Umdenken - Kommunalpolitik hat bisweilen etwas mit Kirchturmpolitik gemein: Jeder Ort entscheidet am liebsten selbst, was vor der eigenen Haustür geschehen soll. Besonders in Stadtteilen, die einst von großen Nachbarn eingemeindet wurden, sind gewisse separatistische Neigungen selbst nach Jahrzehnten hin und wieder noch festzustellen.

 

Und es ist ja richtig, dass jene Menschen auf politische Entscheidungen Einfluss nehmen sollen, die sie auch unmittelbar betreffen. Bei der Frage beispielsweise, ob in einer Durchgangsstraße ein Tempolimit eingeführt wird, ist die Meinung der Anwohner von hoher Bedeutung und muss in die Gesamtabwägung mit einfließen.

Ob es aber deshalb, wie dies etwa in Leonberg der Fall ist, neben dem eigentlichen Gemeinderat noch drei Ortschaftsräte braucht, ist mehr als zweifelhaft. Mit knapp 50 000 Einwohnern ist die Große Kreisstadt nicht so groß, als dass sie unbedingt in jedem Teilort eine Art Mini-Parlament benötigt. Zumal der Einfluss dieser Stadtteil-Gremien äußerst beschränkt ist.

Die Ortschaftsräte können zwar ihren Willen bekunden, die finale Entscheidung obliegt aber dem Gemeinderat. Tatsächlich bemüht sich das Gremium für die Gesamtstadt, die Wünsche aus den Teilorten zu berücksichtigen. Doch das ist kein Automatismus, wie die Debatte um eine neue Mensa in der Grundschule Warmbronn zeigt. Hier konnten sich die Stadtteil-Vertreter letztlich nicht durchsetzen: der Neubau kommt.

Vergegenwärtigt man sich, welch hoher organisatorischer und finanzieller Aufwand mit den Ortschaftsräten verbunden ist, stellt sich schon die Frage, ob es nicht ausreichend ist, dass jeder Teilort angemessen im Gemeinderat vertreten ist. Sind die meisten Themen doch ohnehin in einem Gesamtkontext zu sehen.

In Weissach stehen beispielsweise zehn Gemeinderatssitze Weissach selbst und acht dem Teilort Flacht zu. „Ausschlaggebend dafür ist die Zahl der Bewohner zu einem bestimmten Zeitpunkt“, sagt Nadine Pfaffeneder, die Hauptamtsleiterin und somit die Wahlleiterin der Gemeinde. Der Stichtag sei der 30. September 2017 gewesen. Damals hatte Weissach 4395 Einwohner und Flacht 3041.

Bei unechter Teilortswahl kommt es sehr häufig zu Ausgleichssitzen. Das passiert, wenn eine Partei oder Gruppierung durch die gewonnen Sitze in den Teilorten mehr Sitze erhalten hat, als ihr durch das Verhältnis der Gesamtstimmenzahl (bezogen auf die ganze Kommune) zustehen würde.

Die betreffende Partei oder Gruppierung behält diese Teilortssitze, die anderen Parteien oder Gruppierungen erhalten entsprechend Ausgleichssitze, sodass Sitzzahl und Verhältnis der Stimmen wieder zusammenpassen. Der Gemeinderat wird damit vergrößert. So hat der Gemeinderat Rutesheim gegenwärtig 20 Mitglieder und der in Weil der Stadt 23 Sitze.

„Bei den Gemeinderatswahlen 2014 ergab sich durch die unechte Teilortswahl ein Ausgleichsmandat der SPD in Weil der Stadt und damit zehn statt neun Sitze“, erklärt Jürgen Brändle. In der Keplerstadt habe es sogar schon bis zu sieben Überhangmandate gegeben. In Weissach kam so etwas noch nicht vor, dort gab es aber auch immer nur drei Kandidatenlisten. Bei nun fünf Listen könnte sich das ändern.

Weitgehend richtet sich die Größe eines Gemeinderats nach der Größe der Kommune. Zwischen 5000 und 10 000 Einwohner bedeuten zum Beispiel 18 Gemeinderäte, ab 10 000 sind es 22. Doch die Kommunen haben einen gewissen Spielraum, wenn die Grenze nur knapp überschritten wird. Der Rat Rutesheim zum Beispiel hat nach dem Überschreiten der 10 000-Einwohner-Grenze 2001 beschlossen, die Sitzzahl beizubehalten und nicht auf 22 zu erhöhen.

Kommentar: Unterstellung von Kirchturmdenken (Von Florian Mader)

Abschaffen - Den Weil der Städtern wird die Wahl schwerfallen. Beispiel: Hausen. Allein die Freien Wähler haben dort zwei hoch qualifizierte Gemeinderatsbewerber gefunden. Bernd Glocker ist ein ebenso bekannter wie engagierter Unternehmer und kennt als Vorsitzender des TSV Hausen und als Sprecher der „Dorfgemeinschaft“ (der Vereinigung der Hausener Vereine) die Nöte des kleinen Orts wie kaum einer. Mit ihm auf der Wahlliste der Freien Wähler steht Lea Bauer, die zwar erst 21 Jahre alt ist, im Jugendbeirat aber schon viel kommunalpolitische Erfahrung gesammelt hat und nebenbei für die dringend benötigte junge und weibliche Seite der Politik steht.

