Die Firma Paule zieht um. In Esslingen hat das Stuttgarter Traditionsunternehmen eine neue Heimat gefunden. Allerdings freuen sich nicht alle Esslinger über den Schwerlogistiker.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Es hat schon einen besonderen Charme, wenn ein Unternehmen, das sich auf Schwerlogistik spezialisiert hat, selbst umzieht. „Zu unserer Kernkompetenz gehört das Bewegen von großen Dingen von A nach B“, sagt Rainer Schmid und lacht. „Wenn ich an den Transport eines Airbus 320 vor Kurzem aus der estnischen Hauptstadt Tallinn nach Calw denke, ist unser eigener Umzug doch eine vergleichsweise kleine Herausforderung.“

 

Nach Lachen ist dem Geschäftsführer des Stuttgarter Traditionsunternehmens Hermann Paule 2018 nicht immer zumute gewesen. Ausgerechnet im Jahr des hundertsten Firmengeburtstags ist Schmid und der zweiten Paule-Geschäftsführerin, Natalie Paule, die Kündigung für große Teile des angestammten, teilweise aber eben auch nur angemieteten Firmengeländes in Obertürkheim ins Haus geflattert. Ende des Jahres mussten die angemieteten Flächen geräumt sein. Wohin also mit der Flotte von 13 Zugmaschinen und 14 Megakränen? Ein Wettlauf mit der Zeit begann.

Seine Zukunft verdankt Paule den Wirren der Kommunalpolitik

Dass Paule ihn letztlich gewonnen hat und dass zumindest die Fahrzeuge schon einmal auf dem Gelände der neuen Heimat, dem Esslinger Delmag-Gelände im Industriegebiet Neue Neckarwiesen, stehen, verdankt das Unternehmen den Wirren der Esslinger Kommunalpolitik. Denn eigentlich sollte Esslingens ältestes Industriegebiet für Logistikunternehmen tabu sein. Das hatte der Gemeinderat vor gut einem Jahrzehnt beschlossen – und der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger hat im vergangenen Herbst wirklich alles darangesetzt, um diesen aus seiner Sicht sinnvollen Beschluss zu verteidigen.

Doch eine Mehrheit des Gemeinderats sah sich nicht mehr an diese Vorgabe gebunden – auch weil die Verwaltung ihrerseits kurz zuvor der Ansiedlung eines großen Logistikers im Stadtteil Sirnau zugestimmt hatte, ohne sich dafür die Zustimmung des Gremiums zu sichern. Nach monatelangen Verhandlungen unterzeichneten die Stadt und Paule am 17. Dezember schließlich einen städtebaulichen Vertrag, der die Zukunft Paules auf Esslinger Gemarkung sichert. Bereits einen Tag später informierte der Esslinger Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht Paule darüber, dass die Stadt einen sofortigen Umzug des Fuhrparks nach Esslingen dulden werde. Für die Firma Paule gab es im Jubiläumsjahr also noch ein Happy End. Rainer Schmid konnte aufatmen: „Esslingen war schon unser Plan B“, räumt er offen ein – eine große Lösung in Waiblingen habe sich zerschlagen. Zwar hätte es auch noch einen Plan C gegeben, aber, so Schmid, „daran möchte ich lieber gar nicht mehr denken“.

Weit mehr als ein Schwerlogistikunternehmen

So ganz verstehen kann Schmid die Aufregung um die Paule-Ansiedlung indes nicht. „Zwar sind die Großtransporte spektakulär und werden deshalb von der Öffentlichkeit besonders wahrgenommen.“ Paule sei aber weit mehr als ein reines Schwerlogistikunternehmen. Das Alleinstellungsmerkmal sei, dass Paule von der Demontage über die Verladung und den Transport bis zur Aufstellung an einem anderen Ort alle Arbeiten und Dienstleistungen aus einer Hand anbieten könne. Schmid: „Dazu braucht man viele Ingenieure und Facharbeiter. Dieses hoch qualifizierte Personal haben wir.“

Allerdings: Der Fuhrpark ist erst die Vorhut. Wann der Umzug der rund 100 Mitarbeiter folgt, kann Rainer Schmid noch nicht definitiv sagen. Zunächst sollen die Bürogebäude in den Neckarwiesen, in denen bis zur Werkschließung Ende September die Delmag-Mitarbeiter untergebracht waren, renoviert und modernisiert werden. Bis dahin bleiben die Angestellten in Stuttgart. Den Umzug wird Rainer Schmid so schnell jedoch nicht vergessen – auch wegen so mancher Überraschung: „Wir haben viele Dinge gefunden, die wir lange nicht vermisst haben“, sagt Schmid – und muss wieder schmunzeln.