Der Gronauer Aquädukt ist zum Zankapfel geworden. Wenn das Bauwerk trotz des Hochwasserschutzes an der Bottwar stehen bleibt, könnte es Touristen anziehen.

Zwei Ämter innezuhaben, kann Segen und Fluch zugleich sein. Ein Lied davon weiß Rolf Lutz zu singen. Der Polizist im Ruhestand sitzt für die SPD im Oberstenfelder Gemeinderat, wirkt aber auch im Vorstand des Historischen Vereins Bottwartal mit. Ein Konflikt war das bisher für ihn nicht – bis der Gronauer Aquädukt in den Fokus geriet. „Ich bin hin- und hergerissen“, sagt Lutz. Einerseits sehe er im Bauwerk ein lohnenswertes Ziel für Wandertouristen, andererseits drohe es, den Hochwasserschutz im Bottwartal aufzuhalten.

 

Politische Beschlüsse sind seit 2019 wirksam

Der Aquädukt verbindet die Läufe der Bottwar und der Kurzach mit inzwischen trockengelegten Kanälen der Oberen und Unteren Ölmühle. Im aufgestauten Wasser eines Naturfreibades badeten früher die Menschen aus der Umgebung. Das Kleinod wollen der Historische Verein Bottwartal und der BUND Heilbronn-Franken als Kleindenkmal erhalten. Dem stehen die politisch wirksamen Beschlüsse des Oberstenfelder Gemeinderates und des Zweckverbandes Hochwasserschutz Bottwartal von 2019 entgegen. Die Kommunen Großbottwar, Steinheim, Oberstenfeld und Beilstein wollen etwas weiter oberhalb zwei Rückhaltebecken bauen. Das erfordert einen Naturausgleich. Und den soll der Rückbau des Aquädukts bieten, damit Fische etwas weiter in den Oberlauf der Bäche dringen können.

Mehr als 600 Unterschriften für den Erhalt

An Fahrt gewann das Thema, als der BUND Heilbronn-Franken und der Historische Verein Bottwartal 2021 an den Wert des Kleindenkmals und der Wassermühlen, die bis ins vorige Jahrhundert in Betrieb waren, erinnerten. Mehr als 600 Bürger unterschrieben für den Erhalt. Viele Menschen machten sich auf den Weg und schauten sich das Kleinod an. Sie störten die Ruhe der brütenden Vögel, sodass die Gemeinde das Naturdenkmal zwischenzeitlich absperrte. Für den SPD-Ortsvorsitzenden Rolf Lutz bedeutet das jedoch nicht das Aus für Interessenten der Mühlentradition im Bottwartal. „Man könnte einen schonenden Wandertourismus aufbauen.“ Schulklassen und Kindergärten würden bei Führungen viel lernen.

Tourismus-Leiterin erkennt in der Mühlenkultur Potenzial

Eine Chance für den Tourismus sieht auch Julia Essig-Grabnar, Leiterin der Tourismusgemeinschaft Marbach-Bottwartal, in der Mühlentradition des oberen Bottwartals. Sie passten zum Hauptmotto „Wein und Literatur“, indem sie als Nebenthemen „Aktiv sein in der Landschaft“ und „Kulturlandschaft“ abbildeten. Die Mühlen würden touristisch noch nicht so vermarktet, dass es ins Gewicht falle. Ein positives Beispiel sei aber der Glemsmühlenweg mit 17 Mühlen.

Ob der Aquädukt angesichts des öffentlichen Interesses erhalten bleibt, erscheint ungewiss. Das Landesdenkmalamt hält das Bauwerk für nicht erhaltenswert. Dieses Urteil floss in das Verfahren zum Hochwasserschutz mit den beiden Rückhaltebecken Prevorster Tal und Kurzachtal mit ein. Diese beiden Becken sowie ein weiteres im Schmidhausener Tal bei Beilstein sollen den Schutz im Bottwartal bei bereits drei gebauten Becken – Am Stockbrunnen und Hoftal in Großbottwar sowie Hasenbachtal in Oberstenfeld – komplettieren. „Ich bin für den Erhalt des Aquädukts, wenn der Hochwasserschutz dadurch nicht verzögert wird“, sagt der Oberstenfelder Bürgermeister Markus Kleemann. Eine Verzögerung könnte insbesondere dann eintreten, wenn der BUND Heilbronn-Franken, wie bereits angedroht, eine Klage gegen den Abriss des Kleindenkmals anstrengt.

Das Verfahren dreht gerade eine Art Ehrenrunde

Tatsächlich dreht das Planfeststellungsverfahren für die beiden Becken derzeit eine Art Ehrenrunde. Das liegt aber nicht etwa am Gronauer Aquädukt, sondern an fehlenden Planungsunterlagen. Der Hochwasserzweckverband müsse eine ökologische Untersuchung für abgelehnte Bauvarianten entlang der Straße nach Prevorst mit einem erhöhten Damm nachreichen, erklärt Mona Trinkner, Hauptamtsleiterin in Großbottwar, wo die Fäden des Zweckverbands zusammenlaufen. „Das ganzjährige Monitoring ist zu drei Vierteln abgeschlossen.“ Es soll in der Sitzung des Zweckverbandes am 28. November erörtert werden.

Eine Stiftung der Kreissparkasse könnte einspringen

Derzeit sieht es nicht danach aus, dass die vier Zweckverbandskommunen ihren Beschluss, den Aquädukt zu beseitigen, zurücknehmen. Die politische Initiative müsste von der Standortkommune Oberstenfeld ausgehen. Die vier Kommunen müssten insgesamt Mehrkosten von 200 000 Euro in Kauf nehmen. Sie hatten sich bei geschätzten Kosten von 175 000 Euro auch gegen die um 50 000 Euro teurere Variante entschieden, den Gehweg auf dem Aquädukt zu erneuern. Ob sich ein Geldgeber fände? Die Stiftung Umwelt- und Naturschutz der Kreissparkasse könnte in die Bresche springen. Deren Vorsitzender ist der Landrat Dietmar Allgaier.

Grundsätzlich fördere die Stiftung solche Kleindenkmale, teilt Landratsamt-Sprecher Andreas Fritz mit. Voraussetzung sei, dass eine Gemeinde im Benehmen mit dem Landesdenkmalamt ein Kleindenkmal unter Satzung stelle. Dabei bräuchte sie nicht das Einvernehmen des Landesdenkmalamts, stellt Fritz klar. Es reiche, die Anlage selbst als erhaltenswert unter Satzung zu stellen.

Was ist das Besondere am Gronauer Aquädukt?

Heimathistorie
Der Heimatforscher Hans-Wolfgang Bock hebt in einem journalistischen Beitrag die Bedeutung des wassertragenden „Pont du Gard“ hervor. Wasserbetriebene Getreidemühlen prägten demnach zwischen dem 10. und dem 19. Jahrhundert auch das Bild im oberen Bottwartal. „Die Wasserräder beider Gronauer Mühlen wurden durch Wasserzufluss aus einem links von der Bottwar abgezweigten Mühlenkanal betrieben“, schreibt Bock.

Kanäle
Das Wasser, das 350 Meter zur unteren Mühle weiterfloss, stammte nicht nur aus der Bottwar, sondern auch aus der Kurzach, führt Hans-Wolfgang Bock aus. „Der Aquädukt sicherte die Weiterleitung, weil es 200 Meter vorher durch ein Wehr aus der Kurzach in ein Rohr abgezweigt wurde.“