Michael Klammer wurde als der „große schwarze Mann“ aus der Stuttgarter Vorabendserie „Dr. Klein“ berühmt. Jetzt ist er im ZDF-Thriller „Unbestechlich“ zu sehen. Was er in Stuttgart gelernt hat und warum er sich hier so heimisch fühlt, verrät er im Interview.
In Stuttgart begeisterte Michael Klammer in der Serie „Dr. Klein“ und im Theater als Karl Moor in „Die Räuber“. An diesem Montag ist er um 20.15 Uhr in dem ZDF-Thriller „Unbestechlich“ zu sehen, in dem er einen internen Ermittler beim LKA Düsseldorf spielt. Im Interview schwärmt der 43-jährige Südtiroler, der in Berlin lebt, von Stuttgart – und spricht über Rassismus und Karrierepläne.
Herr Klammer, vor zehn Jahren standen Sie auf der Bühne des Stuttgarter Schauspiels und begeisterten als Karl Moor in Antú Romero Nunes’ grandiosen Inszenierung von „Die Räuber“. Schillers Drama wurde da in drei Monologe zerlegt.
Als Antú mich gefragt hat, ob ich Lust habe, bei den „Räubern“ mitzumachen, habe ich ihm gesagt, ich hätte das gerne mal mit 80 Statisten und nur den Regieanweisungen von Schiller gemacht, weil die so genau sind. Wie ich mir das vorstelle, habe ich ihm dann um zwei Uhr nachts in der Kantine vorgespielt. Und weil ich gemeint habe, die reden eigentlich immer nur aneinander vorbei, kam er auf die Idee, dass man daraus drei Monologe machen kann. Das war ein schönes Experiment.
Zeit fürs Theater haben Sie heute aber nicht mehr so viel.
Das stimmt nicht ganz. Ich habe zwar, nachdem ich am Wiener Burgtheater erneut mit Nunes „Hotel Europa“ gemacht habe, zwei Jahre wirklich Pause gemacht und nur gedreht. Aber seit 2020 habe ich jeweils ein Stück pro Spielzeit am Theater Basel gemacht, in der letzten sogar zwei. Immer mit Nunes. Jetzt haben wir den „Sommernachtstraum“ gemacht, mit dem wir auch zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurden.
Sind das nicht zwei ganz unterschiedliche Berufe: als Schauspieler auf der Bühne und als Schauspieler vor der Kamera zu stehen?
Ich glaube, es gibt zwar große Schnittmengen. Aber allein schon bei der Art, wie du spielen musst, gibt es große Unterschiede. Wenn ich in einer Großaufnahme zu sehen bin, dann schreie ich nicht in den fünften Rang hoch. Man kann die innerlichen, kleineren Sachen viel feiner, viel persönlicher spielen und muss sie nicht so vergrößern. Das ist wie bei Zimmermann und Tischler. Beide haben mit Holz zu tun. Aber einer muss nicht so millimetergenau arbeiten wie der andere.
Und was ist besser?
Es gibt bei beidem Vor- und Nachteile. Wirtschaftlich gesehen ist natürlich die Dreherei lukrativer – zumindest bei den meisten Sendern. Aber beim Film fehlt das Unmittelbare. Irgendwann habe ich meine Szenen abgedreht, jemand legt Musik drüber, jemand anderes schneidet das und verändert den Rhythmus und bastelt es zusammen. Im Theater muss ich dagegen diese Bereitschaft haben, mein Herz so zu öffnen, dass mir jemand drei- bis fünfmal in der Woche bei der Arbeit zuschaut. Der direkte Kontakt mit dem Publikum hat immer etwas Magisches.
Sie haben in Stuttgart nicht nur Theater gespielt, sondern waren dort auch drei Jahre der Kinderarzt Jonas Müller in der ZDF-Vorabendserie „Dr. Klein“.
Ja, ich bin immer wieder gerne in Stuttgart. Ich finde, die Schwaben sind, was den Dialekt angeht, den Südtirolern nicht unähnlich. Das ist ein bisschen so wie nach Hause kommen und nur in ein anderes Tal abzweigen. Ich mag diese Gemütlichkeit, diese Langsamkeit. Und was mich so fasziniert hat, ist, dass die Stuttgarter wirklich das Theater lieben. Ich habe da unglaublich gerne gespielt, weil das ein so intensiver Kontakt mit dem Publikum war.
Und die Serie „Dr. Klein“ hat Sie berühmt gemacht.
Ja, weil ich vorher nicht wirklich gedreht hatte. Und wenn dann plötzlich sieben Millionen Menschen am Vorabend sehen, okay, da ist so ein großer schwarzer Mann, dann macht einen das schon ein bisschen bekannt.
