CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf hatte die Flüchtlingskrise auf seiner Wahlkampfagenda ganz nach oben gesetzt. Doch die StZ-Umfrage zeigt: Das Thema bringt ihm nichts ein. Warum eigentlich?

Stuttgart - Der Asylwahlkampf des Jahres 1992 ist in der Landespolitik bis heute präsent. Ganz besonders in der CDU, die damals plakatierte: „Asylproblem lösen – CDU wählen.“ Eine Kampagne wie 1992 – das geht nicht mehr. Die Republik hat sich verändert. Das weiß auch die CDU, für die der Schuss ja damals auch nach hinten losgegangen war. Mit ihren groben Parolen grub die CDU den Rechtsradikalen nicht das Wasser ab, sie setzte sie quasi ins Recht. Die Folge: die CDU verlor fast zehn Prozentpunkte, die rechtsradikalen Republikander gelangten mit einem zweistelligen Prozentanteil ins Parlament.

 

Auf die neue Flüchtlingskrise muss die Union also anders reagieren. Das ist klar. Aber wie? Ausblenden kann CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf das Thema nicht. Dazu bietet die Landesregierung zu viele Angriffsflächen. Ein Wegschauen käme zumal in der konservativen Wählerschaft ganz schlecht an und würde – Wolf weist regelmäßig und mit Recht darauf hin – ebenfalls den Rechtsradikalen oder gar Rechtsextremen in die Hände spielen. Was also tun?

Den humanitären Part spielt schon Kretschmann

Den liberalen Part in der Asyl- und Flüchtlingspolitik hat bereits Grün-Rot übernommen – mit dem Ministerpräsidenten an der Spitze, der einem „pragmatischen Humanismus“ das Wort redet. Bisher verstand es Winfried Kretschmann ganz gut, die durchaus verschiedenen Gemütslagen auszutarieren. Er muss einerseits seine Partei im Auge behalten: sich für Flüchtlinge einzusetzen gehört zum genetischen Code der Grünen. Er muss aber auch das gesamtgesellschaftliche Interesse wahren, das bei aller Offenheit für die Nöte der politisch Verfolgten darauf besteht, dass die Dinge nicht aus dem Ruder laufen. Es war kein Zufall, dass Kretschmanns Ansehen just dann neue Höhen erklomm, als er vor einem Jahr im Bundesrat einer Asylrechtsverschärfung zustimmte, mit der die Balkanstaaten Serbien, Bosnien und Mazedonien zu sicheren Herkunftsländern erklärt wurden.

Wo aber bleibt noch Raum für den CDU-Spitzenkandidaten, um bei diesem Thema durchzudringen? Um darauf eine Antwort zu finden, experimentierte Wolf in den vergangenen Wochen mit unterschiedlichen Tonlagen. Beim Parteikonvent in Heilbronn versuchte er es mit der harschen Variante. Kaum ein Wort zur Not der von Tod und Bürgerkrieg bedrohten Menschen, die aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan fliehen. Bei anderen Gelegenheiten hatte Wolf das Elend der Menschen durchaus zu würdigen gewusst. Stattdessen illuminierte er die Flüchtlingskrise als Bedrohung für den deutschen Wohlstand. Das Parteipublikum folgte ihm – soweit sich dies den Beifallsbekundungen entnehmen lässt – in großer Zahl, wenn auch keineswegs einmütig.

Menschenunwürdige Zustände

Dass Wolf die grün-rote Landesregierung in der Flüchtlingspolitik zu stellen hofft, zeigt sich schon daran, welch breiten Raum er dem Thema in seinen Reden einräumt. Seine Argumentation zielt darauf ab, einen Trennungsstrich zwischen tatsächlich politisch Verfolgten und Wirtschaftsflüchtlingen zu ziehen. Darin sind ihm die Grünen inzwischen näher, als sie ursprünglich wollten. Sodann verlangt Wolf eine drastische Verkürzung der Dauer der Asylverfahren, wofür nicht nur – wie von Grün-Rot immer dargetan – das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – zuständig sei. Auch die Landesregierung könne ihren Teil dazu beitragen, etwa durch die Bündelung aller an der Flüchtlingsaufnahme beteiligten Stellen und Behörden an einem Ort. Was sie aber nicht tue.

Wolf vergisst nie, auf seine Vergangenheit als Verwaltungsrichter in Asylsachen hinzuweisen, um seine Sachkompetenz herauszustreichen. Am Ende laufen seine Reden auf die Pointe hinaus, die Landesregierung sei der Flüchtlingskrise verwaltungstechnisch nicht gewachsen. In den Sammellagern herrschten menschenunwürdige Zustände, die Kommunen würden spät oder gar nicht informiert und seien in die Entscheidungen nicht eingebunden. Die Landesregierung versucht die Vorwürfe mit dem Hinweis auf die Dynamik der Entwicklungen zu entkräften.

Gefruchtet haben Wolfs Anstrengungen, in der Flüchtlingspolitik zu punkten, zumindest bisher nicht. Nur 17 Prozent der von den Meinungsforschern Befragten trauen einer von der CDU geführten Landesregierung zu, die Asyl- und Flüchtlingsprobleme besser lösen zu können als Grün-Rot. 65 Prozent brachten das Gegenteil zum Ausdruck. Der Rest zeigte sich unschlüssig oder machte keine Angaben. Es zeigt sich: Krisenzeiten spielen eher der Exekutive in die Hände als der Opposition.