Importiertes Obst, Plastiktüten und Dieselautos: Klingt alles enorm umweltschädlich – die vermeintlichen Alternativen sind es aber manchmal umso mehr.

Stuttgart - Klimaschutz wird in unserer Gesellschaft immer wichtiger. Denn der menschengemachte Klimawandel ist wissenschaftlicher Konsens. Auch, dass eine Erderwärmung um zwei Grad Celsius unumkehrbare, nicht vorhersehbare Folgen haben wird. Daher ist im Pariser Klima-Abkommen, dem beinahe alle Staaten der Welt zugestimmt haben, das Ziel definiert, möglichst unter diesem Grenzwert bleiben zu wollen.

 

Selbst 1,5 Grad werden sich aller Voraussicht nach schon spürbar auswirken, wie der Weltklimarat in einem Bericht von 2018 betont. Diese haben wir beim heutigen, weltweiten CO2-Ausstoß von 1331 Tonnen pro Sekunde bereits in achteinhalb Jahren erreicht, wie das Berliner Forschungsinstitut „Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change“ im Oktober 2018 errechnet hat.

Doch seine eigene Umweltbilanz zu verbessern ist nicht immer so leicht, wie es auf den ersten Blick scheint.

Elektroautos vs. Verbrenner

Ein Elektroauto ist nur unter bestimmten Voraussetzungen klimafreundlicher als ein Auto mit einem herkömmlichen Verbrennungsmotor. Wissenschaftler des ifeu-Institutes in Heidelberg gehen davon aus, dass ein Elektroauto erst bei einer Fahrleistung von ungefähr 150.000 Kilometern eine bessere Ökobilanz vorweisen kann. Das hat vor allem zwei Gründe: Die Herstellung und den deutschen Strom-Mix.

VW gibt bei seinem e-Golf für die Produktion etwa neun Tonnen CO2-Ausstoß an, bei einem herkömmlichen Golf sind es etwa vier Tonnen. Der Unterschied entsteht fast ausschließlich bei der Batterieproduktion. Allein das sorgt schon dafür, dass der e-Golf bei klimaneutalem Strom erst ab 50.000 Kilometern umweltfreundlicher wäre.

Berücksichtigt werden muss aber zuvor, dass Strom aktuell nicht emissionsfrei produziert wird. Mit dem deutschen Strom-Mix landet der e-Golf laut VW bei 85 Gramm CO2 je gefahrenem Kilometer. Zum Vergleich: Der konventionelle Golf stößt mit Verbrennungsmotor je nach Motorisierung unter 100 Gramm pro Kilometer aus. VW gibt an, dass der e-Golf ab 125.000 Kilometern eine bessere Umweltbilanz vorweist.

Plastiktüte oder Papiertasche?

Keine der Varianten ist umweltschonend, zumindest nicht bei einmaliger Verwendung. Für die Zersetzung benötigt eine Plastiktüte laut der Deutschen Umwelthilfe 20 Jahre und ist danach noch immer nicht verrottet, sondern nur in kleinste Partikel zerfallen. Papiertaschen sind laut NABU aufgrund eines aufwendigen Herstellungsprozesses, um sie reißfest zu machen, erst bei mindestens dreifacher Verwendung ökologisch besser. Dafür verrotten sie aber deutlich leichter. Auch die bräunliche Farbe kann täuschen: Oft handelt es sich nur um ungebleichtes, nicht um Recyclingmaterial. Bei Nässe kann die Ökobilanz dahin sein.

Die ökologischste Variante ist daher, mehrfach verwendbare Beutel zum Einkaufen mitzunehmen. Beutel aus Baumwolle oder Jute haben bei der Rohstoffgewinnung allerdings einen hohen Wasserverbrauch und es droht eine Bodenübersäuerung in den Anbaugebieten. Daher sind sie laut einer Analyse des britischen Umweltministeriums erst bei 131-facher Wiederverwendung besser als ein wiederverwendbarer Plastikbeutel. Alternativ weisen auch Polyestertaschen aufgrund ihrer Stabilität eine gute Ökobilanz auf.

