Im drei mal neun Meter kleinen Boot über das Mittelmeer
Vor knapp fünf Monaten, Anfang März, sind 40 Menschen mit dem drei mal neun Meter kleinen improvisierten Schiffchen von Sambrata in Libyen aufgebrochen, um in Europa Asyl zu erbitten. Sie kamen ursprünglich aus Somalia, Eritrea, Nigeria und Ägypten, ein gutes Dutzend Kinder war darunter. Das überladene Wassergefährt schaffte die mehr als 300 Kilometer lange Strecke über das Mittelmeer bis zu der italienischen Insel Lampedusa bei Sizilien vermutlich nur, weil es zwischenzeitlich von einem Fischkutter an den Haken genommen wurde.
Nun soll es im Remstal als Mahnmal dienen, ein „Zeichen setzen, dass wir den Menschen im Mittelmeer nicht beim Ertrinken zusehen und Italien nicht mit der Flüchtlingsfrage allein lassen wollen“, sagt Richard Arnold. Der Schwäbisch Gmünder Oberbürgermeister (CDU) hatte die Idee dazu bereits vor zwei Jahren. Das Boot hätte eigentlich zur Eröffnung der Remstal-Gartenschau in Gmünd stehen sollen, doch die Realisierung des Projekts erwies sich als schwieriger als gedacht.
Die italienische Küstenwache drückt ein Auge zu
Grundsätzlich würden die Flüchtlingsboote, die Italien erreichten, allesamt beschlagnahmt und zerstört, hat Arnold bei seinen Recherchen erfahren. Deshalb habe man in der Deutschen Botschaft in Rom über das Ansinnen aus Gmünd zunächst auch nur milde gelächelt. Dennoch wurde von dort ein Kontakt zur italienischen Küstenwache hergestellt – die nach einigem hartnäckigen Hin und Her schließlich für einen Ausnahmefall ein Auge zudrückte.
Doch auch der Transport gestaltete sich problematischer als gedacht. Ein ortsansässiger Spediteur, der dafür höchstpersönlich nach Lampedusa reiste, musste feststellen, dass das Boot zu breit für einen herkömmlichen Anhänger war. Mit einem Spezialtransporter kam er dann zwar bis Norditalien, dort ging das Gespann aber in die Brüche. Der Spediteur musste zunächst ohne Boot nach Hause reisen und Ersatzteile organisieren, um es in einem zweiten Anlauf schließlich doch noch zu schaffen.
„Richard Rackete“ oder Schande für Gmünd?
Seit vergangenen Donnerstag ist das Schiff nun in Gmünd und sorgt insbesondere in den sozialen Medien für rege Anteilnahme. Allein auf der Facebook-Seite der „Rems-Zeitung“ findet man mehr als 270 Kommentare zu dem Thema. Nicht jeder adelt den Oberbürgermeister für seine „Super-Aktion“ in Anlehnung an die furchtlose Sea-Watch-Kapitänin als „Richard Rackete“. Das Boot „ist ne Schande für Schwäbisch Gmünd“, schreibt ein Kritiker, „Kümmert euch zuerst um eure eigenen Bürger“, ein anderer. Einige wittern hinter der Aktion eine neuerliche PR-Aktion des findigen OB in eigener Sache.
Richard Arnold hingegen sagt, dass man genau das habe erreichen wollen: dass sich die Menschen über eine wichtige politische Frage plötzlich Gedanken machten, die ansonsten meist ausgeblendet werde. Diesem Abstumpfen oder Verdrängen habe man entgegenwirken wollen. Das Fernsehen könne nicht in gleicher Form leisten, was nun, direkt vor Ort buchstäblich begreifbar sei. „Man kann die Situation, in der sich die Menschen befunden haben, nachvollziehen.“ Das Boot sei deshalb ganz bewusst in einem authentischen Zustand belassen worden. Die Mitarbeiter im Bauhof sorgten lediglich dafür, dass kein Öl den künftigen Standort an der Mündung von Josefsbach und Rems verunreinige.
Ob die Remstal-Gartenschau für dieses Thema aber das richtige Forum ist? „Auf jeden Fall“, sagt Richard Arnold. „Wir machen hier keine bloße Schöne-Blümchen-Schau, sondern wollen Menschen einen Marktplatz bieten, an dem sie sich begegnen und vielfältig austauschen können. Wo sie Input bekommen – natürlich gärtnerisch, aber auch kulturell und mit politisch wichtige Themen, zu denen das Thema Migration ganz sicher gehört.“
Das Boot und das Gartenschau-Bergfest
Mahnmal
Das Flüchtlingsboot wird zurzeit von Betriebshofmitarbeitern so hergerichtet, dass es am Strand an der Mündung von Josefsbach und Rems aufgestellt und besichtigt werden kann. Von Donnerstag an soll es dort zu finden sein.
Highlight-Woche
Schwäbisch Gmünd richtet zurzeit seine Highlight-Woche zur Remstal-Gartenschau aus. Im Remspark kann man sich seit Montag in die stadtprägende Zeit des Barock versetzen lassen. An diesem Freitag ist das Abschlussfest mit Musik unter dem Motto „Barock trifft auf Rockabilly“ und einem Feuerwerk am Remsufer.
Bergfest
Am kommenden Wochenende ist Halbzeit bei der Remstal-Gartenschau. In Gmünd wird das Finale der kommunalen Kochduelle ausgetragen. Am Abend spielt die SWR1-Band auf, zum Abschluss ist eine Lasershow geboten.