Die Larven der Riffbildner, wie etwa die Steinkorallen, starten mit guten Vorräten und ein paar Freunden in die Selbstständigkeit: Von der Mutter bekommen die Nesseltiere Fett und Proteine mit auf den Weg durch das Meer. Algen als Untermieter versorgen sie mit Energie.

Stuttgart - Schickt eine Mutter ihren Nachwuchs ins Leben hinaus, ist die beste Ausrüstung gerade gut genug. Das gilt für eine Steinkoralle sogar noch mehr als für eine Menschenmutter. Schließlich schicken diese Nesseltiere ihre Larven unmittelbar nach der Geburt ins weite Meer und das „Planula“ genannte, gerade einmal einen Millimeter winzige Baby soll im besten Fall später einmal zu einem großen Riff heranwachsen. Also bepackt man seinen Nachwuchs mit reichlich Fett und Proteinen: „Bis zu 70 Prozent ihres Gewichts ist reines Fett“, erklärt Anders Meibom von der Eidgenössisch-Technischen Hochschule in Lausanne. Dazu kommen noch ein paar Freunde in Form winziger Algen, die aus Kohlendioxid und Wasser mit Hilfe der Sonnenenergie Zucker herstellen, von dem sie ihrer Steinkoralle einen Teil als Energie zur Verfügung stellen.

 

Zumindest ist das bei den ausgewachsenen Steinkorallen so. Bei deren Larven aber tappten die Forscher bisher im Dunkeln, in das jetzt in der Online-Zeitschrift Science Advances Anders Meibom und sein Doktorand Christophe Kopp gemeinsam mit zwei Kollegen in Paris und Brest ein wenig Licht bringen. Die Forscher badeten die Korallenlarven erst einmal sechs Stunden lang in einer Lösung mit Bicarbonat und Nitrat. Beide Salze können im Wasser mit Hilfe von Sonnenlicht zwar von den Minialgen in Zucker und Stickstoff-haltige Biomoleküle verwandelt werden, die Planula selbst aber können mit diesen Verbindungen nichts anfangen. Um den Weg dieser Substanzen verfolgen zu können, hatten die Forscher im Bicarbonat den normalen Kohlenstoff durch seine schwerere, natürliche Variante Kohlenstoff-13 und im Nitrat den normalen Stickstoff durch das schwerere Stickstoff-15-Isotop ersetzt.

Algen als Untermieter

In ausgewachsenen Korallen verarbeiten die Minialgen die beiden Salze zu Zucker, Stärke und anderen Biomolekülen, in denen die schweren Kohlenstoff- und Stickstoffisotope wieder auftauchen. Nach einiger Zeit steigt dann auch im Gewebe der Steinkorallen der Anteil der schweren Isotope. Offensichtlich haben die Algen also ihre gerade produzierten Zucker und anderen Verbindungen an ihren Gastgeber weiter gegeben. Forscher vergleichen die Algen daher gerne mit einem Untermieter, der im Kalkgehäuse der Steinkoralle vor den Gefahren im Meer gut geschützt lebt und die Miete für sein sicheres Zuhause mit Zucker und anderen selbst produzierten Biomolekülen bezahlt. „Symbiose“ nennen Biologen ein solches enges Zusammenleben, bei dem sich die Partner gegenseitig unterstützen.

Wie hoch diese Untermiete für die Algen in den Korallenbabys ist, schätzen die Forscher jetzt mit ihren Isotopenversuchen. Im Planula aber taucht viel weniger Kohlenstoff-13 und Stickstoff-15 auf als in den erwachsenen Korallen. Die Miete scheint also ein Schnäppchen zu sein. Und sie bleibt auch dann sehr niedrig, wenn die Forscher berücksichtigen, dass in den Korallenlarven weniger Untermieter als im großen Riff zuhause sind.

„Offensichtlich leisten die Algen nur einen minimalen Beitrag zur Versorgung der Korallenlarven“, fasst Meibom die Studie zusammen. Am Anfang ihres Lebens sind die winzigen Babys weitgehend auf das Fresspaket der Mutter angewiesen. Dieser Vorrat muss dem Nachwuchs reichen, während er mit den Strömungen durchs Meer getrieben wird. Entdeckt das Baby irgendwann einen Felsen oder eine feste Unterlage, heftet es sich dort an. In der Zwischenzeit haben die Untermieter reichlich Sonnenenergie eingesammelt und die getankte Energie in Algennachwuchs umgesetzt. In der Jungkoralle gibt es jetzt also auch viele Untermieter, die gute Einnahmen garantieren. Das sind beste Voraussetzungen für das Wachsen eines neuen Riffs.

Ob dieses Fresspaket der Mutter den Korallennachwuchs auch in Zeiten des Klimawandels noch ausreichend versorgt, bleibt aber fraglich. „Steigen die Temperaturen, bedeutet das für die Planula Stress, sie verbrauchen daher mehr Energie als in ruhigeren Zeiten“, erklärt Meibom. Das Fresspaket reicht also nicht mehr solange wie in kühleren Zeiten.