Wieso wählen Menschen Rechtspopulisten? Eine Studie liefert Antwortern, aus denen der Deutsche Gewerkschaftsbund seine eigenen Schlüsse zieht.

Berlin - Viele Deutsche sorgen sich um ihre wirtschaftliche Zukunft – eine Sorge, die einen positiven Effekt für die Alternative für Deutschland (AfD) hat. Denn sie lässt Wähler bei dieser Partei ihr Kreuzchen machen. Eine aktuelle Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zusammen mit der Universität Paderborn und dem Meinungsforschungsinstitut policy matters hat ergeben, dass Angst und Unzufriedenheit nachweislich den Zulauf zu Rechtspopulisten fördern.

 

Die Studie, die jetzt in Berlin vorgestellt wurde, basiert auf einer Online-Umfrage mit 4892 Teilnehmenden ab 18 Jahren. Sie wurden nach Wertorientierung, politischer Einstellung und ihrer Sichtweise auf die Arbeitswelt gefragt. Die Soziologieprofessorin Bettina Kohlrausch erklärte, 22 Prozent einer 5,6 Millionen Menschen umfassenden „Gefährdeten“-Gruppe wähle AfD. Die Gruppe setzt sich demnach aus Personen zusammen, die ein Einkommen unter 2500 Euro im Monat, maximal mittlere Reife haben und angeben, dass ihr Schicksal sehr stark von anderen und von außen bestimmt wird. Der Wahlforscher Richard Hilmer sagte, Beschäftigte in Großbetrieben neigten weit weniger zu einer AfD-Wahl als die in kleinen Firmen. Michael Klonovsky, Sprecher der AfD im Stuttarter Landtag, verweist darauf, dass es auch Studien gebe, die besagen, dass die AfD eine Partei der Besserverdiener sei und sieht die Ergebnisse solcher Untersuchungen deshalb generell sehr skeptisch.

Subjektives Empfinden der eigenen Lebenssituation ausschlaggebend

Der wesentliche Treiber, AfD zu wählen, ist laut der Studie offenbar die Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation. Während in der Gesamtbevölkerung 46 Prozent angeben, dass sie sich um ihre Zukunft sorgen, sind es unter den AfD-Wählern 67 Prozent. Sie fürchten sich stärker vor sozialem Abstieg und fühlen sich vor Krisen nicht ausreichend geschützt. Was dabei ein zentrale Erkenntnis ist: Reale Lebenssituation und subjektives Empfinden stimmen nicht unbedingt überein. Menschen, die AfD wählen oder es in Betracht ziehen, befinden sich häufig nicht in einer finanziell bedrohlichen Situation.

Die Studie zeigt auch, dass sich Menschen, die anfällig für rechte Parolen sind, als zurückgesetzt empfinden. Unabhängig vom realen Einkommen ordnen sie sich in der Gesellschaft vergleichsweise weit unten ein. Die Wahrscheinlichkeit, dass Personen AfD wählen, ist groß, wenn sie im Vergleich zur sozialen Situation der Eltern einen sozialen Abstieg erlebt haben. Laut Studie neigen AfD-Wähler tendenziell zu einer besonders negativen Wahrnehmung der eigenen Position. Mehr als die Hälfte der AfD-Wähler (60 Prozent) halten Deutschland zudem nicht für durch und durch demokratisch. Auch um die Meinungsfreiheit ist es in ihren Augen schlecht bestellt: nur 38 Prozent glauben, dass die Meinungsfreiheit gewährleistet ist.

Gewerkschaftsmitglieder nicht weniger anfällig für rechte Parolen

Auch Menschen mit einem besonders hohen Einkommen neigen dazu, die AfD zu wählen oder es in Betracht zu ziehen. Es sind nicht nur die „sozial Schwachen“, die ihr Kreuzchen bei den Rechtspopulisten machen. Auch die Annahme, dass vor allem Arbeitslose AfD wählen, stimmt nicht. Erwerbslose wählen nicht häufiger AfD als der Rest der Bevölkerung. Entscheidender ist, ob jemand um seinen Arbeitsplatz fürchtet. Dann ist die Empfänglichkeit für rechte Parolen offenbar höher.

Die Studie zeigt auch: Ob jemand Gewerkschaftsmitglied ist oder nicht, macht im Wahlverhalten keinen Unterschied. Gewerkschaftsmitglieder wählen genauso häufig AfD wie Nicht-Mitglieder. Einen Unterschied macht es aber, ob sich ein Mitglied engagiert. Dann ist die Wahrscheinlichkeit geringer, zu Rechtspopulisten zu neigen. Aber was können Politik und Unternehmen tun, um Unsicherheit und Ängste zu nehmen? Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Hans-Böckler-Stiftung, fordert mehr Tarifverträge, die für Sicherheit sorgen. Auch Mitbestimmung im Betrieb sei wichtig, ebenso wie die Eingrenzung von Leiharbeit.