Die grüne Umweltplakette braucht jeder, der nach Stuttgart will. Auch für Touristen gelten keine Ausnahmen. Dies bedeutet besonders für ausländische Gäste einen Mehraufwand an Zeit und Geld – doch richtig teuer wird es erst, wenn der Halter sich keine Plakette beschafft.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart - Der Tipp spart ihr viel Geld: 80 Euro plus eine Verwaltungsgebühr sollte die Schweizerin eigentlich bezahlen, weil sie ihr Auto in Stuttgart geparkt hatte – und zwar ohne grüne Umweltplakette. Eine Ordnungswidrigkeit. Die freilich bei weitem nicht nur ausländische Touristen begehen – aber eben doch auch, besonders zu Zeiten des Weihnachtsmarkts. Jedenfalls kommt die Frau darum herum: Sie muss nur angeben, sie wisse nicht mehr, wer an jenem besagten Tag das Auto gefahren habe. Lediglich die Verwaltungsgebühr von etwas mehr als 20 Euro muss sie dann übernehmen.

 

Die Schweizerin, die namentlich nicht genannt werden möchte, zögert nicht lange und tut, wie ihr von einem Kenner der Verwaltungswege geraten wurde. Schließlich fühlt sie sich sowieso „ein bisschen ungerecht behandelt“. Denn von der Umweltzone in Stuttgart habe sie nichts gewusst.

Unwissenheit schütze nicht vor Strafe

Ein Argument, das Thomas Brenner, Leiter der Bußgeldstelle in Stuttgart, so nicht stehenlassen kann. Unwissenheit schütze bekanntlich vor Strafe nicht, und es gebe nun einmal viele länderspezifische Regelungen. Er hat es immer wieder mit ausländischen Touristen zu tun – wie viele allerdings ohne Plakette unterwegs sind, wird nicht separat erfasst. Diese müssten sich jedenfalls vorab informieren – und eine Umweltplakette per E-Mail oder Post beantragen. Dazu müsse man mindestens zehn Tage vor Reiseantritt eine Kopie des Kfz-Scheins an die Kfz-Zulassungs- und Führerscheinstelle Deutschland senden.

Die Schweizerin hatte sich aber nicht informiert. „Was hätte ich denn tun können, nachdem ich das Schild nun einmal erst an der Ortseinfahrt sah?“, fragt sie. „In der Schweiz haben wir zwar auch die Maut, aber die Vignette kann man an jeder Tankstelle kaufen.“ Das geht in Stuttgart tatsächlich nicht. Allerdings könne man die Plakette bei der Kfz-Zulassungsstelle oder bei den fünf technischen Prüfstellen kaufen. Brenner räumt allerdings ein, dass dies keine sonderlich touristenfreundliche Lösung sei.

Eine Alternative dazu gibt es derzeit allerdings nicht. „Die Kennzeichenverordnung schreibt vor, dass nur Verwaltungsbehörden und Werkstätten, die Abgasuntersuchungen machen, die Umweltplaketten ausgeben dürfen“, sagt Frank-Michael Eggart, Leiter der Zulassungsstelle. Schließlich müsse der, der die Plakette ausgibt, in der Lage sein zu erkennen, ob das Fahrzeug die Bestimmungen erfülle. Doch die Schweizerin argumentiert weiter: Ihr Auto sei ganz neu und genüge damit ganz klar allen Auflagen und Bestimmungen. Weshalb dann die Plakette? „Es heißt ja nun einmal Kennzeichnungsverordnung“, sagt Brenner, „da steckt ja schon drin, dass das Fahrzeug gekennzeichnet sein muss – eben durch die Plakette. Dass ein Fahrzeug theoretisch die grüne Umweltplakette bekommen würde, reicht nicht.“ Schließlich könne man nicht erwarten, dass jeder Kontrolleur am Autotyp erkenne, welche Plakette diesem zuzuordnen sei.

Das Auto muss gekennzeichnet sein

Die Schweizerin ist nicht allein mit ihrer Klage. Auch Simeon Schad, Hotelier in Stuttgart und Böblingen sowie Vorsitzender für Tourismus und Hotellerie beim hiesigen Hotel- und Gaststättenverband, weiß aktuell von zwei Fällen, bei denen Schweizer Touristen für die fehlende Plakette zur Kasse gebeten werden. „Es ist unglaublich, dass wir Touristen, die ihre Kaufkraft nach Stuttgart bringen, solch einen Aufwand und Ärger zumuten“, sagt Schad. „Wir sollten bessere Gastgeber sein.“ Das erwarte er auch von der Stadt. Viele Reisende mieteten sich etwa in der Schweiz, in Österreich oder Italien einen Mietwagen, um damit durch Europa zu fahren – und hätten dann ein Problem mit den Plaketten. „Wir sollten europäisch denken – und nicht nur bis zur Stadtgrenze“, sagt Schad.

Man kann vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen

Bleibt die Frage, ob die Schweizerin tatsächlich um die 80 Euro herum kommt, wenn sie angibt, sie wisse nicht, wer das Auto an jenem Tag fuhr – und parkte. Und wenn ja, dann warum. „Ja, das ist tatsächlich so“, bestätigt Brenner. Man könne als Fahrzeughalter, dessen Auto im ruhenden Verkehr – also beim Parken – erwischt wurde, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Das heißt, man muss keine Angaben machen, die einen selbst oder Familienangehörige belasten. „Nur Falschaussagen sind nicht erlaubt“, sagt Brenner.

Ob dieses Recht von den Bürgern ausgenutzt wird, kann Brenner nicht sagen. „Das wäre spekulativ.“ Nur so viel steht fest: In diesem Jahr konnten bis zum 2. Dezember 3297 verantwortliche Fahrzeugführer innerhalb der Verjährungsfrist nicht ermittelt werden. Deshalb wurde das Bußgeldverfahren eingestellt. Die jeweiligen Fahrzeughalter erhielten einen Kostenbescheid und mussten die Verfahrenskosten tragen.

Im Zweifel bleibt den Behörden die Möglichkeit, gegen die Halter zu ermitteln. „Das machen wir aber meist nur bei Mehrfachtätern: Wir laden die Leute vor oder befragen die Nachbarschaft“, sagt Brenner.

Insgesamt wurden bis zum 2. Dezember 23 299 Strafzettel wegen einer fehlenden oder falschen Umweltplakette verteilt, bei parkenden und bei fahrenden Autos. 5529 Bußgeldbescheide sind ergangen, das heißt, der Fahrer musste für die Ordnungswidrigkeit 80 Euro plus die Verwaltungsgebühr bezahlen. „Die übrigen 14 473 Fälle befinden sich derzeit noch in verschiedensten Verfahrensständen“, sagt Brenner. „Manche Verfahren werden eingestellt, andere sind noch in der Anhörung.“ Die Schweizerin musste übrigens tatsächlich nur die Verwaltungsgebühr bezahlen.