Sie ist fehleranfällig und hat sogar schon für Neuwahlen gesorgt: Von der Unechten Teilortswahl lassen immer mehr Kommunen ab. Auch Weissach reiht sich nun ein.

Es sei keine Liebeshochzeit, sondern eine Zweckehe gewesen, titelte unsere Zeitung Ende 2021, als sich der Zusammenschluss von Weissach und Flach zum 50. Mal jährte – eine Liebeshochzeit war es wohl in vielen Fällen nicht, als sich Anfang der 1970er Jahre zahlreiche Kommunen im Zuge der Gemeindereform vereinten. Um Animositäten und Benachteiligungsgefühle zu vermeiden, hatte man damals vielerorts die sogenannte Unechte Teilortswahl eingeführt, die eine faire Verteilung der Sitze nach Teilorten garantieren soll. Jetzt, rund 50 Jahre später, verabschieden sich viele Kommunen von diesem Wahlsystem.

 

Denn die Unechte Teilortswahl hat ihre Tücken: Nicht nur für die Wähler ist sie oft undurchsichtig und kompliziert, auch für die Verwaltungen selbst birgt sie ein gewisses Fehlerpotenzial. So ist etwa erst neulich in Weil der Stadt der falsche Kandidat auf einen vakanten Platz nachgerückt, weil man den regulären Sitz mit einem bei der Unechten Teilortswahl üblichen Ausgleichssitz verwechselt hatte. Hinzu kommen einige rechtliche Stolperfallen. In Tauberbischofsheim im Main-Tauber-Kreis musste jüngst neu gewählt werden – eine Bürgerin hatte geklagt, weil ihr Ortsteil durch die Sitzverteilung im Gremium unterrepräsentiert war.

2024 ist Schluss

Fehleranfällig und nicht mehr zeitgemäß?

In der Strudelbachgemeinde selbst fallen zehn Gemeinderatssitze auf Weissach, acht auf Flacht ab. Diese Zahlen weichen etwa acht Prozent von der tatsächlichen Bevölkerungsverteilung ab und befinden sich damit, so die Verwaltung, noch „im Rahmen“. Trotzdem hatte die Fraktion der Freien Wähler einen Antrag gestellt, die Unechte Teilortswahl in Weissach abzuschaffen – und dafür mit jeweils zwei Nein-Stimmen und Enthaltungen eine Mehrheit im Gremium gefunden. Die Unechte Teilortswahl wird damit zum Anlauf der laufenden Wahlperiode des Rats abgeschafft. 2024 wählen die Bürgerinnen und Bürger in Weissach also nicht mehr nach diesem Wahlsystem. Damit schließt sich Weissach einer Reihe von Kommunen an, die das Wahlsystem abgeschafft haben, unter ihnen Rutesheim und Sindelfingen.

Detlef Bausch, Vorsitzender der Freien Wähler, bezeichnete den Antrag seiner Fraktion in der Sitzung des Gremiums als „sichtbares Zeichen an die Bevölkerung, dass wir zusammengewachsen sind.“ Er selbst komme aus Flacht, könne die Mär einer Flachter Benachteiligung aber nicht bestätigen. „Wir hatten im Gremium immer ein gemeinsames Interesse an der Sachlage.“ Zuspruch gibt es zur Abschaffung der Unechten Teilortswahl auch von der Bürgerliste. „Ich habe erlebt, dass die Orte sehr gut zusammengewachsen sind“, sagt Fraktionsvorsitzender Andreas Pröllochs. Der Beschluss sei ein gutes Symbol, dass man nicht in Zahlen denke, sondern als eine Gemeinde.“ Die Sorge, dass bestimmte Themen eines Ortsteils nicht mehr ausreichend wahrgenommen werden, sehe man auch in der Grünen-Fraktion nicht mehr, so Vorsitzende Petra Herter.

Erfolgs- oder Auslaufmodell?

Kritik an fehlender Bürgerinformation

Bemängelt wurde von Grünen und Unabhängiger Liste allerdings die fehlende Einbeziehung der Bürgerschaft, insbesondere letztere hatte per Antrag eine Infoveranstaltung gefordert, was aber keine Mehrheit fand. Die Unabhängige Liste war es schließlich auch, die sich mit einer kritische Haltung zur Abschaffung der Unechten Teilortwahl in die Diskussion einbrachte: „Durch die räumliche Verteilung der Gemeinderäte im Gemeindegebiet wird eine bürgernahe Kommunalpolitik gefördert“, so Fraktionsvorsitzende Susanne Herrmann. „Die Unechte Teilortswahl hat sich zu einem richtigen Erfolgsmodell für unsere Gemeinde entwickelt. Völlig ohne Not wird nun ein Prozess zur Abschaffung in Gang gesetzt.“