Bundesweit fallen deutlich mehr Schulstunden aus, als manche offizielle Statistik ausweist. In Baden-Württemberg deckt sich die Einschätzung von Eltern, Lehrern und Schülern aber weitgehend mit der des Kultusministeriums.

Stuttgart/Hamburg - Im Bundesgebiet fällt mehr Unterricht aus als manche Schulbehörden eingestehen mögen. Das geht aus einer Umfrage von „Zeit Online“ und des Marktforschungsinstituts Statista hervor. Dabei wurden 3643 Eltern, Lehrer und Schüler befragt. Nach ihren Angaben wurden im vergangenen Schuljahr bundesweit im Schnitt 5,2 Prozent der Schulstunden nicht gehalten. Das steht im krassen Widerspruch zu Auskünften, wonach deutschlandweit nur zwei bis drei Prozent des Unterrichts ausfallen würden.

 

Beispielsweise war im Land Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr erklärt worden, der Unterrichtsausfall liege bei 1,7 Prozent, die Umfrage der „Zeit“ ergibt jetzt aber einen Wert von 8,0 Prozent.

Einschätzung der Eltern deckt sich mit der des Ministeriums

In Baden-Württemberg deckt sich die Einschätzung von Eltern, Lehrern und Schülern in der Umfrage weitgehend mit den Erkenntnissen der Schulstatistik. Aus Baden-Württemberg haben sich 177 Eltern, 245 Lehrer und 128 Schüler an der aktuellen Befragung beteiligt. Sie gaben an, dass an den Schulen im Südwesten im vergangenen Schuljahr im Schnitt pro Monat 3,5 Prozent des Unterrichts ausgefallen seien. „Die Quoten bewegen sich in der Dimension der bekannten Stichproben zum Unterrichtsausfall im Land“, kommentiert ein Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Baden-Württemberg.

Jährliche Stichprobenerhebung

Jedes Jahr im November macht das Kultusministerium eine Stichprobenerhebung zum Unterrichtsausfall. Sie ergab 2016 an den Grundschulen im Land einen Ausfall von 1,1 Prozent der Schulstunden, an den Hauptschulen 3,5 Prozent, an den Realschulen 4,0 sowie an Gymnasien und beruflichen Schulen jeweils 4,5 Prozent. Über alle Schularten hinweg bewegt sich die Quote im Südwesten seit Jahren im Bereich von gut drei Prozent, 2015 waren es 3,4 Prozent.

Auch Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) zeigt sich von den Angaben von Eltern, Schülern und Lehrern bei Zeit Online nicht überrascht. Die Ergebnisse entsprächen den Erkenntnissen auch auf der Ebene der Kultusministerkonferenz, sagt Eisenmann.

Südwesten steht relativ gut da

Mit dem Ergebnis steht der Südwesten vergleichsweise gut da. Im Nachbarland Bayern belaufen sich die Ausfälle auf fünf Prozent. Vertreten wurden nach Angaben von „Zeit Online“ in Baden-Württemberg 3,1 Prozent der Schulstunden, bundesweit waren es im Durchschnitt 4,7 Prozent. Allerdings sagten nur ein Drittel aller befragten Schüler, dass in den Vertretungsstunden regulärer Unterricht erteilt würde.

Ganz oben auf der Liste der ausgefallen Stunden stehen im Südwesten die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch. Bundesweit nannten die Eltern Deutsch, Englisch und Biologie als Fächer, die am häufigsten ausfallen. „Es ist zunächst mal erfreulich, dass der Unterrichtsausfall in Baden-Württemberg geringer ist, als in anderen Bundesländern“, erklärte Eisenmann dieser Zeitung. „Der Wert ist aber auch für uns nicht zufriedenstellend. Dort, wo der Unterricht ausfällt, ist es ein Ärgernis.“

Zu wenig Lehrer im Land

Nach wie vor hat das Kultusministerium Probleme, für das laufende Schuljahr alle offenen Lehrerstellen zu besetzen, besonders im Grundschulbereich fehlt es an Lehrern, Sonderschullehrer sind ebenso knapp wie naturwissenschaftliche Lehrer an Gymnasien. Schon jetzt habe man auf die Krankheitsreserve zurückgegriffen, erklärt Eisenmann, um die offenen Stellen auszugleichen. Wenn im November erfahrungsgemäß die Krankheitswelle beginnt, sei mit weiteren Engpässen zu rechnen.

Gewerkschaft verlangt mehr Stellen

Die GEW fordert, die Krankheitsreserve von derzeit 1666 Stellen kontinuierlich auszubauen. Eisenmann ist ebenfalls der Auffassung, dass eine größere Krankheitsreserve dringend notwendig wäre. Doch im Moment sei ein solcher Antrag „lächerlich“. „Ich habe nicht zu wenig Stellen, ich habe zu wenig Lehrerinnen und Lehrer“.

Bis etwa ins Jahr 2021 wird Eisenmanns Einschätzung nach die Durststrecke anhalten. Jährlich würden mehr als 60 Prozent der Stellen wegen Pensionierungen frei. Darauf hätte die grün-rote Vorgängerregierung mit höheren Ausbildungszahlen reagieren müssen, klagt die Ministerin.