Viele Mediziner fühlen sich laut einer Umfrage überlastet und ausgenutzt. Auch für Patienten in Baden-Württemberg ist das Anlass zur Sorge.

Stuttgart - Die Ärzte in Baden-Württembergs Kliniken klagen über schlechte Arbeitsbedingungen. „Weil viele Stellen unbesetzt sind, geraten die Mediziner unter Druck. Für die Behandlung der Patienten bleibt viel zu wenig Zeit“, sagte Frank Joachim Reuther, Landesvorsitzender der Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB), am Donnerstag in Stuttgart. Reuther berief sich auf die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage unter 3320 angestellten Ärzte im Südwesten, die seine Gewerkschaft in Auftrag gegeben hatte.

 

90 Prozent der Befragten MB-Mitglieder erklärten demnach, dass es für die Versorgung besser wäre, wenn sie mehr Zeit für Patienten hätten. Neben vielen vakanten Stellen sei die Arbeitsverdichtung auf den Stationen ein großes Problem. Fast jeder zweite Mediziner gab an, regelmäßig gegen das Arbeitszeitgesetz zu verstoßen. Krankenhausärzte dürfen 48 Stunden in der Woche arbeiten. Als Höchstarbeitszeit sind 56 Stunden erlaubt, dies aber nur zeitlich befristet.

Zehn Prozent mehr Studienplätze gefordert

„Wir fordern systematische Kontrollen der Gewerbeaufsichtsämter, um Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz feststellen zu können“, sagte Matthias Fabian, Mitglied im MB-Landesvorstand. Klinikarbeitgeber stellten sich bei diesem Thema seit Jahren taub und setzten darauf, dass Ärzte dem Dienst am Patienten weiter einen höheren Stellenwert einräumen als dem Schutz der eigenen Gesundheit. Fabian forderte Landessozialminister Manfred Lucha (Grüne) auf, die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes bei der Krankenhausplanung zu berücksichtigen. Dafür sprachen sich in der Umfrage 90 Prozent der Mediziner aus. Der Minister könnte dann Kliniken, die systematisch gegen das Gesetz verstoßen, beispielsweise Fördermittel entziehen, so Fabian.

 

Der Ärztefunktionär sprach sich dafür aus, zehn Prozent mehr Studienplätze im Fach Medizin in Baden-Württemberg einzurichten, um dem Ärztemangel zu begegnen. Davon dürften nicht nur die Notenbesten profitieren, auch die soziale Vorbildung von Bewerbern sei zu berücksichtigen. Eine Begünstigung von Studenten, die sich auf eine Karriere als Landarzt festlegen, lehnt der Marburger Bund ab. Derzeit beginnen 1500 angehende Mediziner pro Jahr ihr Studium im Land.