Durch die aktuellen Meinungserhebungen der Forschungsinstitute ziehen sich zwei rote Fäden: Kanzlerin Merkel hat deutlich an Popularität eingebüßt – und die Haltung der Deutschen gegenüber der Asylpolitik der Bundesregierung ist total gespalten.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Selten zuvor hat eine gesellschaftliche Veränderung in kurzer Zeit so fundamentale Meinungsumschwünge ausgelöst wie die Flüchtlingskrise. Ablesen lässt sich dies an den Erhebungen der Forschungsinstitute. Der Wandel trägt vor allem einen Namen: Angela Merkel – weshalb das demoskopische Beben den Ruf der Kanzlerin erschüttert.

 

Aus der völlig unangefochtenen Regierungschefin wird, wenn es so weitergeht, eine Wackelkandidatin. Laut dem am Freitag veröffentlichten ZDF-Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen glauben mehr Befragte (52 Prozent), dass sie in der Krise ihre Arbeit eher schlecht macht als gut (43). In der Politiker-Hitliste rangiert die Kanzlerin nach langer Spitzenstellung nur noch auf Platz vier. Sogar der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, ein emsiger Talkshowgast, liegt vor ihr. Nummer eins ist Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) – seine immer lauter geäußerte Kritik, gipfelnd im Lawinen-Vergleich, scheint seine Imagewerte zu begünstigen. In der Gegenüberstellung wird auch die Arbeit des konservativen Mahners und Innenministers Thomas de Maizière (CDU) besser bewertet als Merkels Arbeit. Dass sie vorzeitig abtreten muss, mutmaßt aber nur jeder Fünfte.

Die rechtskonservative AfD legt zu

Schon im jüngsten ARD-Deutschlandtrend von Infratest dimap war die allgemeine Zufriedenheit mit der Kanzlerin auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2011 gefallen. Gerade in der Unionsanhängerschaft lässt sich dieser Autoritätsverfall festmachen. Merkels Hauptkritiker Horst Seehofer (CSU) dagegen kann sein Ansehen rapide steigern.

Der Popularitätswandel führt bisher kaum zur Destabilisierung der Union: In der Sonntagsfrage für alle Parteien kommen CDU/CSU laut Politbarometer unverändert auf 39 Prozent, im Deutschlandtrend nur noch auf 37 Prozent (minus drei). Im Forsa-Wahltrend von Mitte dieser Woche hat die Union aber schon wieder leicht auf 38 Prozent zugelegt.

Bemerkenswert an fast allen Umfragen ist das Erstarken der rechtskonservativen AfD. Der Sonntagstrend sagt ihr ein Wahlergebnis von acht bis zehn Prozent voraus. Im Osten liegt die AfD laut Emnid sogar bei 14 Prozent. Wichtig für die Koalitionsarithmetik: die FDP verharrt dadurch an der Fünf-Prozent-Grenze.

Angst vor dem Islam, der Kriminalität und den Rechten

Bedeutsamer als diese Zahlenspielereien ist jedoch, dass die Flüchtlingskrise die Deutschen spaltet. Dass Deutschland die vielen Asylbewerber verkraften kann, glauben laut dem Politbarometer 47 Prozent, 50 Prozent glauben dies nicht. Bereits der Deutschlandtrend hatte die große Skepsis gegenüber der verstärkten Zuwanderung festgehalten: 44 Prozent der Befragten sehen eher Nachteile für das Land, 37 Prozent eher Vorteile – wobei sich bei den Anhängern von Grünen, FDP und SPD ein freundliches Bild pro Integration ergibt. Die Linken sind unentschieden.

Wirtschaftliche Ängste spielen offenbar keine Hauptrolle. Manch einer sieht zwar den Wohlstand bedroht, doch glaubt eine klare Mehrheit auch, dass Flüchtlinge perspektivisch auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden. Vielmehr zeigen sich politische und kulturelle Befürchtungen. Es gibt die Sorge vor dem Islam und vor mehr Kriminalität – am stärksten ist die Furcht vor dem Aufkommen der Rechten.

Ganz aktuell von Interesse: In der Debatte um den Familiennachzug speziell für Syrer befürworten laut Politbarometer 63 Prozent, dass anerkannte Asylbewerber das Recht haben, ihre Ehepartner und Kinder nachkommen zu lassen.