Nun spielen Sie in dem Krimi „Unbestechlich“ einen LKA-Kommissar, der intern ermittelt. Wie würden Sie Joseph Kanjaa beschreiben?
Er ist ehrlich, konsequent, rechtschaffen, aufmerksam, wach und ein kleiner Prinzipienreiter. Er ist richtig gut in seinem Job, sehr stilvoll, aber auch charmant. Und er versucht, sich unantastbar zu machen, indem er sich durch eine perfekte Fassade nach außen abgrenzt. Es gibt da einen schmalen Grat zwischen Selbstschutz und Eitelkeit.
Die Kommissare Joseph Kanjaa (Michael Klammer) und Clarissa Jakobs (Samia Chancrin) sind neu beim LKA in Düsseldorf. Jedoch nicht zur Freude ihrer Kollegen. Denn die beiden ermitteln intern. Foto: ZDF
Kanjaa empfindet sich als einer, der nie so ganz dazugehört, immer außerhalb steht. Das hat vielleicht auch mit seiner Hautfarbe zu tun. Wird man in Deutschland immer noch in eine Außenseiterrolle gedrängt, wenn man anders aussieht als die meisten?
Kanjaa sagt, dass es Menschen gibt, die sind Teil einer Gesellschaft, und andere, die verstehen ziemlich schnell, dass sie sowieso nie wirklich zu dieser Gesellschaft dazugehören werden. Ob er Rassismus-Erfahrungen gemacht hat oder sich einfach abgrenzt, damit ihm das nicht widerfährt, ist nicht ganz klar. Und bei mir selbst: Ich stehe jetzt nicht morgens auf, gucke in den Spiegel und denke: Schwarzer Mann, wie kommst du über den Tag? Das macht man nicht. Ich werde allerdings immer wieder von außen darauf hingewiesen, auch von Leuten, die es eigentlich gut meinen, die mich beschützen wollen. In meiner Kindheit und Jugend hatte ich schon häufig mit Rassismus zu tun, zum Beispiel beim Fußball. Heute würde da jedes Spiel nach drei Minuten abgepfiffen werden, so heftig war das. Und als junger Mann kannte ich dieses Bestreben, besser sein zu wollen als alle anderen, um dadurch unantastbar zu werden. Eine Eigenschaft, die ich inzwischen zum Glück abgelegt habe. Begegnet mir heute Rassismus im Alltag? Zum Glück nicht.
Von der Erfahrung, sich wegen der eigenen Hautfarbe fremd im eigenen Land zu fühlen, erzählt demnächst die Serie „Sam – ein Sachse“ bei Disney+.
Da spiele ich auch mit. Ich konnte die Folgen vorab sehen. Das ist richtig gut geworden.
„Unbestechlich“ läuft um 20.15 Uhr im ZDF. Früher war das das Beste, was Schauspielern im Fernsehen passieren konnte. Inzwischen ist es wahrscheinlich aber noch besser, wenn man eine Rolle bei so einer Produktion eines Streamingdiensts bekommen kann.
Das ist, was die Reichweite angeht, auch heute noch so. Auf dem Sendeplatz um 20.15 Uhr ist bei den Öffentlich-Rechtlichen natürlich am meisten los. Aber auch über die Mediatheken haben sie mittlerweile eine gute Abdeckung und senden sehr gute Sachen mit sehr guten Leuten. Aber klar, natürlich würde ich mich auch freuen, wenn sich die großen Streamer bei mir melden würden und mir ordentlich was zu tun geben. Das wäre dann, was den Bekanntheitsgrad angeht, auf jeden Fall noch mal ein zusätzlicher ordentlicher Schub.
Michael Klammer und der Thriller „Unbestechlich“
Person Michael Klammer wurde 1980 in Bruneck in Südtirol geboren, wuchs auf einen Bauernhof auf und absolvierte seine Schauspielausbildung am Schauspielhaus Salzburg. Er war zwischen 2006 und 2012 festes Ensemblemitglied am Maxim-Gorki-Theater in Berlin und arbeitet bis heute immer wieder mit dem Regisseur Antú Romero Nunes zusammen. Von 2014 bis 2016 spielte er eine der Hauptrollen in der Serie „Dr. Klein“. Im Mai ist er an der Seite von Leonie Benesch in dem Kinofilm „Das Lehrerzimmer“ zu sehen, der im Februar auf der Berlinale Premiere feierte.
Film Der TV-Thriller „Unbestechlich“ ist am 27. März um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen und bereits hier in der ZDF-Mediathek verfügbar.