Auch die anderen Parteien sind in Hausen gut vertreten. Der amtierende Stadtrat Peter Mutschler (CDU) tritt wieder an, die Grünen schicken den Pädagogen Jörg Vollbrecht ins Rennen. Die SPD mit Sebastian Kilian und die FDP mit Oliver Widmaier haben ebenfalls zwei Jüngere gefunden.

Die schlechte Nachricht lautet: Am Ende wird von all diesen guten Bewerbern nur ein einziger in den Weil der Städter Gemeinderat einziehen dürfen. Die Hauptsatzung sieht für den kleinen Teilort Hausen nämlich nur einen Sitz vor. So sieht es die Quote vor, die man „unechte Teilortswahl“ nennt. Wie alle Quotenregelungen ist das zwar gut gemeint, aber dennoch unsinnig und unnötig.

Der Souverän in der Wahlkabine weiß selbst am besten, welche Repräsentanten er in den Ratssaal schicken will. Bei der Auszählung sollte dann gelten: Der Bessere möge gewinnen – egal, ob er seinen Wohnsitz zufällig in Flacht oder Weissach hat. Denn dass der Perouser Stadtrat nur Perouser Interessen im Blick hätte und der Rutesheimer sich nur für Rutesheim interessiert, ist eine Unterstellung von Kirchturmdenken, die nicht zutrifft.

Von Renningen, wo es die unechte Teilortswahl völlig zu Recht nicht mehr gibt, ist jedenfalls nicht überliefert, dass die Malmsheimer seitdem großflächig vernachlässigt werden. So groß sind unsere Städte und Gemeinden nicht, als dass nicht jeder Volksvertreter die komplette Kommune kennt.

Es gibt in den Stadtparlamenten schließlich auch keine Regelung zur Altersstruktur der Räte. Die Stadtpolitik braucht zwar auch mehr junge Leute – soll man aber deswegen für jede Generation adäquate Sitze vorsehen?

Kommentar: Eine angemessene Präsenz reicht aus (Von Thomas K. Slotwinski)

Umdenken - Kommunalpolitik hat bisweilen etwas mit Kirchturmpolitik gemein: Jeder Ort entscheidet am liebsten selbst, was vor der eigenen Haustür geschehen soll. Besonders in Stadtteilen, die einst von großen Nachbarn eingemeindet wurden, sind gewisse separatistische Neigungen selbst nach Jahrzehnten hin und wieder noch festzustellen.

Und es ist ja richtig, dass jene Menschen auf politische Entscheidungen Einfluss nehmen sollen, die sie auch unmittelbar betreffen. Bei der Frage beispielsweise, ob in einer Durchgangsstraße ein Tempolimit eingeführt wird, ist die Meinung der Anwohner von hoher Bedeutung und muss in die Gesamtabwägung mit einfließen.

Ob es aber deshalb, wie dies etwa in Leonberg der Fall ist, neben dem eigentlichen Gemeinderat noch drei Ortschaftsräte braucht, ist mehr als zweifelhaft. Mit knapp 50 000 Einwohnern ist die Große Kreisstadt nicht so groß, als dass sie unbedingt in jedem Teilort eine Art Mini-Parlament benötigt. Zumal der Einfluss dieser Stadtteil-Gremien äußerst beschränkt ist.

Die Ortschaftsräte können zwar ihren Willen bekunden, die finale Entscheidung obliegt aber dem Gemeinderat. Tatsächlich bemüht sich das Gremium für die Gesamtstadt, die Wünsche aus den Teilorten zu berücksichtigen. Doch das ist kein Automatismus, wie die Debatte um eine neue Mensa in der Grundschule Warmbronn zeigt. Hier konnten sich die Stadtteil-Vertreter letztlich nicht durchsetzen: der Neubau kommt.

Vergegenwärtigt man sich, welch hoher organisatorischer und finanzieller Aufwand mit den Ortschaftsräten verbunden ist, stellt sich schon die Frage, ob es nicht ausreichend ist, dass jeder Teilort angemessen im Gemeinderat vertreten ist. Sind die meisten Themen doch ohnehin in einem Gesamtkontext zu sehen.

Die unechte Teilortswahl, so sperrig sich der Begriff auch anhören mag, ist zumindest eine Möglichkeit, eine vernehmbare Präsenz aller Stadtteile im Gemeinderat sicherzustellen. Und die ist nötig, wird auf der anderen Seite auf Ortschaftsräte, die übrigens auch sehr viel Arbeitskraft in der Verwaltung binden, verzichtet.

Dass sich Lokalpolitiker in Wahlkampfzeiten an solch heiße Eisen nicht heranwagen, mag aus taktischen Gründen verständlich sein. Doch auf Dauer ist eine Vielzahl von teuren, aber letztlich kompetenzfreien Kleinstgremien nicht darstellbar.