Genitalverstümmelung, Verhütung, Wahl des Partners: Millionen von Frauen weltweit sind laut dem neuem Weltbevölkerungsbericht der Vereinten Nationen sexueller Gewalt oder körperlichem Zwang ausgesetzt.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Berlin - Gewalt gegen Frauen hat laut dem Weltbevölkerungsbericht in der Corona-Pandemie dramatisch zugenommen. Mehr Frauen und Mädchen als je zuvor seien seit Pandemie-Beginn von geschlechtsspezifischer Gewalt und schädlichen Praktiken wie Frühverheiratung bedroht, heißt es in dem Bericht, der am Mittwoch (14. April) in Berlin vorgestellt worden ist.

 

45 Prozent der Mädchen und Frauen in Ländern mit mittlerem oder niedrigen Einkommen können demnach nicht selbst entscheiden, ob sie Sex haben, verhüten oder medizinische Versorgung in Anspruch nehmen wollen. 

Recht auf Autonomie und Selbstbestimmung

Unter dem Titel „Mein Körper gehört mir: Das Recht auf Autonomie und Selbstbestimmung einfordern“ befasst sich der Weltbevölkerungsbericht des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen UNFPA (United Nations Population Fund) in diesem Jahr vor allem mit der körperlichen Selbstbestimmung und Unversehrtheit von Mädchen und Frauen.

Lesen Sie auch: Gewalt an Frauen – Schockierend viele Genitalverstümmelungen

„In Krisen werden noch mehr Frauen und Mädchen Opfer von Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung“, erklärte Jan Kreutzberg, Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW), bei der Vorstellung des Berichts. 

Unter anderem geschlossene Schulen aufgrund der Corona-Pandemie hätten zu einem Anstieg des Risikos für Mädchen geführt, geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt zu sein, berichtet die DSW, die Herausgeberin der deutschen Kurzfassung des Berichts ist. Hinzu komme das Wegfallen vieler Dienste der sexuellen oder reproduktiven Medizin aufgrund der Lockdown-Bestimmungen. 

Dramatischer Anstieg von Genitalverstümmelungen

Einen dramatischen Anstieg verzeichneten die Autoren des Berichts auch bei der weiblichen Genitalverstümmelung: Demnach hat diese Praxis im kenianischen Flüchtlingslager Dadaab seit Beginn der Corona-Pandemie um 20 Prozent zugenommen, in Somalia um rund 31 Prozent.

Insgesamt könnte es nach UNFPA-Schätzungen im Zuge der Corona-Pandemie zu bis zu zwei Millionen zusätzlichen Fällen von weiblicher Genitalverstümmelung kommen. Die Erfolge in der Beseitigung von weiblicher Genitalverstümmelung könnten demnach bis 2030 um ein Drittel zurückgeworfen werden. 

Lesen Sie weiter: Beschneidung in den Ferien – Wenn kleine Mädchen im Urlaub verstümmelt werden

Schlechte Bildung und Gewalt

Einen engen Zusammenhang sehen die Autoren zwischen sexueller Selbstbestimmung und dem Bildungsniveau von Frauen. Frauen, die weniger gebildet sind als ihr Ehemann oder Partner, erleben laut dem Bericht häufiger sexualisierte Gewalt als Frauen, deren Bildungsniveau mehr oder weniger dem ihres Ehepartners entspricht. 

„Die Tatsache, dass fast die Hälfte der Frauen immer noch nicht selbst entscheiden kann, ob sie Sex haben, verhüten oder medizinische Versorgung in Anspruch nehmen will oder nicht, muss uns alle empören“, betont UNFPA-Exekutivdirektorin Natalia Kanem. Das Leben hunderter Millionen Frauen und Mädchen werde „von anderen bestimmt.“