Im Südwesten haben Tausende unbegleitete jugendliche Flüchtlinge Schutz gesucht. Doch wissen die Behörden wirklich immer, wer sie sind? Das Land will sich jetzt Klarheit verschaffen: Mit einem Fingerabdruck von jedem.

Karlsruhe/Stuttgart - Baden-Württemberg will Fingerabdrücke von allen minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen nehmen und lässt sie deshalb nacherfassen. Damit sollen nach Angaben des Innenministeriums „bestehende Lücken bei der erkennungsdienstlichen Behandlung“ geschlossen werden. „Wir müssen wissen, wer bei uns im Land ist - egal, ob die Person angibt, voll- oder minderjährig zu sein“, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Freitag. Ältere Asylbewerber werden bei ihrer Einreise erkennungsdienstlich behandelt. Für die jugendlichen Flüchtlinge sind die Jugendämter zuständig. Die sollen nun Daten an das Landeskriminalamt (LKA) liefern.

 

Das Sozialministerium hat Ende Januar die Jugendämter gebeten, dem LKA Namen, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Wohnanschrift von jugendlichen Flüchtlingen zu nennen - ebenso den Hinweis, ob den Behörden ausländische Pass- oder Passersatzpapiere im Original vorgelegen haben. Mehrere Medien hatten zuvor von der Aktion berichtet.

Rund 8200 jugendliche Asylbewerber gemeldet

Zum Jahresende hatten die Kommunen im Land rund 8200 jugendliche Asylbewerber gemeldet. Wie viele unbegleitete Jugendliche davon noch nicht erkennungsdienstlich erfasst sind, ist bislang nicht bekannt.

Nach dem Schreiben des Sozialministeriums hatte es von einzelnen Jugendämtern wegen der Weitergabe der Daten an das LKA Nachfragen gegeben. Weil die Landesbehörden davon ausgehen, dass ein Teil der Jugendlichen nicht erkennungsdienstlich registriert ist, soll das LKA die Daten sammeln und zugleich prüfen, ob unter den jungen Flüchtlingen Straftäter sind oder solche, die mit mehreren Identitäten unterwegs sind.

Landesjugendamt und Städtetag haben Verständnis

Der Verdächtige im Mordfall an der Freiburger Studentin war laut Staatsanwaltschaft vor der Tat hier nicht erkennungsdienstlich erfasst worden. Er hatte bei seiner Einreise Ende 2015 angegeben, er sei 17 Jahre alt. Erst bei den Mordermittlungen fiel auf, dass er in Griechenland wegen eines schweren Gewaltdelikts bereits 2013 in Haft war, aber vorzeitig freigelassen wurde. Auch sein Alter ist zweifelhaft.

Dass auch Jugendliche erkennungsdienstlich registriert werden, stößt sowohl beim Landesjugendamt als auch beim Städtetag auf Verständnis. „Die Bevölkerung erwartet zu Recht, dass wir wissen, wer aufgenommen wurde, da müssen wir nachfassen“, sagte das geschäftsführende Vorstandsmitglied des baden-württembergischen Städtetags, Gudrun Heute-Bluhm, den „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“ (Freitag). Eine Sprecherin des Sozialministeriums betonte am Freitag, es sei ein wichtiges Anliegen, „eine gute Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Ausländer sicherzustellen und gleichzeitig dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen“.