Der Altministerpräsident und ehemalige EU-Kommissar warnt beim „Tag des Eigentums“ vor „Kurzsichtigkeit im Umgang“ mit China.

Mit rund 500 Immobilieneigentümern aus Stuttgart und der Region im Hegelsaal des Kultur- und Kongresszentrums Liederhalle ist der „Tag des Eigentums“ von Haus und Grund am Samstag gut besucht gewesen. Als Hauptredner hatte die Interessenvertretung der Stuttgarter Hausbesitzer den ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten und späteren EU-Kommissar Günther Oettinger eingeladen.

 

„Der Gaspreisdeckel von kommendem Frühjahr auf zwölf Cent je Kilowattstunde war dringend notwendig, nachdem sich die Marktpreise binnen kurzer Zeit fast verfünffacht haben“, sagte der Haus-und-Grund-Vorsitzende Joachim Rudolf in seiner Eröffnungsansprache. In ihrer jetzigen Form sei sie allerdings „ein bürokratischer Irrsinn“. Die digitalisierte Grundsteuererklärung mit dem Programm „Elster“ sei „so überflüssig wie ein Kropf“, weil die Grundstücksgrößen und die Bodenrichtwerte bereits öffentlich zugänglich vorlägen. Bei der Grundsteuer in Stuttgart, führte Rudolf aus, würden Grundstücke mit kleiner Wohnfläche, besonders Einfamilienhäuser und kleinere Mehrfamilienhäuser mit umliegenden Gärten, deutlich mehr belastet, Mehrfamilienhäuser in innerstädtischen Lagen dagegen entlastet. Das Grundsteueraufkommen werde auch künftig nicht mehr als 160 Millionen Euro betragen. Dies habe der Stuttgarter Gemeinderat jüngst festgelegt. Nach Rudolfs Rede mahnte Claus-Peter Hutter von Nature Life, bei allen Entscheidungen immer auch die Umwelt im Auge zu behalten.

„Frieden, Werte, wirtschaftliche Stärke – eine Agenda 2030 für Deutschland und Europa“, lautete das Thema von Günther Oettinger: „Diese Vielzahl von Krisen zum selben Zeitpunkt hat es für die Nachkriegsgeneration noch nicht gegeben – alles vor dem Hintergrund, dass es einen Kampf der Systeme von Demokratien und Autokratien gibt.“ Der entscheidende Punkt sei nun, Lösungen für die Krisen zu finden. Die Debatte in Deutschland darüber werde der Bedeutung dieser großen Herausforderung in keiner Form gerecht. Dass der Herausgeber der Ravensburger Spiele beim ersten Shitstorm Winnetou aus den Regalen genommen habe, sei eine „peinliche Veranstaltung“, ebenso die Debatte über die Toiletten in städtischen Gebäuden in Stuttgart.

„Wir streiten über Themen hinter dem Komma und sehen die großen Fragen vor dem Komma, die großen Weltfragen, noch immer nicht“, so Oettinger. Der Kampf gegen Inflation und Rezession müsse endlich beginnen, denn die Rezession bringe immer mehr Sektoren der Wirtschaft auf den absteigenden Ast. „In immer weniger Bereichen ist die deutsche Wirtschaft noch führend, weder in der Biotechnologie noch im IT-Bereich, fast nirgendwo sind wir noch vorn.“ Auch die Exzellenz der deutschen Hochschulen lasse im internationalen Maßstab zu wünschen übrig: „Wir müssen mehr in Wissenschaft und Forschung, Bildung und Weiterbildung investieren.“ Die größte Krise sei der Ukraine-Krieg, und man könne nur hoffen, dass Europa die Ukraine weiterhin unterstütze. „Wir sollten auf die Balten und Polen hören. Die kennen Putin besser als wir. Die haben uns vor Nord Stream vor zehn Jahren gewarnt, und wir haben es nicht gehört, in unserer deutschen Arroganz.“

Die nächste Krise sei absehbar. China wolle sich Taiwan mit der für alle Welt wichtigen Halbleiterproduktion einverleiben. „Olaf Scholz fliegt jetzt nach China, hat vorher noch einen Hafenanteil in Hamburg verkauft. Wir aber könnten nie in Shanghai oder Hongkong ein Seeterminal erwerben. Die Chinesen sind strategisch sehr geschickt und brutal, und wir sind naiv“, stellte Oettinger fest. Wenn sich China Taiwan einverleibe, die USA wie von Joe Biden angekündigt, intervenierten und Deutschland sich an Sanktionen beteiligen müsse, wäre die Wirtschaft am Boden: „Nicht Gendersternchen, sondern das Problem China-Taiwan muss uns bewegen. Wir brauchen eine Strategie, und die liegt bisher in keiner Form vor.“