Aufgaben werden während laufender Prüfungen verändert – das scheint an der Beamtenhochschule die Regel. Eine Umfrage der Steuergewerkschaft unter angehenden Finanzbeamten zeigt weitere gravierende Missstände.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Bei der Prüfung angehender Steuerbeamter an der Verwaltungshochschule in Ludwigsburg herrschen offenbar chaotische Verhältnisse. Fast jeder Absolvent der Steuerfakultät hat mehrmals erlebt, dass Aufgaben während der laufenden Prüfung verändert wurden. Dies hat eine Umfrage der Deutschen Steuergewerkschaft (DStG) unter Studierenden ergeben, die 2017 ihre Abschlussprüfung gemacht haben. Die noch nicht veröffentlichten Ergebnisse liegen unserer Zeitung vor.

 

Von insgesamt 244 Befragten gaben 243 an, dass schon einmal eine Prüfungsaufgabe während der Bearbeitung verbessert oder ergänzt werden musste. Fast alle von diesen 98 Prozent sagten, dass dies während ihres Studiums mehrfach vorgekommen sei. In den freien Antworten zu der Umfrage wurde von einer Laufbahnprüfung berichtet, bei der knapp drei Stunden nach Beginn der Sachverhalt bei einer Teilaufgabe geändert wurde. Wer diese schon gelöst hatte, habe Pech gehabt. Studierende, die zu dieser Zeit auf der Toilette waren, hätten nichts von der Änderung erfahren.

Studenten rügen fehlenden Praxisbezug

Die Befunde werden in der Auswertung der Umfrage als „absolut besorgniserregend“ bewertet. Für alle Prüflinge müssten gleiche und faire Bedingungen gelten, andernfalls könnte das Ergebnis angefochten werden. Der Landesvorsitzende der Steuergewerkschaft, Markus Scholl, nannte die Vorgänge gegenüber unserer Zeitung „unsäglich“. Das Finanzministerium sei seiner Aufsichtspflicht in der Vergangenheit offenbar nicht nachgekommen, urteilt die DStG. Nun sei das Ministerium in „dringender Handlungspflicht“. Eine Sprecherin des Ressorts von Edith Sitzmann (Grüne) wollte sich zunächst nicht zu der Umfrage äußern. Die Ergebnisse sollen nun von der DStG zusammen mit der Hochschule, der Oberfinanzdirektion und den Ministerien für Wissenschaft und Finanzen aufgearbeitet werden.

Massive Kritik üben die Studierenden auch am Praxisbezug der Ausbildung, der mit der Note „ausreichend“ bewertet wird. Das Studium habe „keinen oder kaum Bezug zur späteren Arbeitswirklichkeit“ in den Finanzämtern, folgert die Gewerkschaft. Eine Ursache sieht sie auch darin, dass die hauptamtlichen Lehrkräfte nicht, wie vorgeschrieben, nach einigen Jahren wieder Erfahrungen in der Praxis sammelten. Hierbei handele es sich um „fortgesetzten Rechtsbruch“, der dringend beendet werden müsse.

Dürftige Noten für die Dozenten

Auch das Urteil über die Dozenten fällt überwiegend kritisch aus. Deren Engagement wird mit der Durchschnittsnote drei bewertet, etwa 70 Prozent sind mit der Rückmeldung zu Hausarbeiten, Klausuren oder Übungen unzufrieden; sie vergeben dafür Noten von vier bis sechs. Vorlesungen zu besuchen sei „reine Zeitverschwendung“, gaben Teilnehmer an. Viele Lehrende wirkten selbst nicht motiviert und motivierten auch die Studierenden nicht.