In vielen Teilen der Erde verdorrt Land, weil die Menschen falsch mit Wasser und Böden umgehen. Die Probleme sind vielschichtig.  

Stuttgart - Wüste entsteht selbst dort, wo man es kaum vermutet: zum Beispiel in den Steppen Patagoniens in Argentinien. Bauern nutzten sie als Weideland, im 20. Jahrhundert aber begannen sie dort in Herden importierte Schafe grasen zu lassen. Die dünne Vegetationsdecke wurde von den Tieren vernichtet, Erosion setzte ein. Der Boden gab für die Pflanzen immer weniger her. Am Ende hatten die Schafe gar nichts mehr zu fressen, und viele verarmte Besitzer mussten in die Städte abwandern. Auf großen Flächen war aus Steppe Wüste geworden.

 

In vielen Ländern der Erde kämpfen Menschen gegen Wüsten, die sie selbst geschaffen haben: in der afrikanischen Sahelzone, in Nordchina oder am Aralsee. Betroffen sind Regionen, in denen es von Natur aus nur wenig mehr regnet als in einer Wüste. Untaugliche Bewässerungsmethoden, Überweidung und der Anbau ungeeigneter Nutzpflanzen schädigen die Böden und lassen Erträge sinken, bis ganze Landstriche so veröden, dass sie Wüsten ähneln. Wissenschaftler nennen das Desertifikation. Sie müssen der Entwicklung oft ohnmächtig zuschauen; gegen die gesellschaftlichen und ökonomischen Ursachen kommen sie nicht an.

Um über Maßnahmen zu beraten, trafen sich kürzlich Mitgliedsvertreter der Konvention der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) in Südkorea. Der UNCCD-Vertrag ist 1994 unterzeichnet worden. Mit jedem Treffen wird deutlicher, wie vielschichtig die Probleme sind, die mit dem Raubbau an Böden in Trockengebieten zusammenhängen.

Wenn die Vegetation stirbt

"In der Sahelzone sind es vor allem die Ziegen, die zur Desertifikation beitragen", sagt der Geograf Roland Baumhauer von der Uni Würzburg. Werden die Ziegenherden nach ein paar feuchten Jahren mit grünendem Weideland größer, verkaufen die Nomaden überzählige Tiere nicht, denn von Statussymbolen trennt man sich nicht leicht. In Dürrejahren wird die Vegetation jedoch umso großflächiger vernichtet. Baumhauer erzählt von Experimenten der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, die einzelne Gebiete eingezäunt habe: Dort seien nach drei bis vier Jahren die Pflanzen wieder da gewesen. Solche Experimente können sich die Bewohner jener Gegenden aber kaum leisten.

Laut vielen Experten geht die Desertifikation in der Regel nicht von den natürlichen Wüsten aus; weder die Sahara noch die Atacama in Südamerika werden größer. Das Problem entsteht vielmehr in deren halbtrockenen Säumen - und dort durch den Menschen, der die Natur überfordert. Mit Satelliten verfolgen Forscher die Entwicklung seit Jahren. Die Instrumente im All registrieren, wie sich der Boden braun verfärbt, wenn die Vegetation stirbt. Die Schätzungen über das Ausmaß der weltweiten Wüstenbildung gehen allerdings wegen Messungenauigkeiten weit auseinander, deshalb lassen sich Fachleute auf keine genauen Zahlen festlegen. Noch unsicherer sind die künftigen Auswirkungen der globalen Erwärmung, die sich derzeit nicht präzise im regionalen Detail berechnen lassen.

Im Norden Chinas und im Süden der Mongolei kommen Staubstürme zum Beispiel deutlich häufiger vor als früher - und sie sind auch heftiger. Das spüren die Menschen nicht bloß in Peking, sondern sogar im Hunderte Kilometer entfernten Seoul. Laut einem Bericht des landeseigenen Wetterdienstes hat dort die Zahl der Tage mit hoher Staubbelastung von 23 in den 70er Jahren auf 96 im vergangenen Jahrzehnt zugenommen. Die Ursache war neben der zu großen Zahl von Weidetieren der verschwenderische Umgang mit Wasser und die Übernutzung von Ackerflächen.

