Der Streit um den Bau einer Moschee in Straßburg zieht seine Kreise bis nach Paris. Es geht um Religion, Politik und nun hat auch die Justiz ein Wort mitzureden.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Paris - Der alte Mann hat sein Rad in den mächtigen Schatten der Baustelle geschoben. Interessiert lässt er seinen Blick über die hellgrauen Mauern schweifen. Dann beobachtet er lange einen Arbeiter auf einem hohen Gerüst, der sorgfältig einige Stahlträger am Ausleger eines Krans festzurrt. Auf die Frage, ob auch er in Zukunft die Eyyub-Sultan-Moschee besuchen werde, wenn sie fertig gebaut ist, streicht er sich kurz über seine grauen Bartstoppeln und schüttelt den Kopf. „Das ist die Moschee der Türken“, sagt der alte Mann, er aber sei Marokkaner. Mehr Fragen will er nicht beantworten. „Das ist doch alles Politik, damit möchte ich nichts zu tun haben.“ Dann steigt er auf sein Rad und fährt langsam über die Route de la Fédération an dem weißen Bauzaun entlang davon.

 

Die Muslime weisen alle Vorwürfe zurück

Natürlich gehe es ihnen nicht um Politik, würden die Verantwortlichen für den imposanten Moschee-Neubau im Süden von Straßburg widersprechen. Ziel sei es allein, den Glauben zu fördern, der alle Menschen miteinander verbinde, versichern sie bei jeder Gelegenheit. Auch ein großes Plakat an der Außenmauer des Rohbaus verkündet diese Botschaft. „Mit euren Spenden bauen wir am Zusammenleben aller“, ist dort zu lesen.

Doch viele französische Politiker haben einen ganz anderen Eindruck. Sie vermuten, dass vor allem die Türkei versucht, über die Arbeit in den Moscheen Einfluss auf die Muslime in Frankreich zu nehmen. Und so ist um das Gotteshaus in Straßburg ein großer Streit entbrannt. Die Heftigkeit des Schlagabtausches hat aber nicht nur mit der enormen Größe der Moschee zu tun. 2500 Gläubige sollen eines Tages in dem 30-Millionen-Euro-Projekt ihr Gebet verrichten, nach den Worten der federführenden muslimischen Organisation Milli Görüs wird es die größte Moschee Europas. Über 30 000 türkischsprachige Einwohner gibt es in der Metropolregion um Straßburg.

Der Wahlkampf spielt eine große Rolle

Ein entscheidender Grund für den aggressiven Verlauf der Diskussion ist der Wahlkampf um das Präsidentenamt, der in Frankreich an Fahrt aufnimmt. Amtsinhaber Emmanuel Macron befindet sich im Umfragetief und versucht inzwischen ganz offen, Wählerstimmen im rechten politischen Spektrum zu sammeln. Dort punktet bisher seine größte Konkurrentin, die extrem-rechte Marine Le Pen, mit Tiraden gegen Einwanderer und anti-muslimischen Attacken.

Beide sehen nun die Möglichkeit, ihr Profil als Verteidiger der Republik zu schärfen und stürzen sich auf die grüne Straßburger Bürgermeistern Jeanne Barseghian, unter deren Ägide die Stadt dem Moscheebau einen Zuschuss von 2,5 Millionen Euro genehmigen will. Marlène Schiappa, in der französischen Regierung zuständig für die Staatsbürgerschaft, schleuderte den Grünen entgegen, immer „offener mit den Ideen der radikalen Islamisten zu flirten“. Die Grünen haben wegen dieser Aussage eine Anzeige wegen Verleumdung erstattet.

Die Verantwortlichen geben sich unschuldig

Die Verantwortlichen des Moscheebaus von der Organisation Milli Görüs geben sich unschuldig und sprechen von Missverständnissen und bösen Unterstellungen von Seiten der französischen Politik. Doch auch hier ist die Sache mehr als kompliziert. In Deutschland wurde Milli Görüs wiederholt vom Verfassungsschutz beobachtet und steht unter dem Verdacht, ein antidemokratisches Staatsverständnis zu zeigen und westlichen Demokratien abzulehnen.

