Die Großwetterlage für einen fortschrittlichen Klimavertrag ist gut. Trotzdem wächst in Paris die Sorge, ob der Gipfel davon profitiert und ein ehrgeiziges Abkommen formuliert.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Paris - Folgt man dem neuesten Klimaindex, den der Thinktank Germanwatch und der Umwelt-Dachverband „Climate Action Network“ (CAN) gemeinsam in Paris vorgestellt haben, dann ist die Großwetterlage eigentlich gut, um gerade jetzt einen globalen Klimavertrag aus der Taufe zu heben. Christof Bals, der Politikchef von Germanwatch, der die Studie beim Gipfel in Paris präsentiert, stützt seine Hoffnungen vor allem auf zwei Trends. „Zuletzt sind die Wachstumsraten für Erneuerbare Energien geradezu explodiert. Außerdem erleben wir zum ersten Mal seit der Industrialisierung, dass die Kohle unabhängig von Konjunkturentwicklungen grundsätzlich in die Defensive gerät“, erläutert er. „Wenn sich dieses Zusammenspiel fortsetzt, dann können wir tatsächlich einen Pfad erreichen, bei dem die Emissionen auf der Welt nicht mehr steigen“.

 

Deutschland bei Klimaindex nur im Mittelfeld

Für den Klimaindex, den Germanwatch und der Öko-Dachverband CAN zum elften Mal erstellt haben, wurden 58 Länder mit den höchsten Kohlendioxid-Emissionen unter die Lupe genommen. Neueste Entwicklungen – etwa, dass das „Global Carbon Project“ 2015 erstmals mit leicht sinkenden Emissionen rechnet – wurden dabei zwar noch nicht berücksichtigt. Aber für 2013 und 14 registriert der Klimaindex nur noch gebremstes Wachstum bei den CO2-Emissionen. Zugleich wurden die Kapazitäten zur Stromerzeugung mit Erneuerbaren Energien im Jahr 2014 um 59 Prozent aufgestockt. Zum ersten Mal in der Geschichte wachse der Anteil der Ökostromproduzenten schneller als die Kohlekraft. Darin sehen die Autoren „starke Anzeichen für einen beginnenden Umbau der Energiesysteme“.

Dass Deutschland in diesem Ranking nur im Mittelfeld (Platz 22) und deutlich hinter Dänemark (3), Großbritannien (4) und Frankreich (8) gelandet ist (Platz 22) und keineswegs als Musterknabe gilt, wird die Bundesregierung schmerzen. Aber für die Welt-Klimabilanz ist entscheidender, dass China (47) und die USA (34), die beiden größten Emittenten von Klimagasen weltweit, laut CAN und Germanwatch einen Kurswechsel vollzogen und begonnen haben, massiv in die Produktion von Ökostrom zu investieren. Die ersten drei Plätze in ihrem Klimaindex-Ranking haben die beiden Verbände trotzdem nicht besetzt. Allen positiven Entwicklungen zum Trotz wollten die Autoren der Studie die klimapolitische Bilanz keines einzigen Landes als „sehr gut“ einstufen.

Stimmungswandel auf dem Gipfelparkett

Beim eigentlichen Gipfel-Geschäft, der Arbeit am Text für das Klimaabkommen und der Suche nach Kompromissen, vollzog sich an diesem Dienstag ein Stimmungswandel. Während die Klimakonferenz vor eineinhalb Wochen mit hehren Bekenntnissen zu einem ehrgeizigen Klimavertrag und großem Optimismus gestartet ist, zeigten Beobachter von den Umweltverbänden sich drei Tage vor dem geplanten Ende des Klimagipfels erstmals offen nervös.

„Es ist nicht alles verloren, aber wir sind besorgt“, sagte Ruth Davis von Greenpeace im Namen des Dachverbands Climate Action Network (CAN). Weder zeichne sich bisher ein wirksamer Überprüfungsmechanismus für die Emissionsziele vor 2020 ab noch seien Lösungen für die Forderung von Entwicklungsländern nach Schadenersatz für bereits eingetretene Klimafolgen in Sicht. Auch der WWF sieht die Gefahr, dass es bei den Klimaschutz-Sofortmaßnahmen, die vor 2020 greifen sollen, eine Pleite geben könnte. „Wenn der Ambitionsmechanismus zu spät kommt, sind wir für die nächsten 15 Jahre auf die Minderungsziele zurückgeworfen, die die Nationalstaaten eingereicht haben. Und die reichen bei weitem nicht, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen.“

Warten auf die produktive Krise

Manche Beobachter argwöhnen, dass den französischen Gipfelgastgebern mit Blick auf die nächsten Regionalwahlen am kommenden Sonntag ein pünktlicher Gipfelabschluss wichtiger sein könnte als ein ehrgeiziges Abkommen. Diese Sorge wies Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am Dienstag zurück. „Ich sehe nicht, dass für Frankreich der Zeitplan Priorität hat“, betonte sie am Dienstag Vormittag. Aber die Uhr tickt, und die Nervosität wächst. „Was wir jetzt bald brauchen, ist eine Krise“, meint ein erfahrener Gipfel-Beobachter. „Das ist die Voraussetzung, damit alle sich noch einmal anstrengen, um mehr als einen laschen Klimavertrag zu erreichen.“ Am Nachmittag setzen die EU und 79 Staaten aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik ein Signal. Sie machen sich bei einem gemeinsamen Auftritt öffentlich für ein ehrgeiziges und globales Klimaabkommen stark.