Regionale Produkte

Die Apfelsaison in Deutschland läuft bis Ende November, dennoch gibt es auch im April noch regionale Äpfel zu kaufen. Spezielle Lagerung bei kühlen Temperaturen und CO2-reicher Luft machen das möglich. Das führt allerdings auch dazu, dass importiertes Obst in solchen Fällen laut dem Umweltbundesamt teilweise eine bessere Ökobilanz aufweist als Obst aus der Region.

Auf Nummer sicher gehen Verbraucher, wenn sie Obst und Gemüse nur kaufen, wenn sie regional auch Saison haben. Das spart aufwendige Lagerung und lange Transportwege.

Plastik, Glas oder Hahn

Leitungswasser aus dem Hahn hat im Vergleich zu Wasser aus der Flasche eine deutlich bessere Umweltbilanz. Denn Flaschenproduktion, -abfüllung und -transport fallen vollständig weg. Das Schweizer Forschungsinstitut ESU-Services hat berechnet, dass Wasser aus der Flasche je nach Material und Transportwegen zwischen 250 bis 750 Mal mehr Energie benötigt als dieselbe Menge aus dem Wasserhahn.

Zwischen den Flaschentypen sind die Unterschiede deutlich geringer. Insgesamt lässt sich sagen, dass Glas nur bei kurzen Lieferwegen und einem Mehrwegsystem eine bessere Ökobilanz vorweist, wie das Umweltbundesamt betont.

CO2: Kompensation und Zertifikate

Wir alle haben wohl schon einmal angeboten bekommen, unsere CO2-Emissionen zu kompensieren. Flixbus macht das, einige Fluggesellschaften ebenfalls, auf den Seiten einiger Anbieter kann auch eine festzulegende Menge CO2 kompensiert werden.

Die Anbieter wie atmosfair und myclimate setzen sich dafür ein, dass langfristig gesehen weniger CO2 ausgestoßen wird. So ersetzen sie beispielsweise offene Feuerstellen in Afrika durch effizientere Solarkocher. Daher verringert eine Kompensation zukünftige Emissionen. Dennoch ändert dies nichts an der Tatsache, dass beispielsweise bei einem Flug CO2 freigesetzt wird, welches möglicherweise beim Umstieg auf andere Verkehrsmittel eingespart werden kann.

Begrenzte Zertifikate

Auch die CO2-Zertifikate der EU sind aktuell, beispielsweise laut dem WWF, beinahe wirkungslos.

In der Theorie kaufen sich Unternehmen, die viel Treibhausgase ausstoßen, CO2-Zertifikate anderer Firmen, die weniger Treibhausgase ausstoßen als sie dürfen. Die Zahl dieser Zertifikate ist begrenzt.

Bei Kosten von aktuell knapp 24 Euro laut einschlägigen Anlageportalen für den Ausstoß einer Tonne CO2 bestehe für die Unternehmen nur ein geringer Anreiz, vergleichsweise viel Geld in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren. Die tatsächlichen Kosten für den Ausstoß einer Tonne des Treibhausgases werden von der OECD auf 30 bis 100 Euro geschätzt. Empfohlen wird daher, die Zahl der gültigen Zertifikate drastisch zu reduzieren. Das würde das Angebot bei gleichbleibender Nachfrage verknappen, zu höheren Kosten für Umweltsünder führen – und möglicherweise damit ein wirtschaftliches Umdenken auslösen.

Fazit

Verbraucher müssen genau hinschauen, wenn ihnen Umweltschutz wichtig ist. Viele augenscheinlich umweltfreundliche Alternativen entpuppen sich bei näherem Hinsehen als das größere Übel. Das muss niemanden abschrecken, der die eigene Ökobilanz möglichst klein halten möchte. Denn wir haben nach aktuellem Forschungsstand keinen Alternativplaneten. Aber es zeigt, dass es mit dem simplen Griff zur Papier- statt Plastiktüte noch nicht getan ist.