Der thüringische AfD-Chef Björn Höcke gibt sich bei einer Wahlkampfveranstaltung in Geislingen mal nachdenklich leise, dann wieder aufputschend laut.

Seite Drei: Dieter Fuchs (fu)

Geislingen - Es gibt Leute in der AfD, die Björn Höcke als verständigen, mit der Kraft seine Argumente überzeugenden politischen Führer bezeichnen, der den Mut zur Wahrheit pflegt. Und es gibt viele andere, quer durch das bundesdeutsche Parteienspektrum, die in ihm einen ausgewiesenen Rassisten und Hetzer sehen. Der parteilose Geislinger Oberbürgermeister Frank Dehmer wollte Höckes Auftritt sogar verbieten, um Schaden von seiner Stadt abzuwenden. Er kam damit aber nicht durch. Der AfD-Landesvorsitzende von Thüringen liefert am Donnerstagabend in Geislingen an der Steige Argumente für seine Fans und seine Gegner. Die Tonlage seiner Rede variiert von nachdenklich leise bis aufputschend laut.

 

Wie auf Veranstaltungen der AfD üblich diffamiert Björn Höcke zuerst die Presse und dann legt er los. Höcke weiß, was er seinen 150 Zuhörern im Kapellmühlsaal schuldig ist. Er zitiert den „Spiegel“, den er zuvor als von Nazis durchsetzt und Teil des „politisch-medialen Kartells“ bezeichnet hat, wenn diese Informationen sein Weltbild stützen. Sein Thema: Bildungspolitik, sein Fazit: die Rütli-Schule ist überall. Schuld daran ist „das verbrauchte Altparteienkartell“. Er fordert zum Kampf gegen die „praktizierte Zeitgeist-Diktatur“ auf. „Unsere Gesellschaft ist sterbenskrank“, und die Hauptursache dafür sei die Kulturrevolution der 68er. Es brauche in der Bildungspolitik eine Rückbesinnung zu den „preußischen Tugenden“, denn vor allem der junge Mensch brauche Orientierung. Das Publikum jubelt an den besonders zugespitzten Stellen, „Ja“, „So ist es“, „bravo“ hallt es durch den kleinen Saal. Hochstimmung.

Höcke will Bildungsminister werden

Der Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen sieht in der Bildungspolitik nur Ideologen am Werk. Und er glaubt dabei nicht mehr an einen Zufall. „Die Verblödung unserer Kinder geschieht mit Vorsatz.“ Dadurch würden sie vom Staat manipulierbar. Am Ende seiner Rede träumt Björn Höcke davon, Bundesbildungsminister zu werden. Aber bevor die AfD mit einer der „verbrauchten Altparteien“ koaliere, „müssen sie den Becher der Verantwortung bis zur Neige ausleeren“. Eine typische AfD-Formulierung, weit interpretierbar. Manche Anhänger denken dabei an Gerichtsverfahren.

Standing Ovations für Björn Höcke. Umarmungen. Heinrich Fiechtner, Stadtrat in Stuttgart, Kreischef und Landtagskandidat der AfD in Göppingen, spricht von einer „grandiosen Rede“. Danach darf noch ein syrischer Flüchtling auf die Bühne, der die russischen Bombardements in Aleppo lobt und die Kritik der Medien daran als „medialen Terrorismus“ geißelt. Schließlich klingt der Abend in gelöster Stimmung beim Singen der Nationalhymne aus.