Nach zwei Wochen zäher Verhandlungen ist auf dem UN-Klimagipfel in Katar das Kyotoprotokoll um acht Jahre verlängert worden. Es machen aber nur 37 der 194 Staaten mit – und auf ehrgeizige Ziele im Klimaschutz konnten sie sich nicht einigen.

Doha (Katar) - Einen Tag nach dem eigentlichen Ende des UN-Klimagipfels in Doha, der Hauptstadt des Emirats Katar, hat die Tagungsleitung doch noch ein Ergebnis erzielt. In einem bisher einmaligen Akt bei einem UN-Klimagipfel entschied der Konferenzpräsident Abdullah bin Hamad Al-Attiyah am Samstagnachmittag quasi im Alleingang, dass das Kyotoprotokoll bis Ende 2020 verlängert wird. „Das ist jetzt entschieden“, sagte Al-Attiyah während der Abschlusssitzung immer wieder und verdeutlichte mit Hammerschlägen, dass die einzelnen Dokumente nun angenommen seien. So konnte ein Scheitern des Gipfels vermieden und der Verhandlungsmarathon hin zu einem Weltklimavertrag gerettet werden. Zur Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad Celsius reichen die Beschlüsse nicht.

 

Die meisten der 194 Teilnehmerstaaten bedachten das Ergebnis mit großem Beifall – viele wollten nach zweiwöchigen Verhandlungen mit ständigen Blockaden zumindest die Minimalkompromisse retten. Russland zeigte sich jedoch verärgert über den Alleingang Katars. Normalerweise müssen alle Entscheidungen am Ende einer Aussprache einstimmig abgesegnet werden. Al-Attiyah ließ aber erst den Hammer mehrfach fallen und eröffnete dann die Aussprache. Zuvor hatte er betont: Es gebe keinen Text, der alle zufriedenstelle. „Ich bin bereit, wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren, aber dann bräuchte ich Sie noch zwei oder drei Wochen hier.“ Am Samstagmorgen hatte er Kompromisspapiere vorgelegt. „Ich will die Büchse der Pandora nicht öffnen“, sagte er und bat eindringlich, die Vorschläge zu akzeptieren.

Umweltschützer sind bitter enttäuscht

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) zeigte sich zufrieden: „Nach harten Verhandlungen hat der Gipfel einen glücklichen Ausgang genommen.“ Umweltverbände sind hingegen bitter enttäuscht. „Der Klimaschutz ist in Doha auf der Strecke geblieben. Die wachsweichen Beschlüsse der Konferenz leisten keinen Beitrag, um den globalen Temperaturanstieg zu bremsen“, sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Zuvor hatten erst Polen und dann Russland und die Ukraine die Verlängerung des Kyotoprotokolls blockiert. Neben den 27-EU-Staaten machen zehn weitere Länder bei Kyoto II mit. Diese 37 Länder sind zusammen für 15 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Dennoch gilt die Fortsetzung des Klimaschutzabkommens als wichtiges Signal, damit andere Länder sich tatsächlich in einen Weltklimavertrag einbinden lassen. Viele Staaten wollen bis 2020 freiwillig Emissionen mindern – aber meist auf niedrigem Niveau.

Wichtige Länder wie Kanada und Japan machen bei dem verlängerten Kyotoprotokoll, das ab 2013 gelten soll, nicht mehr mit. Damit Kyoto II nicht nur eine Festschreibung des Status quo wird, soll es 2014 eine Überprüfung geben, bei der Länder ihre Ziele hochschrauben können. Für die EU wäre das der Moment, sich zu einer Reduktion von 30 Prozent CO2 im Vergleich zu 1990 zu verpflichten. Bisher sind es 20 Prozent – und dieser Wert ist jetzt schon fast erreicht. Das Kyotoprotokoll ist das bisher einzige internationale Abkommen, das konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz vorsieht. Es läuft am 31. Dezember aus.

Konkrete Ziele im Klimaschutz werden nachgereicht

Da in Doha keine größeren Anstrengungen im Klimaschutz vereinbart wurden, bleibt offen, wie der Temperaturanstieg auf zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden soll. Zu diesem Ziel hatten sich die 194 Staaten bereits auf früheren Klimagipfeln verpflichtet. Auch der bereits beschlossene Klimafonds, der arme Länder im Kampf gegen den Klimawandel unterstützen soll, steht noch nicht auf einem stabilem Fundament. Ab 2020 soll er jährlich 100 Milliarden Dollar bereitstellen. Die Frage, wie dieses Geld zusammenkommen soll, ist auf den nächsten Klimagipfel Ende 2013 in Warschau vertagt worden. Entwicklungsländer warfen den Industriestaaten daher Versagen vor. Besonders die USA wollten keine festen Zusagen für mehr Geld machen. Deutschland hatte am Donnerstag angekündigt, die Mittel von 1,4 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 1,8 Milliarden Euro für jedes der beiden kommenden Jahre aufzustocken.

