Die Stuttgarter Radlobby kritisiert die Umleitung wegen der Sanierung des Österreichischen Platzes hartnäckig, weil sie als Blaupause für spätere Bauabschnitte dient. Die Fahrradstraßen-Regelung ist nämlich dabei außer Kraft.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Stuttgart-Süd - Eine gewisse mediterrane Lässigkeit greift auf der Tübinger Straße um sich. Die Aufregung über die Umleitungsorgie hat sich gelegt, die meisten Verkehrsteilnehmer fügen sich schicksalsergeben ins Chaos. Außerdem ist das Verkehrsaufkommen ferienbedingt ohnehin deutlich abgeebbt, und vielleicht trägt auch die gemächliche Flanerie auf der Tübinger Straße zur Entspannung bei. Es ist Sommer, viele haben frei, viele haben fast nichts an, alles ist ein bisschen ungezwungener als sonst. Die undurchsichtige Umleitungsführung in der Tübinger Straße tut das Ihrige, und so werden die Verkehrsschilder hier großzügiger ausgelegt als andernorts und rote Ampeln eher als freundliche Handlungsempfehlungen verstanden.

 

Unsinnige Ampel

Seit Ferienbeginn wird das Verkehrsrondell am Österreichischen Platz saniert, der Stahlbeton ist angegriffen. Die Sperrung dieses neuralgischen Punktes hat ein aufwendiges Umleitungssystem zur Folge, von dem die Tübinger Straße besonders betroffen ist. Diese war im Sommer 2016 modellhaft zur Fahrradstraße umgewidmet worden – zur Freude aller Radler, die sich nun lautstark darüber beklagen, dass die Regelungen, die sie bevorzugten, während der Sommerferien quasi außer Kraft sind. Zudem beschweren sie sich über die Unsinnigkeit einer Ampelanlage, die im Zuge der Neuordnung aufgepflanzt wurde und den Verkehrsfluss an der Kreuzung Tübinger Straße/Silberburg- und Fangelsbachstraße lenken soll.

Radfahrer ärgert, dass sie in Richtung Marienplatz zusammen mit den Autos Rot haben und warten müssen, obwohl sie doch nur geradeaus wollen und dabei keinen Autoverkehr kreuzen. „Sie müssen nur warten, weil Autofahrer hier warten müssen. Nicht zu ihrem eigenen Schutz. Für gar nix“, beklagt sich die Bloggerin und Grünen-Stadträtin Christine Lehmann auf ihrem Fahrrad-Blog. Von der Stadt sei dies „sicher nicht als Schikane gemeint, aber es wirkt so“.

Trasse als Prestige-Projekt

So nehme es nicht Wunder, dass viele Radler bei Rot durchrauschten. Jeder Dritte ignoriert das Signal, ergibt eine kleine Feldbeobachtung. „Ich seh’ doch, dass frei ist“, ruft einer vom Sattel, dem das Warten zu lang geworden ist. Cornelius Gruner, Vorstand des Deutschen Fahrrad-Clubs Stuttgart (ADFC) räumt ein, dass insgesamt ein gewisser Gewöhnungseffekt eingetreten und die Situation entspannter ist als noch zu Beginn der Ferien. Und natürlich könnte er mit Blick auf das baldige Ende der Umleitung die unglückliche Lösung mit der Ampel verschmerzen. Das Problem aber für Gruner ist, dass sie als Blaupause dient: „Die gleiche Umleitung wird beim zweiten Bauabschnitt eingerichtet und dann gleich für drei, vier Monate! Es geht uns darum, dass es nächstes Jahr nicht wieder so läuft.“

Die Sanierungsarbeiten am Österreichischen Platz werden von Mai bis September 2019 und von April bis Oktober 2020 fortgesetzt. ADFC-Vizechef Frank Zühlke meint, „man hätte die Fahrradstraße einfach so belassen können, den Autoverkehr großräumig umleiten und die Ampel weglassen.“ Den gelegentlich in Radler-Kreisen geäußerten Verdacht, dass die Stadtverwaltung mit Hilfe der Umleitung klammheimlich die Fahrradstraße wieder abschaffen wolle, hält man beim ADFC Stuttgart für Unfug. Allerdings gibt der Club zu Bedenken, dass die Autofahrer nach dem Rückbau der Umleitung erst wieder an die Fahrradvorfahrt gewöhnt werden müssten.

„Wir wollen die Fahrradstraße nicht zurücknehmen“, entgegnet man bei der Pressestelle der Stadt einigermaßen entrüstet. „Das ist doch ein Prestigeprojekt!“ Vor ziemlich genau zwei Jahren war die Trasse mit großem Tamtam und büschelweise Vorschusslorbeer eröffnet worden. Verkehrsbehörde und Tiefbauamt hätten die Beschwerden über die Umleitung ernst genommen, die Verbesserungsvorschläge geprüft und teilweise auch umgesetzt. So habe man etwa die Beschilderung an der Tiefgaragenausfahrt „Das Gerber“ in der Tübinger Straße angepasst und den Verkehr in Richtung Torstraße geleitet außerdem die Beschilderung an der Ecke Sophienstraße ergänzt. Die Verkehrsführung werde „natürlich weiterhin beobachtet“. Doch ist man bei der Stadt zu dem vorläufigen Schluss gekommen, dass weitere Anpassungen „nicht erforderlich“ sind.