Wie geht es weiter auf der Waldau? Wir haben Touristen und Einheimische zum Fernsehturm befragt. Sie vermissen den Rundblick über Stuttgart und kritisieren die abrupte Schließung.
Stuttgart - Der Blick vom Fernsehturm gehört beim Stuttgart-Besuch fest zum Programm. Dass das Wahrzeichen jetzt geschlossen ist, haben manche Touristen erst erfahren, als sie das Schild an der Tür gelesen haben. Aus München ist Andreas Millik mit Frau und Tochter schon am Karsamstag angereist und am Sonntag um die Mittagszeit sollte ein kleiner Imbiss auf dem Turm die Rückfahrt über Ulm einleiten. „Überregional ist das noch gar nicht kommuniziert“, sagt Millik. „Das ist albern, denn seit fast 60 Jahren ist alles gut gegangen. Die Brandschutzvorschriften haben sich seither zwar verändert, aber den Fernsehturm ad hoc vor den Osterfeiertagen zu schließen, weil er nicht hundertprozentig den Vorschriften entspricht, halte ich für blinden Aktionismus“, findet Millik. Die Familie hat die Fahrt nach Ulm somit früher als geplant angetreten, um dort dann die Treppen im Münster hochzusteigen..
Ebenfalls aus Bayern, aus der Nähe von Passau, war die Familie Weiß über Ostern nach Stuttgart gekommen. Vater, Mutter und der Sohn im Teenageralter sind passionierte Musical-Fans und verbrachten das lange Wochenende im SI-Zentrum. Am Gründonnerstag hat die Familie aus dem Radio von der Schließung erfahren. Trotzdem sind alle drei zum Turm gefahren, um ihn wenigstens von unten anzuschauen. „Seit 1995 gibt es die neuen Unfallvorschriften. Da frage ich mich, warum in den letzten zehn Jahren hier nichts gemacht wurde“, wundert sich Josef Weiß, der beruflich mit Sicherheitstechnik zu tun hat. „Man sollte jetzt auf alle Fälle aktiv werden, denn wenn man eine so schöne Location für ein Wahrzeichen hat, sollte man dafür sorgen, dass alles den Vorschriften entspricht, denn Sicherheit hat Vorrang.“
Mitgefühl mit den Betroffenen
Tessa Schwemmle wohnt in der Nähe des Turms und war vor zwei Jahren mit Gästen aus dem Ruhrpott zum letzten Mal oben. Sie findet es „merkwürdig, dass nach fast 60 Jahren auffällt, dass mit der Sicherheit etwas nicht stimmt.“ Ihr Mitgefühl gilt den Mitarbeitern und Gastronomen. „Für die ist das richtig übel.“ Wenn es eine Möglichkeit gäbe, die Sicherheitsmängel zu beseitigen, sollte man das machen. „Sofern es kein Vermögen kostet. Schließlich ist der Fernsehturm ein Wahrzeichen von Stuttgart.“
Extra aus Stammheim sind die Warneckes mit ihren beiden Kindern hergefahren, um ein Foto fürs Familienalbum von der Mitteilung über die Schließung zu machen, die am Eingang zum Turm hängt. „Der Oberbürgermeister musste dies zwar machen, aber uns verwundert natürlich, dass gerade jetzt geschlossen wurde. Das ist kurios und überhastet. Der Brandschutz wird sich sicher in den Jahrzehnten verändert haben, aber es gibt so viele öffentliche Gebäude, bei denen es zweifelhaft ist, ob die Vorschriften einwandfrei eingehalten werden. Schade, dass man dies bei der teuren Renovierung des Turms nicht berücksichtigt hat“, kritisiert Marie-Theres Warnecke. Sie bedauert die Mitarbeiter und das Hochzeitspaar, das sich in luftiger Höhe das Ja-Wort geben wollte. „Wir selbst haben sogar eine Einschulung auf dem Fernsehturm gefeiert“, erzählt sie.
Buttons geholt und unterschrieben
„Ich konnte das erst gar nicht glauben.“ Andreas Rieger aus Stuttgart weiß nicht so recht, ob er lachen oder weinen soll über die Schließung. „Wenn man darüber nachdenkt, kann man die Entscheidung schon verstehen. Aber es ist völlig indiskutabel, wie mit den Mitarbeitern und den Restaurantbetreibern umgegangen wird. Fritz Kuhn macht sich damit keine Freunde. Man hätte die Betreiber vorab zu einem Gespräch einladen müssen.“ Rieger wünscht sich, dass das Problem schnell behoben wird. Der gleichen Meinung ist Sylvia Haspel aus Ostfildern. Sie ist am Sonntag zum Turm gefahren, um „Offen bleiben“-Buttons für die ganze Familie zu holen und auf einer Protestliste gegen die Schließung zu unterschreiben. „Das ist doch unglaublich“, sagt sie. „Das ist ja wie Paris ohne Eiffelturm.“ Einerseits findet sie die Nachrüstung nach den Sicherheitsvorschriften wichtig, aber die Frage sei: „Wer bezahlt das und was ist machbar?“ Als Sofortmaßnahme empfiehlt sie, wieder zu öffnen mit dem Hinweis Benutzung auf eigene Gefahr.