Es ist eine der größten Umweltkatastrophen in Deutschland: Gift in der Jagst tötet Tausende Tiere - vom Bachfloh bis zum Hecht. Fast eine Woche danach machen sich zwei Minister einen Eindruck vor Ort - und kriegen viel von verärgerten Anwohnern zu hören.

Krautheim - Katharina Ziegler redet sich in Rage: Viel zu spät hätten die Behörden bei der Umweltkatastrophe an der Jagst reagiert, die schon etlichen Tieren das Leben kostete. Es seien anfangs keine Experten wie Biologen hinzugeholt worden und die Informationen würden nur schleppend veröffentlicht, schimpft Ziegler. Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) steht mit verschränkten Armen da, hört zu. Mal sagt er: „Da ist nicht nur das Land gefordert.“ Mal sagt er: „Ich bin mit den Landräten in Kontakt.“ Außerdem wisse er um die große Bedeutung der Jagst - schließlich sei er hier früher regelmäßig mit seinem Parteifreund Rezzo Schlauch baden gewesen. Katharina Ziegler beruhigt das nicht.

 

Wie viele andere Anwohner der Jagst hat sie einen Teil gepachtet, die Fische dort sind tot. Mit Düngemittel verseuchtes Löschwasser war am Wochenende nach einem Feuer in die Jagst gelangt und hat das Leben an einem der naturnächsten Flüsse Baden-Württembergs schier ausgelöscht. Untersteller sagt: „Wo ich es zum ersten Mal gehört habe, dachte ich sofort an den November 86, an Sandoz.“ Den Vergleich mit den Brandfolgen beim Pharmakonzern, als ebenfalls Löschwasser giftige Chemikalien in den Rhein spülte und den Aalbestand auf mehr als 400 Kilometern abtötete, haben auch schon Umweltexperten gezogen.

Tag 6 nach dem Feuer: Im Kreis Schwäbisch, wo die Katastrophe ihren Ursprung hat, sinken die Ammonium-Werte schon unter die Grenze von 0,5 bis 1 Milligramm pro Liter, die laut Landratsamt tödlich für Fische und andere Lebewesen ist. Untersteller und Kabinettskollege Naturschutzminister Alexander Bonde (Grüne) machen sich in Krautheim (Hohenlohekreis) einen Eindruck von der Lage. Hier wird die inzwischen 23 Kilometer lange Schadstoffahne gerade erwartet.

Ehrenamtliche von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk pumpen Wasser aus der Jagst in den Fluss zurück, um die Sauerstoffkonzentration zu erhöhen. Das soll beim Giftabbau helfen. „Das halbe Volumen der Jagst wird mit Pumpen umgewälzt“, sagt Landrat Matthias Neth (CDU) und verkündet: „Wir merken jetzt, dass die Maßnahmen greifen.“ Noch gebe es kein kollektives Fischsterben wie im Kreis Schwäbisch Hall.

Bonde sagt, schon jetzt habe das Regierungspräsidium Stuttgart mit der Bestandsaufnahme begonnen: Welche Tiere haben überlebt, was muss zur Renaturierung getan werden? Die werde Jahre dauern, schätzt er. „Wir verlieren hier hochwertigen, europäisch geschützten Lebensraum.“ Er spricht von einer massiven Beschädigung des Ökosystems. Über Kosten für die Wiederbelebung der Jagst will er noch nicht sprechen: „Wir sind gerade mitten in der Krisenbewältigung.“

Auch Untersteller sagt, für Konsequenzen sei es noch zu früh

Auch Untersteller sagt, für Konsequenzen sei es noch zu früh. Aber es müsse alles getan werden, „um künftig so einen Fall unmöglicher zu machen“. Unmöglich, so räumt er ein, das gehe wohl nicht. Er kündigt erste Maßnahmen an: Alle Lagerhallen in Baden-Württemberg in der Nähe von Flüssen sollen überprüft werden. Wenn klar ist, wie genau das Ammonium in die Jagst gelangte, will er die Rechtslage auf den Prüfstand stellen. Die Aufarbeitung solle schnellstmöglich beginnen.

Das sagt er auch Katharina Ziegler und dem Pulk, der sich um sie gebildet hat. Der erste Vorsitzende vom Angelsportverein Jagst Langenburg, Achim Thoma, bemängelt, in den ersten Tagen habe es kaum Informationen vom Landratsamt gegeben. „Und Entscheidungsträger haben keine Entscheidungen gefällt.“ Untersteller steht einige Minuten bei den Leuten. Auf die Frage, ob er mit den Antworten des Ministers zufrieden sei, sagt Thoma: „Er hat es zur Kenntnis genommen.“