Die deutsche Reisebranche will auf mehr Nachhaltigkeit setzen und unterzeichnet nun den bereits vor dreizehn Jahren verabschiedeten Ethikkodex der Vereinten Nationen. Die Bundesregierung begrüßt diesen Schritt.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Budya - Zersiedelte Küsten und Landschaften, verdrängte Kulturen und Bewohner, Umweltbelastungen durch Hotelbauten, Straßen und Ferienflieger – Massentourismus kann Wohlstand und Fortschritt bringen, hat aber Schattenseiten. Die deutsche Reisebranche hat sich seit Jahrzehnten mehr Umwelt- und Klimaschutz werbewirksam auf die Fahnen geschrieben. Doch Kritiker vermissen ein echtes Umdenken und Umsteuern.

 

Michael Evertz ist Umweltschützer aus Überzeugung. Der Unternehmensberater für nachhaltiges Wirtschaften aus dem bayerischen Starnberg lässt seinen engagierten Worten gerne Taten folgen. Zur aktuellen Jahrestagung des Deutschen Reiseverbands (DRV) im rund 1450 Kilometer entfernten Montenegro fuhr Evertz besonders klimaschonend – mit dem Rad.

Viele Lippenbekenntnisse

„Elf Tage war ich unterwegs“, erzählt der durchtrainierte Sportler, „die beiden geplanten Ruhetage musste ich wegen des ständigen Auf und Ab entlang der kroatischen Küste leider streichen, sonst wäre ich zu spät gekommen“. Die DRV-Tagung war ihm wichtig, denn das diesjährige Motto liegt ihm am Herzen: „Starker Tourismus durch Nachhaltigkeit“. Nach den ersten Vorträge allerdings ist Evertz enttäuscht: „Wir hören viele Lippenbekenntnisse zur Nachhaltigkeit – doch es fehlt der Branche noch immer an Überzeugung und Taten.“

Immerhin weht mit dem DRV-Präsidenten Jürgen Büchy erkennbar frischer Wind durch die Branche. Zumindest an klaren Worten lässt es der frühere Bahn-Vertriebschef nicht fehlen: „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Tourismusbranche eine Vorreiterrolle in Sachen Nachhaltigkeit spielen muss“, erklärte Büchy gleich zum Auftakt vor den versammelten Konzernvorständen. Die Branche müsse kämpfen für den Erhalt der Natur und Kulturen, die man durch die eigenen Geschäfte gefährde. Alles andere, so der DRV-Chef, „wäre Politik der verbrannten Erde“.

Als Zeichen für verantwortungsbewussten und nachhaltigen Tourismus sieht der Verband die nun auf der Tagung vollbrachte Unterzeichnung des Ethikkodexes der Vereinten Nationen. Der Kodex wurde schon 1999 von der Welttourismusorganisation UNWTO verabschiedet und geht auf die Manila-Erklärung zurück, in der sich Regierungen und Reiseindustrie verpflichteten, die sozialen Auswirkungen des globalen Tourismus mehr zu beachten. Der Ethikkodex besteht aus zehn Grundsätzen zum respektvollen Umgang mit den Menschen in den Gastländern und deren Natur- und Kulturerbe. Die Bundesregierung begrüßt die Unterzeichnung.

Seit Jahren debattiert

Über Umweltschutz und soziale Verantwortung wird in der deutschen Tourismusbranche schon seit Jahrzehnten debattiert. Seit 1987 verleiht der DRV bereits die Eco-Trophea, einen Preis für nachhaltige Projekte. Ausgezeichnet wurden zum Beispiel ein Projekt zur rücksichtsvollen Walbeobachtung, zur Wiederansiedlung von Korallen in einem Tauchgebiet sowie ein Ökohotel in einer Wüstenoase. In diesem Jahr geht der Preis ins chilenische Bioreservat Huilo Huilo, wo der Tourismus Arbeitsplätze und Bildung fördert und damit auch der Landflucht entgegenwirkt.

Wie sich Umweltschutz im Tourismus umsetzen lässt, konnten die Teilnehmer der Tagung gleich vor Ort studieren. In Montenegro, dem seit 2006 unabhängigen Balkanstaat, haben Naturschutz und nachhaltige Entwicklung sogar Verfassungsrang. Das kleine Land an der Adriaküste besitzt gleich fünf Nationalparks und ein 6000 Kilometer langes Rad- und Wandernetz. Umweltgesetze, ein Masterplan für den Tourismus bis 2020 und eine Strategie zur nachhaltigen Entwicklung sollen das Land vor den schlimmen Auswüchsen des Massentourismus bewahren.

Ob die hehren Ziele angesichts steigender Gästezahlen auch aus Deutschland erreicht werden, wird man sehen. Schon jetzt hängt ein Fünftel der Arbeitsplätze sowie der Staatseinnahmen am Tourismus, Tendenz steigend. Die Versuchung ist daher groß, diese wichtige Einnahmequelle auf Kosten der begrenzten natürlichen Ressourcen auszubauen. Michael Evertz hofft, dass das nicht geschieht. Seine Radreise zur Tagung versteht der Nachhaltigkeitsexperte auch als „kleinen Beitrag, die Menschen und vor allem die Manager in der Tourismusbranche zum Umdenken zu bringen“. Zum Nachdenken hat der Berater selbst wieder viel Zeit. Auch die Rückreise nach Bayern wird er mit dem Rad antreten.