Die Bioabfälle aus dem Haushalt werden üblicherweise mit viel Wasser in eine Kläranlage transportiert. In einem Projekt von Stuttgarter Fraunhofer-Forschern werden sie hingegen direkt in eine Biogasanlage geleitet. Das spart Wasser und erzeugt Energie.

Stuttgart - Sauberes Wasser ist lebenswichtig und kostbar. Weltweit haben zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser oder einer sanitären Grundversorgung. Industrienationen spülen seit mehr als 100 Jahren ihre Fäkalien zu zentralen Kläranlagen und benutzen dabei das kostbare Gut als Transportmittel. Das Prinzip erfordert große Kläranlagen, teure Klärverfahren und viel Wasser. Denn wird die Kanalisation nicht ausreichend gespült, bleiben die stinkenden Reste liegen und faulen. Dann bildet sich Schwefelsäure, die die Rohre angreift. Deshalb durchspülen Wasserbetriebe die Kanäle mit großen Wassermengen. Die Kosten trägt der Verbraucher.

 

Würden Kommunen die stinkende Biomasse hingegen nutzen, könnte Wasser gespart und Energie gewonnen werden. Aus den größten Verbrauchern – die Abwasserentsorgung macht bis zu 20 Prozent des gesamten Elektrizitätsverbrauchs einer Gemeinde aus – würden Energielieferanten werden. „Um Biogas effizient aus Abwasser herzustellen, müsste eine neue Abwasser-Infrastruktur her“, sagt Marius Mohr vom Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB). Im idyllischen Örtchen Knittlingen in der Nähe von Pforzheim erforscht das Institut seit 2006 eine neue Art der Abwasserreinigung. In einem Neubaugebiet der 8000-Seelen-Gemeinde wandelt eine Demonstrationsanlage organische Bestandteile erfolgreich in Wertstoffe um, es entstehen Biogas, Dünger und geklärtes Wasser.

„Regenwasser und Schmutzwasser sind getrennt, denn verdünntes Abwasser ist unbrauchbar für die Biogaserzeugung“, erklärt Mohr. Das Konzept sieht vor, dass das sehr weiche Regenwasser aufbereitet wird und durch ein separates Versorgungsnetz zurück in die Haushalte fließt, wo es zum Duschen und in der Wasch- und Geschirrspülmaschine genutzt wird. Das gewonnene Biogas hingegen produziert Wärme und im Idealfall auch Strom. Der Weg vom Verbraucher zum Klärwerk ist kurz, und weil die Wärme dort verbraucht wird, wo sie entsteht, gibt es weniger Transportverluste. Die Anlage ist so konzipiert, dass kaum Klärschlamm anfällt. Übrig bleibt das gereinigte Abwasser, das den Qualitätsanforderungen an Badegewässer entspricht.

Das Projekt macht nun Schule

Zur Energiegewinnung werden die Abwässer aus den Haushalten über eine Spezialkanalisation gesammelt: „Jeder Toilettengang wird per Unterdruck abgesaugt“, erklärt Mohr. Dafür benötigt das Vakuum-WC etwa ein Fünftel der Wassermenge, die durch herkömmliche Toiletten fließt. Gemeinsam mit den biologischen Abfällen, die ein Häcksler unter der Küchenspüle zerkleinert, saugt die Vakuumpumpe alles zur Abwasseraufbereitung ins „Wasserhaus“ am Rande der Siedlung. Faulige Gerüche aus der Biotonne gehören damit der Vergangenheit an.

Die Küchenabfälle erhöhen die Gasausbeute erheblich: „Sie erzeugen bis zu 220 Kilowattstunden pro Einwohner und Jahr“, berichtet Mohr. Die Feststoffe machen nur etwa zwei Prozent des Abwasserstroms aus. Der flüssige Anteil gelangt in einen biologischen Hochleistungsreaktor. „Das Besondere ist, dass er luftdicht und unbeheizt ist“, sagt der Ingenieur. Dadurch würden die organischen Inhaltsstoffe zum größten Teil zu Biogas umgesetzt. Anfangs war die Suche nach den richtigen Mikroorganismen ein Problem, denn die meisten mögen es warm und luftig. Seit die Forscher im Abwasser einer Fruchtsaftanlage fündig wurden, läuft es gut.

Derzeit bewohnen 170 Anwohner das Neubaugebiet. „Das ergibt pro Tag rund 10.000 Liter Biogas mit einem Methangehalt von rund 70 Prozent“, rechnet Mohr vor. Wenn das Gebiet komplett bebaut sei, könne mit der doppelten Menge gerechnet werden. Allein aus dem Abwasser entstünden 26 Liter pro Einwohner und Tag, gemeinsam mit den Feststoffen sogar bis zu 60 Liter. „Bei der herkömmlichen Abwasserreinigung wird nur ein Ertrag von etwa 20 Litern erreicht“, erklärt der Ingenieur stolz. Mohr ist sich sicher: „Das Verfahren lohnt sich ab einer gewissen Größe“. Nachteilig sei allerdings noch, dass die Filter viel Energie benötigen. Da gäbe es durchaus noch Einsparungspotenzial.

Projekte in Namibia, China und Rumänien sind in Planung und in Hamburg ist 2011 der Startschuss für ein ähnliches Konzept gefallen. Im Neubauviertel des Stadtteils Wandsbek erhalten 700 Wohnungen Vakuumtoiletten und ein eigenes Abwassernetz. Mit Unterstützung von Solarzellen soll auf diese Weise der gesamte Wärmebedarf und die Hälfte des Strombedarfs der Siedlung gedeckt werden.