Aufs Auto verzichten, eine kleinere Wohnung beziehen, Grünflächen zubauen? Die Bürger in Stuttgart sind trotz des teuren Wohnungsmarkts nur zum Teil zu Kompromissen bereit. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die der Stuttgarter Zeitung exklusiv vorliegt.

Stuttgart - Der Immobilienmarkt in der Landeshauptstadt gilt als einer der teuersten der Republik. Eine aktuelle Umfrage belegt jedoch, dass die Bürger deswegen nur zum Teil Kompromisse eingehen würden – überraschenderweise wären die Stadtbewohner dabei eher bereit, auf das eigene Auto als auf eine große Wohnung verzichten.

 

Knapp die Hälfte der Einwohner könnte sich für das Wohnen in der Innenstadt vorstellen, auf ein eigenes Auto zu verzichten. In den weiter vom Zentrum entfernten Bezirken sehen das lediglich noch 29 Prozent so. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts TNS Infratest im Auftrag der Wüstenrot und Württembergische-Gruppe, die der Stuttgarter Zeitung exklusiv vorliegt.

Ein weiteres Ergebnis: der Preisdruck durch gestiegene Miet- und Immobilienpreise scheint für weite Teile der Bevölkerung kaum drastische Folgen zu haben. Lediglich acht Prozent der Stuttgarter erklären sich zu Zugeständnissen in Sachen Wohnungsgröße bereit, wenn die neue und kleinere Wohnung günstiger wäre. Die Fraktionen im Gemeinderat sehen ihre jeweilige Wohnungspolitik durch die Ergebnissen der Befragung bestätigt.

Unterschiede zwischen den Bezirken

Die Umfrage besteht aus drei Teilen. Die erste Frage beschäftigt sich mit dem möglichen Autoverzicht beim städtischen Wohnen. Insgesamt stimmen 35 Prozent der Bürger folgender Aussage zu: „Für das Wohnen im innerstädtischen Bereich von Stuttgart bin ich bereit, auf den Besitz eines Autos zu verzichten.“ Besonders hoch fällt die Zustimmung zu dieser Aussage in den Bezirken, Mitte, Nord, Süd, Ost und West, aus. Hier liegt die Quote bei 48 Prozent und damit deutlich höher als in den restlichen Stadtbezirken. Von Bad Cannstatt bis Zuffenhausen wären lediglich 29 Prozent der Bevölkerung zum Autoverzicht bereit. Bei jungen Erwachsenen scheint das eigene Auto nicht mehr zwingend zum Leben zu gehören. Bei den unter 40-Jährigen sind 42 Prozent bereit, auf den Besitz eines Autos zu verzichten. Zudem kann ein knappes Drittel der Einwohner der Landeshauptstadt ohne einen Stellplatz oder eine Garage leben.

Angelehnt an die These von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne), dem Trend zu immer größeren Pro-Kopf-Wohnflächen entgegenwirken zu wollen, wurden die Stuttgarter gefragt: „Sind Sie bereit, sich bei einem Wohnungswechsel bei der Größe ihrer neuen Wohnung einzuschränken?“ Mehr als die Hälfte der Einwohner (52 Prozent) haben sich gegen eine kleinere Wohnung ausgesprochen – neun Prozent gaben an, sich in Sachen Wohnungsgröße nicht weiter einschränken zu können, 43 Prozent wollen ihre aktuelle Wohnungssituation nicht verändern. Den Ergebnissen der Umfrage zufolge können sich allerdings 46 Prozent der Einwohner der Landeshauptstadt vorstellen, in eine kleinere Wohnung zu ziehen. Dabei spielt der Preisdruck in Stuttgart jedoch kaum eine Rolle. Lediglich acht Prozent der Stuttgarter Bürger erklären sich zu Zugeständnissen bei der Wohnungsgröße bereit, wenn das neue Wohnobjekt preisgünstiger ist.

Maximale Fehlertoleranz 3,7 Prozent

Der politische Wille in Stuttgart lautet Innenentwicklung vor Außenentwicklung. Das bedeutet, es werden trotz des aktuellen Wohnungsmangels keine neuen Baugebiete auf bislang nicht versiegelten Flächen ausgewiesen. Die Einwohner wurden daher gefragt: „Sollte die Kommune einen Teil der städtischen Grün- oder Gewerbeflächen als Bauland für neue Wohngebiete freigeben?“ 57 Prozent haben sich dagegen ausgesprochen, 18 Prozent stimmen dieser These zu. Die maximale Fehlertoleranz der Umfrage wird mit 3,7 Prozent angegeben.

Die Vorteile überwiegen

Sämtliche Parteien im Gemeinderat verstehen die Umfrage als positive Rückmeldung. „Das sind schöne Ergebnisse“, sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Silvia Fischer. „Wohnen in der Innenstadt ist attraktiv. Die Vorteile der kurzen Wege überwiegen jene des Autos.“ Auch in Sachen Innenentwicklung sehen sich die Grünen auf dem richtigen Weg: „Neue Baugebiete wären eine kurzfristige Lösung des Wohnungsproblems“, sagt Fischer. „In zehn Minuten in Wald und Wiese zu sein, das ist der Charakter der Stadt, den die Menschen schätzen.“

Der Fraktionschef der CDU, Alexander Kotz, sagt: „Die Antworten in Sachen Auto zeigen zum einen, dass wir einen guten öffentlichen Nahverkehr haben. Aber sie zeigen auch, dass es in der Innenstadt an Parkplätzen mangelt.“ An beiden Stellen gebe es aus Sicht der CDU noch Möglichkeiten zur Verbesserung, so Kotz. In Sachen Wohnungsgrößen sieht sich der CDU-Chef bestätigt: „Die Umfrage zeigt, der OB ist hier auf dem Holzweg“, so Kotz.

Ähnlich antwortet FDP-Fraktionschef Bernd Klingler. Da sich nur ein geringer Teil der Befragten für die Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohngebiete ausspricht, folgert Klingler: „Das bedeutet, die Stadt sollte die Pläne zum Wohnen im Neckarpark nochmals überdenken.“

„Das Auto verliert seine Anziehungskraft bei den jungen Leuten“, sagt die SPD-Stadträtin Monika Wüst. Angesprochen auf die Frage der Wohnungsgrößen sagt Wüst: „Kleinere Wohnungen vereinfachen den Alltag der Älteren und machen die großen Wohnungen frei für junge Familien. Die Verwaltung sollte ältere Menschen daher schon früh für Wohnalternativen sensibilisieren“, so Wüst.