Eine Hypothek beim Streben nach mehr Klimaschutz sind CO2-Gutscheine in den Händen osteuropäischer Staaten. Sie hatten wegen Wirtschaftseinbrüchen ihre Emissionen viel stärker reduziert als erwartet und sitzen nun auf Emissionsrechten, die im Jargon der Klimadiplomaten „heiße Luft“ genannt werden. Sie entspricht fast einem Drittel des globalen CO2-Ausstoßes 2011. Damit könnte Handel getrieben werden, so dass sich Staaten von schärferen Reduktionsverpflichtungen freikaufen können – allerdings wurden klare Begrenzungen für einen solchen Handel auferlegt. Darüber hatte sich auch der Streit mit Russland entzündet.

In einer langen Sitzung in der Nacht zum Samstag hatten Minister und Unterhändler die Kompromisse vorbereitet. Der Bundesumweltminister war dazu bestimmt worden, mit einem Kollegen aus Singapur die Änderungswünsche aller Staaten entgegenzunehmen – ein Vorgehen, das „Beichtstuhlverfahren“ genannt wurde.

Grundsatzkritik an der Mammutveranstaltung

Am Freitag hatte Altmaier offen den Sinn solcher Mammutkonferenzen mit Tausenden von Teilnehmern angezweifelt. „Ich halte solche Megakonferenzen nicht für überflüssig, aber ich halte sie für dringend erneuerungs- und ergänzungsbedürftig“, sagte der Minister. Altmaier will Anfang 2013 einen Club der Energiewendestaaten gründen. Derzeit hätten bereits 118 Länder eigene nationale Ziele zum Einsatz erneuerbarer Energien. So eine Allianz könnte ein reizvolles Modell sein, sagte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Organisation Germanwatch. „Bisher habe ich aber das Gefühl, dass es wieder nur ein Talkclub wird und nicht ein Club, der wirklich weltweit Akzente setzen kann.“

Chronik der UN-Klimagipfel

Auftakt 1992 Auf dem Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992 vereinbaren die Staaten der Welt, den Ausstoß der Treibhausgase zu begrenzen. Mehr als 190 Staaten haben die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) inzwischen ratifiziert, darunter die USA. Seit 1995 treffen sich die Länder einmal im Jahr auf einem UN-Klimagipfel. Das UNFCCC-Sekretariat hat seinen Sitz in Bonn; es wird von Christiana Figueres aus Costa Rica geleitet.

Kyoto 1997 Beim dritten Gipfel in Kyoto verabschieden die UNFCCC-Staaten ein Protokoll zur Reduktion der Treibhausgase. Die Industriestaaten sagen zu, ihre Emissionen von 1990 bis 2012 um mindestens fünf Prozent zu senken. Deutschland hat sein Ziel von minus 21 Prozent erfüllt.

Bali 2007 Auf der Insel Bali wird ein Fahrplan für ein neues Abkommen zum Klimaschutz beschlossen, die Bali Roadmap. 2009 hätte der Vertragstext verabschiedet und bis 2012 von allen Staaten ratifiziert werden sollen.

Kopenhagen 2009 Die Gipfel wachsen: von 757 Teilnehmern im Jahr 1995 auf mehr als 10.000 Delegierte und 13.000 Vertreter von Nichtregierungsorganisationen im Jahr 2009. Doch die Konferenz, in die viel Hoffnung gesetzt worden ist, scheitert. Selbst der kurz zuvor mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Barack Obama erreicht auf dem Gipfel wenig. Am Ende unterschreiben einige Staaten ein kurzes Papier, den „Copenhagen Accord“, in dem sie sich unverbindlich zu Klimaschutzmaßnahmen verpflichten. Das Papier wird vom UN-Gipfel offiziell nur „zur Kenntnis genommen“. Inzwischen haben 114 Staaten das Papier unterzeichnet. Die Selbstverpflichtungen würden nach Angaben des Climate Action Trackers genügen, um den Temperaturanstieg auf etwa 3,3 Grad zu begrenzen.

Cancún 2010 Im mexikanischen Badeort Cancún werden Fahrpläne für die Fortsetzung des Kyoto-Protokolls vereinbart. Das Ziel lautet nun auch offiziell, den Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen. Beobachter loben die Diplomatie der Gastgeber, bei der sich auch kleinere und ärmere Staaten in die Verhandlungen einbezogen fühlen.

Durban 2011 In Südafrika beschließen die EU und andere Kyoto-Staaten 2011 eine zweite Phase des Kyoto-Protokolls von 2013 bis 2017. Die Details müssen dieses Jahr in Doha ausgehandelt werden. Zudem wird ein Klimaabkommen in Aussicht gestellt, das allerdings vorerst nur als „für alle gültige Regelung mit Rechtskraft“ bezeichnet wird. Eine deutlichere Formulierung hätte sich die EU zwar gewünscht, kommt damit aber nicht durch.