Die Stadt Freiberg schneidet die Bietigheimer Exklave Wilhelmshof mit komplizierten Umleitungen quasi von der Außenwelt ab. Das Drama nimmt seinen Lauf, inklusive Beschimpfungen und zerstochener Autoreifen.

Freiberg/Neckar - Manchmal hilft nur noch Galgenhumor: „Es wird nie wieder jemand den Weg zu uns finden“, sagt eine Mitarbeiterin der Tierarztpraxis Wilhelmshof, die namentlich nicht genannt werden will. Für den Tierarzt Friedrich Lindner, einen der Inhaber der Praxis, ist das jedoch „nicht witzig“. Denn seit Ende Oktober ist die Praxis in dem Weiler auf Freiberger Gemarkung noch schwerer zu finden als ohnehin schon, ebenso wie eine Auto-Werkstatt, eine Hundeschule, zwei Reithöfe und ein Mineralwasser-Laden – und sie alle klagen über eine unverhältnismäßig lange und umständliche Umleitung sowie genervte oder ausbleibende Kunden.

 

Warum? Der kleine Weg zwischen Bietigheim und Freiberg ist gesperrt, weil Freiberg einen Wasserhochbehälter bauen möchte, um seinen Stadtteil Geisingen mit Bodenseewasser versorgen zu können. Soweit die positive Seite. Die Kehrseite der Medaille bisher: zerstochene Autoreifen, beschimpfte Bauarbeiter und alarmierte Anwälte.

Wochenlang ohne Müllabfuhr

Lindner und andere Anwohner beklagen das unkooperative Vorgehen der Stadt Freiberg, was zum einen die Bewohner des Wilhelmshofs, zum anderen Anrainer im Bietigheimer Stadtteil Buch und zuguterletzt auch noch die Stadt Bietigheim aufgebracht habe.

Alles fing an mit den Bauarbeiten Ende Oktober. Am Tag, als die Bagger anrückten, hatten die Bewohner des Wilhelmshofs ein Anschreiben der Stadt Freiberg im Briefkasten, mit der Information, dass es in den kommenden drei Monaten zu „Behinderungen“ kommen könnte. „Damals wusste ich noch nicht, dass das bedeutet, dass unsere Zufahrtsstraße täglich von acht bis 16 Uhr komplett gesperrt sein wird“, sagt Friedrich Lindner. Wochenlang sei keine Müllabfuhr gekommen.

Einen Anwalt wollen die Betroffenen nun doch nicht einschalten

Von diesem Freitagabend an übernimmt seine Praxis für eine Woche den Kreisnotdienst für alle Tierärzte im Landkreis Ludwigsburg. Lindner befürchtet, dass dann Tierbesitzer, die wegen ihres notleidenden Vierbeiners ohnehin emotional aufgewühlt seien, durch die umständliche Umleitung noch mehr belastet werden. Die eine oder andere ausfällige Bemerkung mussten sich seine Mitarbeiter in der Praxis, aber auch die Bauarbeiter auf dem Feldweg bereits gefallen lassen. Auch Michaela Wörsinger von der Sprudelfirma Wörsinger Mineralquellen hält die derzeitige Umleitung für ein „Desaster pur“: über die Bundesstraße 27 bei Tamm abfahren, dann die alte B 27 entlang, durch eine Unterführung unter der Bundesstraße durch auf einen Feldweg. Der Verkauf des Mineralwassers sei im Laden in Wilhelmshof zurückgegangen. Anfangs habe man bei Wörsinger überlegt, einen Anwalt einzuschalten, habe nun aber davon abgesehen.

Unbekannte legten Scherben auf den Weg

Eine erste Umleitung, die am Bietigheimer Stadtteil Buch entlang führte, musste Freiberg zurücknehmen, weil es Anwohnerproteste aus Buch gegeben hatte. „Die Umleitung wurde uns nicht gemeldet. Da haben wir protestiert“, sagt Anette Hochmuth, die Stadtsprecherin von Bietigheim-Bissingen. Weil einige Anwohner des Wilhelmshofs dennoch die kürzere Anfahrt an einer Grundschule und einem Kindergarten entlang nutzten, haben nun Unbekannte am Mittwoch Glasscherben auf der Strecke ausgebracht. Das Ergebnis: platte Reifen und noch mehr erhitzte Gemüter.

Dass es an der Kommunikation „gehapert“ habe, gibt auch der Freiberger Ordnungsamtsleiter Peter Müller zu. Jetzt sei aber alles „optimal“ ausgeschildert. Und ab kommender Woche gebe es dann wieder eine neue Umleitung.