Umweltthemen haben der Landtagswahl eine große Rolle gespielt. Doch wie umweltbewusst ist Stuttgart wirklich? Die StZ hat nachgeforscht.    

Stuttgart - Morgens wacht zuerst die Kaffeemaschine auf. Sie wird pünktlich von der Zeitschaltuhr geweckt, während die Grambergs in Weilimdorf noch schlafen. Jetzt im Frühjahr, wenn die Heizung ausgeschaltet bleibt, verbraucht die Kaffeemaschine den ersten Strom am Tag im Haushalt der Familie. Der Zähler läuft, und in den nächsten 24 Stunden kommt noch einiges hinzu auf das ökologische Konto von Corinna und Kurt Gramberg und ihren drei Kindern. Jeden Tag treffen die Grambergs Dutzende von Entscheidungen, die ihre persönliche Umweltbilanz beeinflussen: im Supermarkt, bei der Fahrt zur Arbeit, bei der Frage, ob sie ihre Wäsche in den Trockner werfen oder im Garten aufhängen, und abends, wenn sie darüber nachdenken, wo sie ihren nächsten Urlaub verbringen.

 

Bei den Landtagswahlen sind die Grünen in Stuttgart die stärkste Partei geworden. In Teilen der Innenstadt erzielten sie mehr als 40 Prozent. Umweltthemen haben bei der Wahl eine wichtige Rolle gespielt. Die Stuttgarter Zeitung stellt die Frage: „Wie Grün ist Stuttgart wirklich?“ Dabei werfen wir einen Blick in die Biogasforschungsanlage der Uni Hohenheim, bilanzieren den Naturschutz in der Stadt und stellen Verkehrskonzepte der Zukunft vor.

Zum Auftakt steht ein Hausbesuch in Weilimdorf an. Vor drei Jahren ist die fünfköpfige Familie an den Stadtrand in eine Siedlung ins Grüne gezogen. Draußen ranken Brombeerhecken, vor den Hauseingängen stehen Kinderfahrräder. „Wir haben früher im Westen gewohnt, in einem Altbau im fünften Stock“, erzählt Corinna Gramberg. „Eigentlich konnte ich mir nicht vorstellen wegzuziehen“. Doch dann kam Emil (heute 7Jahre alt) auf die Welt. Es folgten Oscar (5) und schließlich die inzwischen anderthalb Jahre alte Pauline.

Den Grambergs wurde schnell klar, dass die Wohnung im Westen zu klein war. Sie zogen nach Feuerbach und dann nach Weilimdorf. Ähnliche Entscheidungen treffen viele junge Familien, weil vergleichbare Immobilien in der Innenstadt kaum bezahlbar sind. Corinna Gramberg sitzt am Wohnzimmertisch, erzählt von ihrem Alltag und klickt sich währenddessen am Laptop durch einen Test, der einen Anhaltspunkt geben soll, wie umweltbewusst sie lebt.

In den neunziger Jahren entwickelten die kanadischen Wissenschaftler William Rees und Mathis Wackernagel ein Berechnungsmodell für den „ökologischen Fußabdruck“ jedes Menschen. Testpersonen müssen zahlreiche Fragen beantworten: wo und wie viel sie einkaufen, ob sie öfter mit dem Auto oder zu Fuß unterwegs sind, wie groß ihre Wohnung ist und wie sie ihre Elektrogeräte nutzen. Am Ende berechnet das Modell, wie viel Natur der Mensch aufgrund seines Lebensstils verbraucht.

Wohnen und Energie: Die Bilanz für die Grambergs fällt günstig aus. Die Familie nutzt zu fünft eine Fläche von hundert Quadratmetern. Das Haus ist gut isoliert, die Familie heizt nicht übermäßig. „Im Winter haben wir 21 Grad, das ist die Wohlfühltemperatur für die Kinder“, sagt Corinna Gramberg. Seit einem Jahr bezieht die Familie Ökostrom. Ihr Gesamtverbrauch liegt im Jahr bei rund 3000 Kilowattstunden.

Jeden Tag findet ein innerer Kampf zwischen dem Gewissen und den Gewohnheiten statt: Energiesparlampen? „Benutzen wir zum Teil, aber das Licht finden wir ungemütlich“, erzählt Corinna Gramberg. Werden die Geräte nach dem Gebrauch vollständig ausgeschaltet? „So oft wie möglich.“ Wie häufig läuft eigentlich die Waschmaschine? „Bestimmt fünfmal die Woche.“ Überall lauern die Stromfresser.

Konsum: Die Architektin will den Test möglichst ehrlich ausfüllen: Also gibt es Punktabzüge, weil sie öfter neue Kleidung kauft. „Aber die Kinder bekommen auch viel von Freunden oder vom Secondhandbasar.“ Das wiederum bringt Pluspunkte ein, genauso wie der geringe Müllverbrauch, „obwohl die Kleine täglich vier Windeln braucht“. Die volle Punktzahl gibt es für die vorbildliche Mülltrennung.

