU-Anhänger sind mit der Arbeit Kretschmanns zufrieden bis sehr zufrieden.

Zum Vergleich: Mit Kretschmanns Vorgänger Stefan Mappus (CDU) waren Anfang September vergangenen Jahres 36 Prozent der Befragten zufrieden und ein Prozent war sehr zufrieden. Weniger zufrieden waren hingegen 30 Prozent, 14 Prozent waren gar nicht zufrieden.

Der Sprecher von Ministerpräsident Kretschmann reagierte mit verhaltener Freude auf die positiven Umfragewerte für die Grünen. „Das ist eine gute und schöne Bestätigung der Regierungsarbeit der ersten 100 Tage und ein besonderer Vertrauensbeweis für die Arbeit des Ministerpräsidenten.“ Vor allem aber seien die Ergebnisse Verpflichtung, auch in den nächsten Jahren gut und seriös weiterzuarbeiten. Nils Schmid, der Landesvorsitzende der SPD und stellvertretende Ministerpräsident, kommentierte, die Zahlen seien ermutigend für die Regierungsparteien. Eine deutliche Mehrheit unterstütze weiterhin die SPD und die Grünen bei der notwendigen ökologischen und sozialen Modernisierung des Landes. Für Cem Özdemir, den Bundesvorsitzender der Grünen, zeigen die Ergebnisse der Umfrage, „dass eine von den Grünen angeführte Landesregierung kein Schreckgespenst ist“. Die Werte seien zu einem guten Teil der „hohen Integrität, Klugheit und Leidenschaft“ des Ministerpräsidenten Kretschmann zuzurechnen, sagte Özdemir der Stuttgarter Zeitung. Das Votum zu Stuttgart 21 wertet er als nicht aussagekräftig. Es habe sich immer wieder geändert. Die Grünen wollten die im Spätherbst geplante Volksabstimmung nutzen, um verständlich zu machen, „warum wir aus guten Gründen dagegen sind, Milliarden für eine Verbuddelung des Bahnhofs aufzuwenden“.

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