Nachtzug statt Billigflieger – umweltschonendes Reisen liegt im Trend. Die Österreichischen Bundesbahnen sind Marktführer in Europa mit ihrer Schlaf- und Liegewagenflotte und haben Erfolg damit. Wie das gelingt.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Nachtzug statt Billigflieger – umweltschonendes Reisen liegt im Trend. Die Österreichischen Bundesbahnen sind Marktführer in Europa mit ihrer Schlaf- und Liegewagenflotte. Anders als die Deutsche Bahn AG haben die Wiener ihre Hotels auf Rädern zum Erfolgsmodell gemacht. Wie gelingt das und wie geht es weiter? Wir haben nachgehakt.

 

1. Attraktive Angebote

Derzeit 38 Nightjets der ÖBB verbinden über Nacht viele attraktive Städte in Mitteleuropa. Im Zentrum steht das Drehkreuz Wien, aber auch von und nach Deutschland gibt es attraktive Verbindungen. Zum Beispiel zwischen Stuttgart und Venedig, München und Rom sowie Berlin und Zürich. Auf der Sparschiene sind Sitzplätze bei früher Buchung schon ab knapp 30 Euro erhältlich, die Angebote werden intensiv beworben.

Liege- und Schlafwagen kosten deutlich mehr, dafür spart man Hotelkosten und reist bequem im Schlaf ans Ziel. Wer mehr zahlt, genießt Komfort wie eine Zweierkabine mit eigener Toilette und Dusche. Günstiger sind 6er-oder 4er-Abteile, wo es eng zugehen kann, wenn alle Liegen belegt sind. Ein kleines Frühstück ist meist inklusive.

2. Hohe Investitionen

Die ÖBB haben für mehrere hundert Millionen Euro insgesamt 33 neue Nightjets bei Siemens bestellt, die von Sommer an schrittweise ausgeliefert werden und bis 2026 ein fast verdoppeltes Angebot ermöglichen. Die komplett neuentwickelten Züge sollen mehr Komfort und Privatsphäre bieten und die Nachfrage weiter ankurbeln.

Auch andere Länder wie Schweden und Norwegen rüsten ihre Staatsbahnen mit neuen Nachtzugflotten aus, um für mehr nachhaltige Mobilität zu sorgen. In Deutschland dagegen investierte der DB-Konzern über viele Jahre kaum noch in das komplexe Geschäft, stieg 2017 ganz aus und übergab Teile seiner Flotte an die Österreicher. Nach DB-Rechnung fuhren die Nachtzüge angeblich dauerhafte Verluste ein.

3. Staatliche Förderung

Der Nachtverkehr der ÖBB ist den Angaben zufolge profitabel. Das liegt auch daran, dass der Staat den Fernverkehr auf der Schiene fördert. Gewünschte Fernlinien werden in Österreich festgelegt, ausgeschrieben, bestellt und falls nötig bezuschusst. Deutschland macht das bisher nur im Regionalverkehr und überlässt das Angebot bei Fernzügen dem Wettbewerb mit der Folge, dass die ICE-Flotte des DB-Konzerns den Markt beherrscht und weniger profitable Linien ausgedünnt hat.

Von der Förderung profitieren in Österreich auch die Nachtzüge, da deren Sitzwagen am späten Abend oder frühen Morgen oft die letzten oder ersten Verbindungen bieten. So nehmen Pendler aus Klagenfurt oder Villach in der Früh gerne den Nachtzug aus Rom zur Arbeit in Wien. Die Zuschüsse für die vom Staat bestellten Sitzwagen finanzieren die hohen Kosten des Nachtzugverkehrs teils mit, wie ÖBB-Sprecher Bernhard Rieder erläutert.

4. Clevere Kooperationen

Außerhalb Österreichs kooperiert die ÖBB mit anderen Bahnen, nach Rom und Venedig zum Beispiel mit Trenitalia. Italiens Staatsbahn ist von der Grenze an der kommerzielle Betreiber, deren Zugchef kommt dann an Bord und ist für den Betrieb verantwortlich. Die Lokführer wechseln an den Grenzen ohnehin, da Sprach- und Streckenkenntnis vorgeschrieben sind. Das übrige Personal bleibt meist durchgehend, die kooperierenden Bahnen teilen sich die Kosten nach bestimmten Schlüsseln.