Wenig erstaunlich ist es, dass auf der anderen Straßenseite der Eyyub-Sultan-Moschee die Saadet Partisi ihre Parteizentrale unterhält, der politische Arm der Milli-Görüs-Bewegung. Auch in diesem Fall zweifelt der deutsche Verfassungsschutz die demokratische Treue der Organisation an, die eine islamische Ordnung anstrebe, die alle Bereiche des Lebens und der Gesellschaft umfasse.

Solche Aussagen werden von Eyüp Sahin allerdings empört zurückgewiesen. Milli Görüs sei eine „französische Vereinigung, unabhängig und an keinen Staat gebunden“, erklärte er in diesen Tagen auf einer Pressekonferenz. Und weiter „Im Gegensatz zu einigen, die mit dem Finger auf uns zeigen, sind wir keine politische Partei, wir verteidigen kein politisches Projekt.“ Alles an dem Projekt sei transparent organisiert, inklusive der Finanzierung. Diesen Versicherungen schenken in Straßburg allerdings sehr viele nicht mehr ihren Glauben.

„Den Islam aus dem Kellern holen“

Fabienne Keller, konservative Bürgermeisterin von Straßburg in den Jahren 2001 bis 2008, erinnert sich daran, wie der Bau der Moscheen damals von der Stadt unterstützt wurde. „Wir wollten den Islam aus den Kellern holen“, sagt sie heute. Dort herrschten oft nicht nur unhygienische Zustände, auch waren die Vorgänge in jenen Hinterhofmoscheen kaum zu kontrollieren. Das erste große Projekt war im Jahr 2004 der Bau der Großen Moschee. Die Behörden konnten gestaltend eingreifen und die Geldflüsse für den Bau kontrollieren.

Ähnlich sollte es auch im Fall der Eyyub-Sultan-Moschee laufen, die im Jahr 2013 die Baugenehmigung erhielt und ohne öffentliche Subventionen auskommen sollte. Erste Zweifel an dem Projekt kamen auf französischer Seite bei der Grundsteinlegung im Jahr 2017. Damals tauchte plötzlich der stellvertretende türkische Ministerpräsident Bekir Bozdag auf, ein türkischer Nationalsender sendet seine lange Rede direkt in die Türkei, übersetzt wurde kein Wort. Fabienne Keller, damals Senatorin für das Département Bas-Rhin saß versteinert am Tisch der Ehrengäste und ihr dämmerte, dass diese Moschee nicht nur ein religiöses, sondern vor allem auch ein hochpolitisches Projekt sein würde.

Einst gute Beziehungen zur Türkei

In jenen Jahren hatten sich zudem die einst guten Beziehungen zwischen Frankreich und der Türkei rapide verschlechtert. Aus dem einstigen Reformer Recep Tayyip Erdogan war längst ein unberechenbarer Präsident mit despotischen Zügen geworden, dessen erklärtes Ziel es ist, den Machtbereich des Islam auszuweiten. In Frankreich wird vermutet, dass er sogar so weit gehen könnte, Einfluss auf die anstehenden Wahlen in Frankreich zu nehmen.

Angesichts dieser Entwicklung wurde in Straßburg eine Art Notbremse für die Genehmigung des 2,5-Millionen-Euro-Zuschusses für die Moschee eingebaut. Bürgermeisterin Barseghian verlangt von Milli Görüs im Gegenzug für die benötigte Subvention nicht nur einen transparenten Finanzierungsplan, sondern auch eine schriftliche „Festlegung auf die Werte der französischen Republik“.

Das genügt der Regierung in Paris allerdings nicht. Der konservative Innenminister Gérald Darmanin will den Geldfluss verhindern und hat das Verwaltungsgericht angerufen, die Rechtmäßigkeit der Subvention zu überprüfen. Damit ist der Bau der Eyyub-Sultan-Moschee neben einer Frage des Glaubens und der Politik nun auch ein Streitfall der Justiz.