Zwei bewährte Nachwuchstrainer verlassen den VfB Stuttgart. Auch, weil sie keine Perspektive für Talente unter dem Profitrainer Bruno Labbadia mehr sehen Das ist ein Einschnitt und ein Paukenschlag, der nachwirken und den Verein noch länger beschäftigen wird.

Stuttgart - Gerd Mäuser hat an nichts Aufregendes gedacht, als am Dienstag Mittag seine Bürotür im ersten Stock der Geschäftsstelle aufgegangen ist. Herein kamen Frieder Schrof (57) und Thomas Albeck (56), zwei Urgesteine des VfB Stuttgart. Als sie den Raum wieder verlassen hatten, war Mäuser jedoch klar, dass eine Ära zu Ende ist. Denn Schrof und Albeck teilten ihm mit, dass sie den Club verlassen und spätestens nach dieser Saison zu Red Bull Leipzig wechseln werden.

 

Das ist ein Einschnitt und ein Paukenschlag, der nachwirken und den VfB noch länger beschäftigen wird. Denn Schrof arbeitet bereits seit 1983 und damit seit fast 30 Jahren bei diesem Club. Bis 2010 war er mit Albeck, der seit 1999 im Amt ist, als Chef aller Jugendabteilungen verantwortlich für die Strategie in diesem Bereich. Unter den beiden entwickelte sich die Generation mit den jungen Wilden. Schrof und Albeck formten Stars wie Kevin Kuranyi, Andreas Hinkel, Alexander Hleb, Timo Hildebrand, Sami Khedira und Mario Gomez, ehe sie herabgestuft wurden – Schrof zum Leiter für Organisation und Verwaltung, Albeck zum sportlichen Leiter von der U 14 bis zur U 16. Trotz dieser Degradierung stehen sie bundesweit nach wie vor für die Stuttgarter Talentschmiede, die allenthalben als vorbildlich gelobt wird.

Die jungen Wilden existieren nur noch auf dem Zettel

Das zeigt, wie gewaltig die Dimension der Zäsur ist. Zumal Schrof und Albeck nicht die ersten altgedienten VfBler sind, die den Verein zuletzt verlassen haben. Waren bei dem Pressesprecher Oliver Schraft (nach Wolfsburg) vor allem atmosphärische und persönliche Gründe ausschlaggebend, kommt bei Schrof, Albeck und dem früheren Nachwuchschef Marc Kienle (zu Bayern) ein Motiv hinzu. Sie sind frustriert, wie nachlässig der VfB seit geraumer Zeit mit seiner Jugend umgeht. Die jungen Wilden existieren nur noch auf dem Zettel von Mäuser. Gelebt werden sie nicht mehr.

Das ist das Signal, das Kienle, Schrof und Albeck mit ihren Abgängen senden, auch wenn die offizielle Sprachregelung schon im Mai bei Kienle ein bisschen anders ausgesehen hat. Nämlich so, wie jetzt bei Schrof, der sagt, dass ihm die Entscheidung sehr schwer gefallen sei. In all den Jahren habe ihm der Verein viel gegeben, „aber ich denke auch, dass ich viel zurückgeben konnte.“ Albeck wählt ganz ähnliche Worte („Die Aufgabe in Leipzig reizt mich einfach“), doch diese Stellungnahmen dürften nur die halbe Wahrheit sein. Denn in der Sommerpause gab es ein Schlüsselerlebnis, welches das Fass bei Schrof und Albeck offenbar zum Überlaufen gebracht hat.

Was passiert mit Holzhauser, Stöger, Rüdiger?

Es fand eine turnusmäßige Trainertagung mit allen Fachkräften aus dem Nachwuchsbereich statt. Das Besondere war, dass erstmals während seiner 18-monatigen Tätigkeit beim VfB auch der Proficoach Bruno Labbadia mit am Tisch saß. Naheliegend, dass es bei dieser Gelegenheit dann auch um die Perspektive von Raphael Holzhauser, Kevin Stöger und Antonio Rüdiger ging. Diese drei Talente sollten laut Vorgabe der Vereinsführung das Auslaufmodell mit den jungen Wilden wiederbeleben. Doch dann verlief die Sitzung anders, als es die Jugendtrainer erwartet hatten.Zu hören ist, Labbadia habe in dieser Runde kein einziges positives Wort über Holzhauser, Stöger und Rüdiger verloren. Stattdessen habe er die Hoffnungsträger nur kritisiert und sich über deren Schwächen ausgelassen. So war für die Teilnehmer der Sitzung keinerlei Bereitschaft erkennbar, die jungen Spieler ernsthaft zu fördern. Es entstand der Eindruck, dass Labbadia bereits zu diesem Zeitpunkt den Stab über Holzhauser, Stöger und Rüdiger gebrochen hatte, die danach in der Bundesliga auch keine Minute eingesetzt wurden.

Dabei investiert der VfB pro Jahr rund acht Millionen Euro in seine Nachwuchsarbeit. Zudem soll eine Jugendakademie gebaut werden. „Der Verein tut in diesem Bereich unheimlich viel, aber das sollte sich auch in der Aufstellung der ersten Mannschaft niederschlagen“, sagt Albeck. Das ist nicht mehr der Fall. Deshalb geht er jetzt – wie Schrof und wie zuvor schon Kienle.