Wegen steigender Gesundheits- und Pflegekosten rechnen die Deutschen mit weniger Erbschaften. Zu Recht?

Wirtschaft: Imelda Flaig (imf)

Stuttgart - Eigentlich schwimmen die Deutschen im Geld, wenn man sich die Statistik anschaut. Ende 2017 summierte sich das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland auf 5,9 Billionen Euro – das sind 1,5 Billionen mehr als noch im Jahr 2010. Und Schätzungen zufolge werden jährlich 200 bis 300 Milliarden an Privatvermögen vererbt – etwa in Form von Geld, Immobilien oder Wertpapieren.

 

Die Unsicherheit wächst

Mehr als 80 Prozent der Deutschen erwarten, dass aufgrund steigender Gesundheits- und Pflegekosten die Häufigkeit und der Umfang von Erbschaften abnehmen werden, wie eine repräsentative Studie der Deutschen Bank in Zusammenarbeit mit dem Allensbach-Institut mit 1706 Befragten ergeben hat. Diese Befürchtungen scheinen unbegründet zu sein. Denn zum einen wächst das Geldvermögen, zum anderen hat nur jeder Vierte, der schon einmal geerbt hat, angegeben, dass seine Erbschaft aufgrund von Pflegekosten tatsächlich geringer ausgefallen ist. Bei 55 Prozent der Befragten war das gar nicht der Fall, wie die Umfrage ergeben hat. Doch die Verunsicherung ist groß.

Bedeutung von Immobilien steigt

Geld wird am häufigsten vererbt – dies ist bei drei Viertel aller Erbschaften der Fall. Gegenläufig verhält es sich bei Gold (gerade mal bei vier Prozent der Erbschaften), Wertpapieren (zwölf Prozent) und Immobilien (40 Prozent). Das dürfte sich aber ändern, wie die Umfrage zeigt. Fast 60 Prozent der künftigen Erblasser – also diejenigen, die in Zukunft etwas vererben wollen – gehen davon aus, Immobilienvermögen weiterzugeben. „Der Anteil komplexer Erbgüter wie Wertpapiere oder Immobilien nimmt zu“, sagt Lisa-Marie Wöhrle, die bei der Deutschen Bank in Stuttgart als Beraterin tätig ist.

Regionale Unterschiede beim Erben

Mit Blick auf das zu erwartende Erbe gibt es regional große Unterschiede. In Baden-Württemberg werden heute schon vor allem Immobilien vererbt – in 63 Prozent aller Erbfälle gehört ein Haus oder eine Wohnung zum Nachlass. Auch werden hier mehr Erbschaften erwartet. Im Südwesten und in Bayern rechnen im Schnitt 30 Prozent der Bevölkerung mit einer Erbschaft, in östlichen Bundesländern und Berlin sind es nur 17 Prozent, in Norddeutschland 22 Prozent. Zudem können Beamte und Angestellte häufiger mit einer Erbschaft rechnen als Arbeiterhaushalte. Bislang haben Erben ihre Erbschaft vor allem für die Geldanlage, den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge eingesetzt. „Doch erben allein reicht für die Altersvorsorge nicht aus“, sagt Wöhrle.

Übers Erben wird ungern gesprochen

Die meisten Deutschen beschäftigen sich ungern mit dem Thema Erbschaft (60 Prozent). Vielen Befragten scheint es aber empfehlenswert, spätestens darüber zu sprechen, wenn ein Testament verfasst wird (36 Prozent) oder jemand schwer erkrankt (21 Prozent) ist. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt? Bloß nicht an Weihnachten, sagt die Mehrheit. Nur fünf Prozent halten das Familienfest für einen guten Zeitpunkt. Anders sieht das Beraterin Wöhrle: Warum nicht an Weihnachten, da komme die ganze Familie zusammen? Auch Rechtsanwalt und Notar Hans-Ulrich Eppinger von der Kanzlei Schelling & Partner pflichtet Wöhrle bei – nach dem Motto: „Reden ist Gold, schweigen gibt Streit.“

Aufteilung rechtzeitig regeln

Etwa in jedem fünften Erbfall wird laut Studie gestritten. Dies sei bei unklaren Testamenten der Fall, oft auch bei Erbengemeinschaften, sagt Rechtsanwalt Eppinger. „Da geht es manchmal um psychologische Unstimmigkeiten, die auf Verletzungen im Sandkasten zurückgehen.“ Er rät daher, die Aufteilung des Erbes schon frühzeitig klar zu regeln. Zudem werde die Bedeutung des Testaments häufig unterschätzt. „Die meisten kommen erst, wenn sie um die 60 sind“, sagt Eppinger. Dabei gebe es gute Gründe für ein Testament, vor allem für junge Familien mit einer eigenen Immobilie. In dieser Lebenssituation könne es am besten sein, wenn sich Ehepartner als Alleinerben einsetzen. So verhindere man das Entstehen von Erbengemeinschaften, die gerade bei Immobilien zum Problem werden können. Auch Lebenspartner sind anders gestellt als Ehepartner. Für letztere gelten deutlich höhere Steuerfreibeträge beim Erben. „Da habe ich schon Ehen gestiftet“, sagt Wöhrle – heiraten lohne sich auch aus Versorgungsaspekten.