50 Jahre nach seiner Einführung hat sich Weil der Stadt von einem komplizierten Wahlsystem getrennt – als letzte Kommune im Altkreis Leonberg.
Dass die unechte Teilortswahl in Weil der Stadt wohl keine Zukunft haben wird, hatte sich bereits abgezeichnet – jetzt ist es beschlossene Sache. Für die Abschaffung des Wahlsystems, das in der Keplerstadt im Zuge der Gemeindereform Anfang der 70er-Jahre eingeführt wurde, stimmte der Weiler Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung einstimmig bei einer Enthaltung. Bei der nächsten Wahl in fünf Jahren wird hier also nicht mehr nach Teilorten gewählt.
Für viele Kommunen, die vor rund 50 Jahren mehr oder weniger zwangsverheiratet wurden, war die unechte Teilortswahl zunächst eine praktische Möglichkeit, um sicherzustellen, dass alle Teilorte auch mit einer festen Anzahl an Sitzen im Gemeinderat vertreten sind. Wo 1975 noch 717 Kommunen so gewählt haben, waren es bei der Wahl 2019 allerdings nur noch 384. Inzwischen werden es noch weniger sein, Zahlen für 2024 gibt es noch nicht. Im ehemaligen Kreis Leonberg haben sich in den vergangenen Jahren einige Kommunen von dem komplizierten Wahlsystem verabschiedet – zum Beispiel Weissach und Rutesheim im Jahr 2023, Leonberg schon 2008.
Vor Gericht müssen die Verhältnisse stimmen
Grund dafür wird auch das Thema Rechtssicherheit sein: Denn die Sitzverteilung bei der unechten Teilortswahl muss den Bevölkerungsanteilen in den Teilorten entsprechen. Ist das nicht so, könnten die Wahlen einer Klage vor Gericht nicht Stand halten – wie es etwa 2022 in Tauberbischofsheim der Fall war. Auch in Crailsheim wurde die Wahl 2024 wegen einer solchen Fehlrepräsentierung für ungültig erklärt.
„Wir könnten an den Punkt kommen, an dem wir örtliche Verhältnisse gar nicht mehr berücksichtigen können“, kommentierte Hauptamtsleiterin Jessica Dengel in der jüngsten Sitzung des Gremiums. Um vorerst Rechtssicherheit zu schaffen, hatte der Weiler Gemeinderat schon 2023 entschieden, für die Wahl 2024 die Wahlbezirke Münklingen und Hausen zusammenzulegen, um die Sitzverteilung wieder mehr an tatsächliche Mehrheitsverhältnisse anzupassen.
Neben diesem rechtlichen Aspekt sprechen auch einige andere Gründe für eine Abschaffung der unechten Teilortswahl: Denn sie ist kompliziert, nicht nur für die Wähler, die beim Verteilen ihrer Kreuze genau hinschauen müssen, sondern auch für die Wahlhelfer. „Das Beispiel hatten wir leider dieses Jahr“, so Dengel. Wegen nur acht fälschlicherweise für ungültig erklärten Stimmzetteln musste in Weil der Stadt das Wahlergebnis korrigiert werden, zwei Parteien verloren nachträglich je einen Sitz.
Bürger müssen sich aufstellen lassen – und wählen gehen
Klar ist aber auch: Ohne unechte Teilortswahl könnten einzelne Ortsteile bei kommenden Wahlen im schlimmsten Fall leer ausgehen. Es gäbe aber auch Möglichkeiten, das aufzufangen, kommentierte Bürgermeister Christian Walter, etwa mit Einwohnersprechstunden oder Gemeinderatssitzungen vor Ort. Die Verantwortung für eine faire Verteilung der Sitze sehen die Fraktionen derweil bei sich selbst – und bei den Einwohnern. „Letztendlich sind die Bürger gefragt“, sagte CDU-Stadtrat Michael Hofbauer. „Sie müssen sich aufstellen lassen und die Kandidaten dann auch wählen.“ Dem schloss sich Ratskollegin Sonja Nolte (Grüne) an: „Ich möchte appellieren, dass sich Bürger aller Ortsteile auch aufstellen lassen.“ Dass es im Interesse der Stadt liegen müsse, die Partizipation in den kleinen Teilorten voranzutreiben, kommentierte SPD-Rat Simon Weidle.
Das eigentliche Ziel der unechten Teilortswahl – das Zusammenwachsen der Teilorte – sollte nach rund 50 Jahren langsam erreicht sein, ergänzte FDP-Fraktionsvorsitzender Hans Dieter Scheerer noch. „Ich fühle mich als Gemeinderat der ganzen Stadt“. Seinen Kollegen wird es ähnlich gehen.