Die Bundesregierung hat sich bei der EU-Abstimmung über die gentechnisch veränderte Maissorte 1507 der Stimme enthalten. Damit gibt es keine Mehrheit gegen die Zulassung der Sorte, die ihr eigenes Insektengift produziert.

Brüssel - Kurz vor der Abstimmung hat Frankreichs Europaminister Thierry Repentin noch einmal eindringlich vor der Zulassung der genetisch veränderten Maissorte 1507 gewarnt. So kurz vor der Europawahl würden sich „unsere Bürger an den Kopf langen“, wenn man ein Ja zum Genmais beschließe und dies nur mit den Sachzwängen eines komplizierten Verfahrens begründe. „Ich“, so Repentin, „kann das niemandem erklären.“

 

Hintergrund ist der Antrag des US-Herstellers Pioneer, der bereits im Jahr 2001 die Freigabe einer neuen Maissorte für den Anbau in Europa verlangt hatte. Sie wurde im Labor so verändert, dass sie gegen das Unkrautvernichtungsmittel Glufosinat resistent ist und ein Gift produziert, das den schädlichen Maiszünsler tötet. Im Wissen um die negative öffentliche Meinung in Bezug auf Gentechnikpflanzen ließ die EU-Kommission den Antrag lange liegen, doch das US-Unternehmen klagte vor dem Europäischen Gerichtshof und bekam recht – Brüssel musste daher im vergangenen Herbst den Mitgliedstaaten einen Zulassungsvorschlag unterbreiten.

Das Europaparlament, das sich wegen möglicher Gefahren für Schmetterlinge oder andere Insekten gegen eine Zulassung ausgesprochen hat, entscheidet in diesem Fall allerdings gar nicht mit. Die sogenannte Komitologieprozedur gibt nur den Mitgliedsländern die Möglichkeit, den Genmais-Anbau mit einer qualifizierten Mehrheit zu verhindern. Die einfache Mehrheit, die am Dienstag dazu zustande kam, reichte für die Ablehnung allerdings nicht aus. Obwohl 19 von 28 EU-Staaten sich teilweise vehement gegen den Genmais wehrten und wie Österreichs Außenminister Sebastian Kurz die Unbedenklichkeitsbescheinigung der europäischen Lebensmittelbehörde als „unvollständig“ zurückwiesen, kamen sie zusammen nur auf 210 Stimmen im Ministerrat und damit nicht auf die nötigen 260.

Enthaltung ist ein Ja

Das lag vor allem an Deutschland, das 29 Stimmen in die Waagschale werfen kann. „Im Ergebnis“, sagte der deutsche EU-Botschafter Peter Tempel im Hinblick auf die Uneinigkeit in der großen Koalition zu dem Thema, „wird sich unsere Regierung der Stimme enthalten.“ Zwar wäre auch mit den deutschen Stimmen keine Mehrheit erreicht worden, doch hätten sich möglicherweise auch andere anders entschieden, wenn die Bundesregierung gegen den Genmais votiert hätte. „Deutschland kommt in solchen Fällen eine Leuchtturmfunktion zu“, sagte ein EU-Diplomat in Brüssel.

Schon vor der Abstimmung hatte Tonio Borg als Vertreter der EU-Kommission darauf hingewiesen, dass „eine Enthaltung in diesem Fall ein Ja ist“. Ohne eine gültige Mehrheit der Staaten gegen den Anbau muss seine Behörde die Maissorte 1507 am heutigen Mittwoch offiziell zulassen. Da gibt es keinen rechtlichen Spielraum“, versicherten Juristen. Berlin hofft dennoch auf eine andere Entscheidung. „Der Ball liegt jetzt im Feld der Kommission“, sagte Europa-Staatssekretär Michael Roth.

Der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling sprach von einem „Schlag ins Gesicht der europäischen Verbraucher“. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland teilte mit, Berlin habe „auf ganzer Linie versagt“. Der Vorsitzende Hubert Weiger sprach von einem „Armutszeugnis für die große Koalition“, da die allermeisten Verbraucher Gentechnik ablehnten. 1507 ist nach der Sorte MON 810 von Monsanto die zweite gentechnisch veränderte Maissorte, die in Europa zugelassen wird. Einzelne Länder können aber von der EU-Zulassung abweichen, wenn sie ihre Bedenken wissenschaftlich begründen können. Diese Klausel will nun auch der neue Agrarminister Hans-Peter Friedrich nutzen.

Beim Import liegt die Sache anders. Hier ist auch die Maissorte 1507 längst ganz legal nach Europa gelangt und wird bereits an Tiere verfüttert, wie der EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg mitteilte. Er appellierte an die Mitgliedstaaten, endlich die von der Kommission vorgeschlagene neue Genpflanzen-Verordnung anzunehmen, die bisher von drei Ländern blockiert wird. Dann könnten die EU-Staaten autonomer als bisher entscheiden, ob auf ihrem Territorium gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden dürfen.