Ernährung: Bio ist chic, das haben längst auch die Supermarktketten erkannt, die immer mehr Bioprodukte anbieten. Die Grambergs bestellen regelmäßig beim Bauern– der bringt der Familie eine Kiste mit Obst und Gemüse vorbei. Beim Essen stimmt die Umweltbilanz, wenn die Verbraucher viel Frisches kaufen, viel aus der Region und selten Fleisch auf dem Einkaufszettel steht. „Wir kaufen aber auch Ananas und Orangen“, sagt Corinna Gramberg. Dadurch vergrößert sich der ökologische Fußabdruck, weil die Lebensmittel mit dem Lastwagen oder dem Flugzeug gebracht werden.

Mobilität: Bei ihren Reisen haben sich die Grambergs im vergangenen Jahr nur kleinere Umweltsünden geleistet. Sie waren zu fünft mit dem Auto in Korsika, für sich selbst trägt Corinna Gramberg null Flugkilometer in den Online-Fragebogen ein. Im Alltag sieht die Bilanz durchwachsener aus. Ihr alter Volvo schluckte im Schnitt 13 Liter pro 100 Kilometer. In der Woche fährt sie rund 150 Kilometer mit dem Auto – zur Arbeit, zur Oma, die manchmal auf die Kleinen aufpasst und zum Großeinkauf in den Supermarkt. Weil die Grambergs am Stadtrand wohnen, sind die Wege in die City länger. Die Umweltbilanz ihres Mannes würde deutlich schlechter aussehen: Kurt Gramberg fliegt als Messebauer öfter. Eben war er in Hannover, am nächsten Wochenende geht es nach Mailand.

Bilanz: Corinna Gramberg hat den Ökotest beendet. Mit ihrem Lebensstil verbraucht sie 3,76 Hektar Land. Zum Vergleich: der Durchschnitt in Deutschland liegt bei 5,1 Hektar. Ihre Umweltbilanz kann sich also sehen lassen. Und dennoch – wenn jeder Mensch weltweit so viele Ressourcen verbrauchen würde wie sie, müsste der Planet doppelt so groß sein.

Umweltfreundlich

Ernährung: Wer Bionahrungsmittel kauft, lebt gesünder – es kommen keine Pestizide zum Einsatz, Tiere werden artgerecht gehalten, der Ökolandbau kommt ohne Gentechnik aus.

Mobilität: Die Bahn hat eine vergleichsweise gute Umweltbilanz. Sie nutzt Energie besser als das Auto und trägt wenig zum CO2-Ausstoß bei. Wer mit der Stadtbahn fährt, steht nicht im Stau, schont seine Nerven und muss keine Parkplätze suchen.

Wohnen: Häuser mit einer guten Wärmedämmung können bis zu einem Viertel der Heizkosten einsparen. Wer seine Elektrogeräte nicht auf Stand-by stellt, sondern ganz ausschaltet, kann seine Stromkosten um rund zehn Prozent senken. Ökostrom wird aus erneuerbaren Energien gewonnen.

Umweltbelastend

Ernährung: Viele Supermärkte bieten Erdbeeren das ganze Jahr über an. Dies folgt nur der Nachfrage von Verbrauchern. Tatsächlich reist manches Obst über den Atlantik bis nach Deutschland. Die CO2-Bilanz fällt entsprechend schlecht aus.

Mobilität: Flugreisen verschlechtern die persönliche Umweltbilanz enorm. Ihr Kerosinverbrauch trägt erheblich zum Treibhauseffekt bei. Weltweit ist jedoch das Auto der größte Klimaschädling. Rund ein Drittel des freigesetzten CO2 kommt aus dem Auspuff.

Wohnen: In vielen Haushalten ist die Temperatur des Kühlschranks zu niedrig eingestellt. Heizungen, die nicht regelmäßig gewartet sind, verschwenden in vielen Häusern unnötig viel Energie.

Weitere Informationen

Online-Test: Und wie sieht Ihre eigene Umweltbilanz aus? Der persönliche Check zum ökologischen Fußabdruck findet sich im Internet in einigen Varianten. Unter anderem hier: www. footprint-deutschland.de. Es gibt auch Kritik an der wissenschaftlichen Aussagekraft des Tests – er berücksichtigt beispielsweise nicht das Automodell und dessen Spritverbrauch. Dennoch liefert er aufschlussreiche Ergebnisse und Anregungen, den eigenen Lebensstil zu überdenken.

Umweltberatung: Das Amt für Umweltschutz der Stadt Stuttgart gibt Informationen zum umweltfreundlichen Bauen, zu Einsparmöglichkeiten beim Wasser und der Energie sowie Tipps bei vielen weiteren Themenbereichen. Die Umweltberatung ist unter der Rufnummer 0711/21688600 zu erreichen und unter www.stuttgart.de/umweltberatung.