Die Abfallmenge wächst und wächst. Dabei spielen nicht nur Verpackungen aus Plastik eine Rolle, sondern auch seltene Rohstoffe. Gibt es Hoffnung, dass sich bald etwas ändert?

Berlin - Deutschland ist unangefochten Europameister – beim Verpackungsmüll: 18,16 Millionen Tonnen waren es im Jahr 2016. Das geht aus dem aktuellen Bericht zu Menge und Verwertung von Verpackungen in Deutschland hervor, den das Umweltbundesamt (UBA) jetzt vorgestellt hat.

 

Allen Appellen zum Trotz, doch weniger Verpackungsmüll zu produzieren, hat damit die Abfallmenge noch einmal zugelegt, wenn auch um bescheidene 0,05 Prozent. Das entspricht 220,5 Kilogramm pro Kopf und Jahr – der europäische Durchschnitt liegt bei 167,3 Kilo. Die UBA-Präsidentin Maria Krautzberger kommentierte dies mit deutlichen Worten: „Wir produzieren viel zu viel Verpackungsmüll – ein trauriger Spitzenplatz in Europa. Das ist schlecht für die Umwelt und für den Rohstoffverbrauch.“

Die Verbraucher schmeißen immer noch zu viel weg

Mit 47 Prozent ging knapp die Hälfte des Abfallaufkommens auf das Konto der privaten Verbraucher. Immerhin gibt es einen kleinen Lichtblick: In diesem Bereich habe der Verbrauch an Kunststoffverpackungen minimal von 25 auf 24,9 Kilogramm pro Kopf abgenommen, meldet das Amt. Erkauft wurde dieser Rückgang indes mit einer Zunahme bei den Verpackungen aus Glas- und Aluminium, die offenbar Kunststoffhüllen ersetzen. Ein ökologischer Gewinn ist dies wohl kaum: Auch wenn sich diese Materialien leicht einschmelzen und damit besonders gut wiederverwerten lassen, so ist dies doch mit einem beachtlichen Energieaufwand verbunden.

70 Prozent des Plastikmülls wird wiederverwertet

Gleichwohl sind Glas mit einer Recyclingquote von 85 Prozent und Alu mit 88 Prozent die leuchtenden Vorbilder. Nur Papier mit 89 Prozent und Stahl mit beachtlichen 92 Prozent sind noch ein bisschen besser. Viel Luft nach oben gibt es dagegen beim Kunststoff, wo nur knapp 50 Prozent wieder verwertet werden. Insgesamt, so meldet das UBA, werden mehr als 70 Prozent des Verpackungsmülls recycelt. Der Rest wird „energetisch verwertet“, also verbrannt – immerhin 4,8 Millionen Tonnen. Dazu dürfte auch der geringe Recyclinganteil beim Holz von gerade einmal 26 Prozent beitragen.

Nachdem China nun nicht mehr länger die Müllhalde für ausgediente Plastikverpackungen aus aller Welt sein will, wird deren Export schwieriger. 2016 wurden noch 10,6 Prozent der Kunststoffverpackungsabfälle exportiert, importiert wurde dagegen gar nichts. Bei Papier wie auch Karton hielten sich Import und Export die Waage. Glasverpackungen wiederum wurden in größerer Menge importiert als exportiert. Insgesamt gingen knapp elf Prozent der deutschen Verpackungsabfälle ins Ausland – zum Recycling, wie das UBA betont.

Problem sind Getränkekartons und Tüten für Backwaren

Ein besonderes Problem stellen die immer aufwendigeren Verpackungen dar. Getränkekartons etwa haben inzwischen meist einen Ausguss aus Plastik. Und Tüten für Backwaren erlauben dank eingeschweißtem Plastikfenster einen Blick auf den Inhalt. Dies führt zu einem erhöhten Materialverbrauch und macht zudem das Recycling schwieriger.