Es gibt auch gute Nachrichten

Nicht überall ist die Überweidung eine Ursache der Verödung. Beim Aralsee ist es die landwirtschaftliche Bewässerung und die Verstädterung, die in Sowjetzeiten begonnen hat und bis heute anhält. In einem größenwahnsinigen Projekt wurden riesige Wassermassen der Zuflüsse Amur-Darya und Syr-Darya umgeleitet, damit in den Sozialistischen Sowjetrepubliken Turkmenistan, Kasachstan und Usbekistan Baumwolle und Reis angebaut werden konnte. Die Landwirtschaft blühte auf, der Aralsee schrumpfte seit den 60er Jahren so stark, dass nur kleine, versalzene Seen übrig blieben. Die Fischerei brach zusammen; die neue Salzwüste Aral-Kum entstand.

Im Sommer heizt sich das stark verkleinerte Wasservolumen jetzt viel mehr auf als früher. Die hohen Wassertemperaturen führten zu starker Verdunstung, sagt Karsten Kotte vom Institut für Geowissenschaften an der Uni Heidelberg. Dadurch müsse viel mehr Süßwasser zugeführt werden als früher, um den See zu füllen. Vom trockengefallenen Seegrund könne der Wind das salzhaltige Material abtragen. Der salzhaltige Staub werde Hunderte Kilometer verfrachtet und führe dort zur Versalzung von wertvollem Ackerland. Außerdem löse er Atemwegserkrankungen aus und senke so die Lebenserwartung der Bevölkerung.

Doch es gab in jüngster Zeit auch gute Nachrichten. Mit Hilfe der Vereinten Nationen sind Dämme gebaut worden, um wenigstens den Nordteil des Sees zu retten. Inzwischen ist der Salzgehalt dort so weit gesunken, dass wieder Fische ausgesetzt werden konnten. Vielleicht könnten in Zukunft auch andere Teilbereiche des Aralsees wiederbelebt werden, sagt Kotte.

"Politiker halten sich nicht an die Ratschläge"

Ein Patentrezept für das komplexe Problem der Wüstenbildung hat niemand. Immerhin verzeichnet das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) mehrere lokale Erfolgsgeschichten, etwa in China, Indien und der Sahelzone, wo durch Schutzmaßnahmen kleine Gebiete wieder ergrünt sind. Auf der Ebene der Vereinten Nationen wurde jüngst erwogen, ein wissenschaftliches Beratungsgremium nach dem Vorbild des UN-Klimarats IPCC zu schaffen. Das Gremium würde Politikern Empfehlungen geben, welche Maßnahmen beim Kampf gegen neue Wüsten helfen.

Die Forscher Kotte und Baumhauer beurteilen das skeptisch. "Die Erfahrung zeigt, dass sich Politiker an die Ratschläge nicht halten und dass Gelder für Hilfsprogramme oft versickern", sagt Baumhauer. Kotte plädiert dafür, lieber die Zusammenarbeit mit den Einwohnern zu stärken.

Die fatalen Folgen der Wüstenausbreitung

Definition Im Allgemeinen ist eine Wüste ein Gebiet mit wenig oder gar keiner Vegetation, welches sehr trocken ist. Heiß muss es dort übrigens ganz und gar nicht sein: Die größte Wüste der Erde ist überraschenderweise die Antarktis (ohne die Küstengebiete), erst auf dem zweiten Rang folgt dann die Sahara.

Ausdehnung Weltweit ist eine Fläche von rund 12 Millionen Quadratkilometern von Bodenverschlechterung in trockenen oder halbtrockenen Regionen betroffen, ein Gebiet größer als ganz Europa. Stark ist die Desertifikation südlich der Sahara und in Zentralasien. Die Folgen: Armut, Mangelernährung und Flüchtlingströme.

Prognose Laut UNCCD, der Konvention der Vereinten Nationen zum Kampf gegen Wüstenbildung, gehen weltweit pro Jahr etwa 120.000 Quadratkilometer Land an neue Wüsten verloren. Auf der Fläche könnten theoretisch rund 20 Millionen Tonnen Getreide angebaut und schließlich produziert werden.