Der Gemeinderat sieht sich im Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und dem Schutz vor gesundheitsschädlichem Staub.

Stuttgart - Die Feinstaubwerte am Neckartor sind nach einem Rückgang am Dienstag (116 Mikrogramm) am Mittwoch wieder angestiegen. Die Daten – der EU-Tagesmittel-Grenzwert liegt bei 50 Mikrogramm – haben am Mittwoch im Verwaltungsausschuss des Gemeinderates einen Streit um die richtige Heizung für den Neubau der Eichendorffschule in Bad Cannstatt befeuert.

 

Die Debatte zeigte einen klassischen Zielkonflikt, nämlich den, ob die Stadt ihre Klimaschutzziele, die eine Abkehr von der Öl- und Gasverbrennung bedeuten, aufweichen soll, um die auch angestrebte Reduzierung der Feinstaubwerte schneller zu erreichen.

Umweltamt favorisiert Pellets

Ursprünglich, erinnerte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz, sei für den 33 Millionen Euro teuren Schulneubau samt Turnhalle und saniertem Fachklassenbau am Ebitzweg nur Erdgas als Brennstoff vorgesehen gewesen. Der soll nun noch die Spitzenlast abdecken. Mit 19,2 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter Schule (der Neubau umfasst 5300 Quadratmeter) ist sie geringer als das, was der Pelletkessel bringen soll: 25,1 Kilowattstunden auf gleicher Fläche.

Das Umweltamt der Stadt favorisiert in Sachen Klimaschutz die Pelletheizung. Die gepressten Holzreste setzen bei der Verbrennung so viel Kohlendioxid frei, wie der Baum zuvor aus der Atmosphäre gebunden hat. Der nachwachsende Rohstoff werde außerdem, sagt Jürgen Görres, der Leiter der Abteilung Energiewirtschaft im Umweltamt, nur in Baden-Württemberg eingekauft, aktuell im Bodenseeraum, das Gas aber strömt von weither. Die Schule bekommt Solarzellen zur Stromerzeugung aufs Dach und wenig stromfressende LED-Leuchten.

Zusammenseztung des Staubs wichtig

Wie aber verhält es sich mit dem Feinstaub? „Um welchen Faktor höher liegt die Feinstaubbelastung im Vergleich zum Gas-Brennwertkessel?“, fragte Kotz. Wegen der Nähe zum Hotspot Neckartor wollt er den Staub höher gewichtet sehen als das Thema Energiewende. Kotz: „Die Schule ist mir da einfach zu nahe dran.“

Die Gegenrede kam von den Grünen. Auch die Zusammensetzung des Staubes sei wichtig. Der aus der Pelletverbrennung sei „nicht so schädlich wie zum Beispiel Dieselverbrennung, wo der Staub toxisch ist“. Heizöl allerdings soll in der Eichendorffschule nicht verfeuert werden.

Auch Hannes Rockenbauch, Fraktionssprecher von SÖS/Linke-plus, warb für Holz: „Der Klimawandel ist eine Herausforderung, wir sollten ihn nicht ausspielen.“ Und nicht nur beim Schulhaus-, auch beim Straßenneubau sollte die Feinstaubentwicklung geprüft werden, so Rockenbauch.

Stadt soll Filter prüfen

Der von Kotz erfragte Faktor, so Görres, liege bei 1000, denn die Gasverbrennung bringe kaum Staub. Der Faktor 1000 beziehe sich auf den gesamten Staubausstoß. Wie groß daran der Anteil feinster Partikel sei, dem müsse er noch nachgehen. Prüfen soll er im Auftrag der Stadträte auch, ob die Pelletheizung durch zusätzliche Filter sauberer werden könnte. Die Heizung ist in der Anschaffung 85 000 Euro teurer als ein weiterer Gaskessel. Die Differenz soll dank günstigerer Brennstoffpreise in 20 Jahren aufgeholt sein. Die Pelletheizung werde natürlich alle gesetzlichen Anforderungen einhalten, so Görres.

Die Christdemokraten stellen das komplette Umschwenken auf Erdgas zur Abstimmung, fanden aber nur mit der AfD nicht die nötige Mehrheit. Der Schulbau soll im März begonnen und in zwei Bauabschnitten im September 2020 fertig werden. Etwa bis dahin wollte die Stadt auch die EU-Grenzwerte einhalten. Angesichts anhängiger Klagen soll es aber nun schneller gehen. Der aktuelle Feinstaubalarm gilt bis mindestens Samstag. Bis dahin könnte mit 18 Überschreitungstagen in diesem Jahr bereits die Hälfte des jährlich Zulässigen erreicht sein.