Olexander Turtschinow und Julia Timoschenko gelten als eingespieltes Team. Beide haben ihre Karriere in der Ukraine auf den Trümmern des alten Sowjetimperiums begründet – und beide sind schwerreich.

Kiew - Zwischenzeitlich schien sogar die Fußball-Europameisterschaft 2012 gefährdet zu sein. Immer wieder waren im Vorfeld der Veranstaltung, die in der Ukraine und Polen gemeinsam ausgetragen wurde, Aufrufe zum Boykott diskutiert worden. Die Mannschaften haben dann trotzdem gespielt, die Mitglieder der EU-Kommission blieben den Spielen in der Ukraine jedoch fern. Aus Protest gegen die Behandlung der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko.

 

Die ehemalige Ministerpräsidentin war im Oktober 2011 wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Straflager verurteilt worden. In dem nach Ansicht internationaler Beobachter politisch motivierten Verfahren wurde ihr ein Abkommen mit Russland über Gaslieferungen zum Nachteil der Ukraine zur Last gelegt. Es war das vorläufige Ende einer Karriere, in deren Verlauf die Vollblutpolitikerin mehrfach die Richtung wechselte. Oft ohne Rücksicht auf Verluste.

Julia Timoschenko wächst auf in Dnjepopetrowsk, einer Stadt, in der die Breschnew-Mafia regiert. Der Generalsekretär der UdSSR liebt seine Heimat, deswegen gibt es dort mehr Wurst und Toilettenpapier als in weiten Teilen des Landes. Timoschenko ist 22 Jahre alt und bereits seit drei Jahren Mutter, als der Herrscher 1982 in Moskau das Zeitliche segnet. Unter seinem Nachfolger Juri Andropow fallen diejenigen zuerst, die Breschnew am nächsten standen. Doch die Clans der Sowjetzeit retten sich in die unabhängige Ukraine hinüber. Anfang der 90er Jahre taucht unter ihnen eine zierliche Frau mit brünettem Haar auf. Die Karriere von Julia Timoschenko nimmt ihren Lauf.

Julia Timoschenko gilt als märchenhaft reich

Im Jahr 1997 gibt es widersprüchliche Schätzungen über Timoschenkos Vermögen. Zwei Milliarden US-Dollar sagen die einen, sechs Milliarden britische Pfund die anderen. Auf jeden Fall ist Timoschenko märchenhaft reich. Das ganz große Geld hat sie mit Gas gemacht, zuvor gab es Einnahmen aus einer Videothek. Das Geheimnis der ersten Millionen bleibt ein solches. Zu jener Zeit haben fast alle der späteren Superreichen den Grundstein zu Macht und Vermögen gelegt, kaum einer hat sich um Recht oder Moral geschert.

Timoschenko kämpft gegen die Präsidenten Leonid Kutschma, Viktor Janukowitsch und Viktor Juschtschenko – und verbündet sich mit ihnen, wenn sie Vorteile daraus zieht. Der gestern zum Übergangspräsidenten ernannte Alexander Turtschinow ist dabei stets an ihrer Seite. Turtschinow gehört zur ganz alten Riege der ukrainischen Politik und stammt ebenfalls aus Dnjepopetrowsk. Bis 2004 galten die beiden als politisches Duo, bei dem nicht klar war, wer die wichtigere Rolle spielt. Nach der Orangen Revolution jedoch setzt sich die charismatische Timoschenko als Nummer eins durch – Turtschinow bleibt ihr treu ergeben.

Kein Schlägertyp: Turtschinow gilt als besonnen

Nach der erfolgreichen Revolution erreicht seine Karriere ihren Höhepunkt: Turtschinow wird Direktor des ukrainischen Geheimdienstes SBU – allerdings nur für ein gutes halbes Jahr, weil Premierministerin Timoschenko im Konkurrenzkampf mit Juschtschenko den Kürzeren zieht und schließlich zurücktritt. Nach den nächsten Parlamentswahlen ist Timoschenko bis 2010 wieder Premierministerin – und Turtschinow ihr Stellvertreter. 2008 scheiterte Turtschinow beim Versuch, Bürgermeister von Kiew zu werden: Er landete hinter dem Kandidaten der Partei der Regionen‟ auf Platz zwei, bekam jedoch mehr Stimmen als Vitali Klitschko.

Turtschinow bezeichnet sich selbst als reich, hat aber bis auf einige kleinere Firmen und ein von ihm gegründetes Wirtschaftsinstitut keine größeren Aktiva – im Unterschied zu vielen anderen Abgeordneten. Zudem gilt er als eher ruhiger Typ – an den Prügeleien zwischen Abgeordneten, die über die letzten zwei Jahrzehnte zu den Markenzeichen des Parlaments gehörten, nahm er nie teil. In einer ersten Erklärung am Samstag rief er die Regierungsgegner dazu auf, keine Selbstjustiz zu üben. Insbesondere für die Abgeordneten der bisherigen Regierungspartei war das eine wichtige Erklärung.