100 Tage Grün-Rot: Auch öffentlich wird Bilanz gezogen. Laut Umfrage finden 62 Prozent der Befragten die Arbeit des Regierungschefs gut.

Stuttgart - Winfried Kretschmann, der erste grüne Ministerpräsident, hat einen Blitzstart hingelegt. Hundert Tage nach seinem Amtsantritt sehen 62 Prozent der Befragten die politische Arbeit des Ministerpräsidenten positiv. Neun Prozent gaben in der Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der Stuttgarter Zeitung und des SWR sogar an, sie seien mit Kretschmann sehr zufrieden, 53 Prozent zeigten sich zufrieden. Weniger zufrieden sind 20, gar nicht zufrieden sechs Prozent.

 

Zum Vergleich: Kretschmanns Vorgänger Stefan Mappus (CDU), stieß Anfang September 2010 bei 37 Prozent der Befragten auf eine positive Resonanz. Weniger zufrieden mit ihm waren 30 Prozent, 14 Prozent machte er gar nichts recht. Damals war Mappus ein gutes halbes Jahr im Amt. Etwa vier Wochen später folgte der Polizeieinsatz gegen Stuttgart 21-Gegner im Stuttgarter Schlossgarten, der Mappus' Ansehen weiteren Schaden zugefügt hat.

Die aktuelle Umfrage bestätigt die Vermutung, dass die Beliebtheit der neuen Regierung besonders dem grünen Spitzenmann geschuldet ist. Winfried Kretschmann liegt mit seinen persönlichen Werten deutlich vor den Quoten der grün-roten Landesregierung insgesamt. Grün-rot in Baden-Württemberg finden 45 Prozent der befragten Bürger gut, weitere vier Prozent sind sogar sehr zufrieden. Weniger angetan zeigen sich 29 Prozent, gar nicht zufrieden sind acht Prozent.

Die geringste Zustimmung findet Grün-Rot bei der Generation 60 plus

Der 63 Jahre alte Sigmaringer Kretschmann hat seine größten Fans bei den ganz jungen Bürgern. Unter den 18 bis 24-Jährigen sind 14 Prozent der Meinung, Kretschmann mache seine Sache ausgezeichnet. So viele Bestnoten erhielt der Regierungschef in keiner anderen Altersklasse. Dagegen sagten zehn Prozent der Befragten über 60 Jahre, sie seien mit Kretschmanns Arbeit gar nicht zufrieden. Aber auch unter den Jungen hat der Ministerpräsident nicht nur Freunde. 29 Prozent von ihnen sind weniger zufrieden mit seiner Arbeit, so viele wie in keiner anderen Altersgruppe.

Quer durch die Generationen bewerten zwischen 50 und 56 Prozent der Befragten Kretschmanns Arbeit jeweils positiv. Sehr zufrieden oder zufrieden mit Kretschmann sind 63 Prozent der befragten Männer und 62 Prozent der Frauen, 56 Prozent der Menschen mit Volks- und Hauptschulabschluss und 64 derer mit Abitur. Im Großraum Stuttgart findet der Ministerpräsident von der Alb mit 64 Prozent etwas mehr Zustimmung als außerhalb des Großraums (61 Prozent). Weniger oder gar nicht zufrieden mit ihm sind 29 Prozent der Hauptschulabsolventen und 30 Prozent der Abiturienten.

Die Hälfte der befragten Frauen und 48 Prozent der Männer finden die grün-rote Landesregierung zumindest in Ordnung. Weniger oder nicht zufrieden lautete das Urteil von 36 Prozent der Männer und 37 Prozent der Frauen. Die geringste Zustimmung findet Grün-Rot bei der Generation 60 plus: 43 Prozent der Älteren lehnen die Koalition ab. Die besser Gebildeten sehen Grün-Rot in freundlicherem Licht: 54 Prozent von ihnen sind zufrieden bis sehr zufrieden, 35 Prozent bewerten die Regierung negativ. Unter den Absolventen von Volks- und Hauptschulen sind 39 Prozent zufrieden mit Grün-Rot und 46 nicht.

Kretschmann - Kult im eigenen Lager

Das Projekt Grün-Rot scheint eher ein grünes als ein rotes zu sein. Zwar verteilen jeweils acht Prozent der Anhänger der Grünen und der SPD die Bestnote "sehr zufrieden" für die Koalition, zufrieden zeigen sich aber nur 55 Prozent der SPD-Sympathisanten. Dagegen geben 69 Prozent der Befragten aus dem Lager der Grünen der Koalition das Siegel zufrieden. Weniger oder nicht zufrieden sind 21 Prozent derer, die zur SPD tendieren und 19 Prozent der Grünen-Anhänger.

 Selbst 30 Prozent der Befragten, die der CDU nahestehen, sehen die Regierung mit Wohlwollen, allerdings kommt von dort auch schroffe Ablehnung: 58 Prozent der Konservativen sind weniger oder gar nicht zufrieden. Winfried Kretschmann erfreut sich dagegen auch in CDU-Kreisen relativer Beliebtheit: vier Prozent sind mit ihm sehr zufrieden, 43 Prozent zufrieden. Auf Ablehnung stößt der Ministerpräsident bei 42 Prozent der CDU-Anhänger.

Im eigenen Lager ist Kretschmann Kult: 87 Prozent der Grünen-Sympathisanten finden ihren Ministerpräsident gut. Aus den Reihen des Koalitionspartners SPD signalisieren zwölf Prozent große Zufriedenheit und 59 Zufriedenheit mit dem grünen Regierungschef. Zwei Prozent der Sozialdemokraten finden ihn gar nicht gut.

Der Ministerpräsident sendet ein Aufbruchsignal

Nils Schmid, der SPD-Landesvorsitzende und Finanzminister, nimmt die Werte als Ermutigung und versichert, "die SPD hält Kurs". Der Parteichef der Landesgrünen, Chris Kühn, liest aus der Umfrage, die Menschen im Land seien offensichtlich zufrieden mit der grün-roten Landesregierung. Besonders wichtig ist ihm, "dass der Konflikt um Stuttgart 21 nicht alles andere überschattet".

Winfried Kretschmann sei es gelungen, ein Aufbruchsignal im Land zu transportieren. "Winfried Kretschmann ist schon jetzt ein Landesvater für alle Menschen in Baden-Württemberg", sagte Kühn. Thomas Strobl, der neue Vorsitzende der baden-württembergischen CDU, ist mit dem Wert für seine Partei zwar nicht zufrieden, er sieht die 36 Prozent aber "im Bereich dessen, was man erwarten konnte".

Die Regierung profitiere offensichtlich von den hohen Zustimmungswerten des Ministerpräsidenten. "Allerdings muss der Ministerpräsident jetzt endlich anfangen zu regieren und kann nicht länger nur moderieren", fordert Strobl.