Hinzu kommt der Trend zu kleineren Portionen, was zwar für Ein-Personen-Haushalte vorteilhaft sein mag, aber den Müllberg wachsen lässt. Und die zunehmende Bequemlichkeit hat ebenfalls ihren Verpackungspreis – sowohl beim Online-Handel wie auch bei Essen und Getränken zum Mitnehmen.

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Besonders unökologisch: Verpackungen mit Magneten

Ein eigenes Kapitel widmet der Abfallbericht Verpackungen, die einen magnetischen Verschluss enthalten. Zugleich ist dies ein sehr anschauliches Beispiel, welche seltsamen Blüten der Verpackungseifer in manchen Branchen treibt. Wirklich notwendig sind die Magnete nämlich nicht – aber sie lassen das verpackte Produkt hochwertiger erscheinen. „Diese Verpackungen muten meist edel an, bieten durch das ,Klacken‘ beim Schließen eine multisensorische Erfahrung und verleihen dem Produkt so eine höhere Wertigkeit“, heißt es in dem UBA-Bericht. Halbwegs sinnvoll sind die Magnete noch dort, wo Schachteln verschleißfrei mehrfach wieder verschlossen werden sollen – etwa bei Rauchwaren oder Pralinen. Allerdings haben die Autoren bei ihren Recherchen auch Verpackungen gefunden, die meist nur einmal geöffnet werden – etwa für Unterwäsche oder Kugelschreiber.

Besonders problematisch an diesen Verpackungen ist, dass für die Magnete der seltene und damit knappe Rohstoff Neodym verwendet wird, und zwar zu einem Anteil von rund 30 Prozent. Das zu den Seltenen Erden gehörende Metall ist auch politisch interessant: Bei der Produktion hat China auf dem Weltmarkt eine Vormachtstellung, was aus europäischer Sicht „das Risiko steigender Preise und der geopolitischen Abhängigkeit von China birgt“, schreiben die Autoren des Verpackungsberichts.

Seltene Rohstoffe wie Neodym lassen sich nicht recyceln

Immer wichtiger wird Neodym für Magnete, die in langlebigen Produkten wie Windkrafträdern, E-Bikes und Elektroautos zum Einsatz kommen. Dies macht den kurzlebigen Verbrauch von Neodym-Magneten in Wegwerfverpackungen umso fragwürdiger. Zumal derzeit keine Chance besteht, diesen Rohstoff zu recyceln: „Das seltene Metall endet somit in der Eisenschrott-Fraktion und geht verloren“, beklagt das UBA. Und die Mengen sind keineswegs zu vernachlässigen: „2017 sind in Deutschland etwa 4,5 Tonnen neodymhaltige Magnete als Verpackungsabfall angefallen, davon sind rund 1,5 Tonnen reines Neodym“, lautet die Bilanz.

2019 tritt das neue Verpackungsgesetz in Kraft

Um die wachsende Flut an Verpackungsmüll zu bändigen, tritt ab kommenden Januar das neue Verpackungsgesetz in Kraft. Dann müsse, so das Umweltbundesamt, zumindest das Kunststoffrecycling der Verpackungen weiter gesteigert werden, die im dualen System anfallen. Die Quote wachse dabei von zunächst 58,5 Prozent auf 63 Prozent ab 2022. Dazu gehören auch alle Verpackungen, die bei Glas- und Papiersammlungen, im Gelben Sack und in der Gelben Tonne sowie in Wertstofftonnen und Wertstoffhöfen entsorgt werden.

Das allein wird aber nicht reichen, weshalb UBA-Chefin Maria Krautzberger ein Umdenken anmahnt: „Vor allem müssen wir Müll vermeiden, auch schon in der Produktionsphase durch den Verzicht auf unnötige und unnötig materialintensive Verpackungen.“ Und sie bricht eine Lanze für die Mehrwegsysteme: Diese sollten gestärkt werden, da sie „klare ökologische Vorteile gegenüber Einwegverpackungen haben.“ Hinzuzufügen wäre, dass auch die Verbraucher ihren Anteil beitragen können, indem sie auf Verpackungen verzichten, wo immer das möglich ist.