Spaßvögel haben auf einem Felsstift im Hotzenwald einen Hirsch aufgestellt. Er soll Touristen anlocken. Doch er muss weg, die Umweltschutzbehörde hat den Abbau der Figur verfügt. Doch schon ist das nächste Rotwild auf dem Sprung, und das wird riesig.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Wehr - Wenn der Wehrer Bürgermeister Michael Thater an den Hirsch vom Wehratal denkt, dann könnte er selbst zum Hirsch werden. Erhaben und weithin sichtbar thront das lebensgroße Kunststofftier auf einem prägnanten Felsstift an der Landesstraße nach Todtmoos (Kreis Waldshut) und blickt den Hotzenwald hinunter. Ein wunderbarer touristischer Werbeträger sei das, findet Thater. Und eigentlich habe das gute Tier doch niemanden gestört, seit es zum vergangenen Osterfest plötzlich auf dem Felsen aufgetaucht sei, der in vielen Wanderkarten tatsächlich als Hirschsprung verzeichnet ist. Trotzdem muss das Plastikvieh nun weg. Das hat das Regierungspräsidium in Freiburg mitgeteilt. Man „sehe keine Möglichkeit, eine dauerhafte Genehmigung an seinem jetzigen Standort zu erteilen“.

 

Behörde will kein Spielverderber sein

Leicht hat es sich die Freiburger Behörde nicht gemacht. Sogar die Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer (Grüne) soll in den heiklen Fall involviert gewesen sein. Schließlich hatten sich neben Thater auch viele Gemeinderäte und zahlreiche Leserbriefschreiber für den kapitalen Plastik-Zwölfender stark gemacht. Entsprechend wortreich formulierte die Behörde ihre Abschussverfügung: Bei allem Verständnis für den „Wunsch, Tourismuswerbung auf unkonventionelle Art zu ermöglichen und einen optischen Blickfang für die Autofahrer zu schaffen“, bleibe es dabei, dass die 30 Meter hohe Felsnadel gleich unter dreifachem Schutz stehe: als Bannwald, als FFH-Gebiet und als Vogelschutzrevier.

Der Fall ist so eindeutig, dass es erstaunlich ist, dass die Behörde für ihren Bescheid neun Monate brauchte. Man habe gehofft, dass über die ganze Sache ein wenig Gras wachse, verrät Thater die Hintergründe. Niemand spricht über den Eindringling in das EU-geschützte Felsbiotop, dafür legt die Naturschutzbehörde die Hirsch-Akte in ihrem Stapel ganz nach unten. Doch das habe nicht geklappt. Schließlich ist Wehr ein heiß umkämpfter Medienmarkt. In der 13 000-Einwohner-Stadt kämpfen zwei Zeitungen um die Vorherrschaft, gleichzeitig ist die Zahl der kommunalpolitischen Aufreger überschaubar. Kurz und gut: „Eine Redaktion hielt sich zurück, die andere rief alle zwei Wochen in Freiburg an“, schimpft Thater. Da habe das Regierungspräsidium wohl handeln müssen.

Wer zahlt für den Abbau?

Dort hat man nun das Problem, dass der Abbau des gut verschraubten Plastikhirschs zum einen erneut Schäden verursachen dürfte, zum anderen niemandem in Rechnung gestellt werden kann. Obwohl Thater im ersten Überschwang den anonymen Lieferanten bereits die Ehrenbürgerwürde seiner Stadt angetragen hat, meldete sich niemand. Klar ist nur, dass es der Osterhase wohl nicht war. „Da waren Profis am Werk“, erklärte der Revierförster Johannes Behringer, als er im April mit Kletterwerkzeug den Aufstieg gewagt hatte.

Verständnis findet das Regierungspräsidium übrigens beim Forstamtschef des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald. Es gehe beim Biotopschutz ums Prinzip, sagt Karl-Ludwig Gerecke. Nebenbei bleibt sein Hirsch, der seit mehr als 100 Jahren im Höllental vom dortigen Hirschsprungfelsen auf die Autokolonne der Bundesstraße 31 blickt, ein Unikat.

Der nächste Hirsch ist auf dem Sprung

Sicher ist das aber nicht. Denn im Wehrer Nachbarort Todtmoos plant eine Bürgerinitiative Großes: Ein riesiger Stahl-Hirsch, der vom Huf bis zur Geweihspitze zwölf Meter misst, soll dort demnächst für die örtlichen Wanderwege werben. „Der Hirsch stehe für „Zukunft, Kraft und Beständigkeit“, sagt Christian Zumkeller vom örtlichen Gewerbeverein. Dass der Hirsch im Landeswappen für Württemberg steht und eigentlich der Greif die Badener repräsentiert, scheint im Südbadischen offenbar niemanden zu stören.

Das Projekt sei durchfinanziert, der offizielle Bauantrag schon gestellt. Und obwohl es sich in diesem Fall nicht um ein dreifach geschütztes Gelände handelt, wäre auch eine längere Bearbeitungsphase kein Problem. „Todtmoos 2030“ heißt das Projekt, zu dem auch der Bau einer Hängebrücke gehört. Derweil stellt das Regierungspräsidium klar, dass es sehr wohl ein Herz für Hirsche habe. Die Wehrer könnten ihr Tier doch gerne an einem weniger kritischen Standort aufstellen. Das sei „ein guter Kompromiss“, findet auch Bürgermeister Thater, wenn auch ein komischer. „Ein Hirsch gehört doch auf den Hirschsprungfelsen und nicht auf den Kaiserfelsen oder auf den Wilden Stein.“