Die Deutsche Bahn AG lässt eigene Sitzwagen bei den ÖBB-Nightjets mitfahren und zahlt dafür einen Ausgleich. Die Schweiz kooperiert ebenfalls mit den Österreichern und wollte zwei zusätzliche Nightjet-Linien von Zürich nach Barcelona und Rom aus einem Klimafonds bezuschussen. Doch ein Volksentscheid verhinderte vorläufig den Fonds, aus dem pro Jahr auch 30 Millionen Franken fließen sollten. Ohne Zuschüsse seien die Linien nicht rentabel und würden nicht realisiert, betont die ÖBB. Nun hofft man, dass der Fonds im zweiten Anlauf kommt.

5. Gute Organisation

Nachtzüge sind ein sehr komplexes Geschäft. Für den Zug- und Hotelbetrieb über Nacht braucht es geeignetes Personal, spezielle Züge und geeignete Strecken. An den Start- und Zielbahnhöfen müssen passende Abfahrts- und Ankunftszeiten gefunden werden, besonders im dichten Pendlerverkehr der Städte am Morgen ist das oft schwierig.

Die ÖBB plant die Verbindungen so, dass die Züge spätestens nach vier Tagen wieder in Wien sind. Dort ist die zentrale Instandhaltung angesiedelt, derzeit werden nicht weit vom Hauptbahnhof neue spezielle Wartungshallen für die bestellten Nightjets fertiggestellt.

So führt ein Umlauf zum Beispiel in der ersten Nacht von Wien nach Zürich, dann nach Hamburg, in der dritten Nacht zurück in die Schweiz und am Ende wieder nach Wien. Weiteres Beispiel: Wien-Rom, Rom-München, München-Rom, Rom-Wien. „Es würde sich nicht lohnen, für wenige Nachtzüge in anderen Städten weitere Wartungswerke aufzumachen“, erläutert ÖBB-Sprecher Rieder. Um die Hotels auf Rädern schnell wieder für die nächste Tour herzurichten, ist viel Erfahrung und gute Organisation nötig.

6. Strategische Planung

Nachtzugverbindungen erfolgreich zu machen, ist schwierig angesichts der Konkurrenz durch Billigflieger und Hochgeschwindigkeitszüge, die Städte in wenigen Stunden verbinden. Die EU-Kommission wünscht sich zehn neue Linien, dazu sollen Länder und Bahnunternehmen kooperieren. Die ÖBB will schon bald Nachtzüge zwischen Berlin und Paris sowie Brüssel fahren lassen. Die Gespräche mit der DB und der belgischen Staatsbahn laufen, der genaue Start ist noch offen.

Zusammen mit den Nightjets nach Wien und Zürich wird dann die Spree-Metropole vier ÖBB-Nachtverbindungen haben. Auch Ziele in Skandinavien wären machbar, sagt ÖBB-SprecherRieder, doch der private Anbieter Snälltaget sowie die schwedische Staatsbahn SJ fahren bereits ab Berlin nach Stockholm.

Für die strategische Planung ist auch die Fertigstellung großer Infrastrukturprojekte wichtig. So soll bis 2029 der Brenner-Basistunnel die Bahnverbindungen durch die Alpen gen Süden beschleunigen. Dann könnte die bestehende Verbindung zwischen Rom und München, wo ab Sommer die neuen Nightjets mit Tempo 230 fahren werden, über die schnelle ICE-Piste bis Erfurt und Berlin verlängert werden.

Auch gen Westeuropa bis nach Spanien sind schnelle Nachtzugverbindungen möglich. Zum Beispiel wäre Barcelona schon jetzt ab Zürich, Stuttgart oder Frankfurt in einer längeren Fahrt erreichbar. Doch Frankreich sperrt bisher seine Hochgeschwindigkeitsstrecken in der Nacht komplett und es ist zudem ein mühsamer Prozess, bis internationale Züge für die unterschiedliche Infrastruktur anderer Länder zugelassen sind.