Mehr heiße Tage, mehr alte Menschen - keine gute Kombination für eine gesunde Zukunft. Eine neue Studie des Umweltbundesamtes zeigt, wo der Klimawandel Deutschland besonders weh tun wird.

Berlin - Es ist verheerend heiß. Vor allem in der Stadt. Der Körper hält es kaum aus, vor allem nicht ein alter Körper. Fast 15 000 Menschen sterben, zu Hause, in Altersheimen, in Krankenhäusern. Das war 2003, in Frankreich. Doch mit mörderischen Hitzewellen muss auch Deutschland rechnen. „Da rasen zwei Züge aufeinander zu“, sagt Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdiensts - der Klimawandel und der demografische Wandel.

 

Nach den Erwartungen der Meteorologen wird es in Deutschland künftig mehr heiße Tage geben, mit 30 Grad oder mehr. „Da stößt eine belastende Situation auf eine Bevölkerung, die das nicht mehr so abkann“, sagt Becker. In Kitzingen gab es in diesem Jahr einen Temperaturrekord: 40,3 Grad. „Das ist hochbelastend. Und wenn sie 40,3 ein paar Tage hintereinander haben, dann fühlen Sie sich nicht mehr wohl.“ Dies seien Einzelheiten, aber sie gäben zusammen einen Vorgeschmack dessen, was Deutschland erwartet.

Die existenziellen Bereiche des Lebens sind in Gefahr

Der Klimawandel wird Deutschland treffen, und eine Studie, an der der Deutsche Wetterdienst (DWD) maßgeblich beteiligt war, zeigt wo und wie. Das Umweltbundesamt stellte das 690 Seiten starke Werk am vergangenen Dienstag zusammen mit dem Bundesumweltministerium und dem DWD vor - wenige Tage vor dem UN-Klimagipfel in Paris. Das wichtigste Ziel dieser Konferenz ist es, die Klimaerwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Ein guter Moment, auf die „Verletzlichkeit“ hinzuweisen - so heißt die Studie, die von der Bundesregierung in Auftrag gegeben wurde: „Vulnerabilitätsanalyse“.

Die wunden Punkte Deutschlands sind nun sichtbar. Es sind die existenziellen Bereiche des Lebens: die Gesundheit der Menschen, ihre Beweglichkeit, ihr Hab und Gut, ihre Infrastruktur und Umwelt. Mehr Hitzewellen aber gefährden die Gesundheit der Menschen - vor allem, wenn die Menschen wie in Deutschland immer älter werden. „Das Gesundheitssystem wird sich ändern müssen“, sagt Becker.

Zudem könnten sich gebietsfremde invasive Arten neu etablieren oder ausbreiten, toxische Blaualgen in Seen, Schädlinge oder Überträger von Krankheitserregern wie Mücken, Zecken oder Nager.

Warm-Klima-Gebiete werden sich vergrößern

Gerade auch spezielle Lebensräume in Deutschland sind bedroht - das Wattenmeer und das Hochgebirge. Wo soll das Wattenmeer auch hin? Es kann nicht ausweichen. „Da kann man damit rechnen, dass sich ganze Biodiversitäten verändern werden“, sagt Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamts.

Heute herrscht warmes Klima in den Ballungsgebieten im Westen und im südlichen Teil der neuen Bundesländer. Diese Warm-Klima-Gebiete werden größer werden. Wo immer mehr und besonders viele alte Menschen leben werden, sind Hitzewellen besonders gefährlich. Berlin und München, das Rhein-Ruhr- und Rhein-Main-Gebiet wären demnach stark betroffen.

Nicht nur heiß wird es werden laut Prognosen - sondern auch trocken. Zugleich werden voraussichtlich auch extremer Regen und Überflutungen zunehmen. Besonders schlimm treffen dürfte es Hamburg, Bremen und auch wieder das Rhein-Ruhr-Gebiet. Straßen und Schienen, Gebäude und Brücken seien gefährdet. Das Elbhochwasser 2013 hat das schmerzlich spüren lassen. „Wenn Schäden an Deichen auftreten, dann steigt natürlich auch die Wahrscheinlichkeit von Schäden im Hinterland“, sagt Inke Schauser vom Umweltbundesamt.

DWD: Deutschland muss handeln

Einige Folgen für Industrie und Gewerbe seien beherrschbar, auch im Tourismus, sagt Krautzberger. „Mit Ausnahme des Wintersports, da wird es in der Tat schwierig.“ Kein Schnee, kein Skihang.

Deutschland müsse den Klimawandel schon jetzt mitdenken, sagt Rita Schwarzelühr-Sutter, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium. Alle - Bund, Kommunen, Privatleute. Hellere Straßenbelege, mehr Grünanlagen könnten Städte kühler machen, präventive Bauplanung Überschwemmungen vorbeugen.

Die Bundesregierung wird Anfang kommenden Jahres mit dem Fortschrittsbericht zur sogenannten Deutschen Anpassungsstrategie gegenüber dem Klimawandel ein umfassendes Maßnahmenpaket vorlegen. Für diesen Aktionsplan ist die Verletzlichkeitsstudie die Grundlage. Diese Grundlage, sagt DWD-Vizepräsident Becker, ist Material genug für politisches Handeln. Und handeln müsse Deutschland schon jetzt.