Als Weltkulturerbe genießen die Pfahlbauten am Bodensee besonderen Schutz.

Paris/Stuttgart (dpa/lsw) - Prähistorische Pfahlbauten in auch in Baden-Württemberg genießen künftig als Weltkulturerbe besonderen Schutz. Das Welterbekomitee der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur stimmte am Montag einem Gemeinschaftsantrag mehrerer europäischer Länder zu. Sie hatten insgesamt 111 Pfahlbauten und Relikte prähistorischer Siedlungen für die Weltkulturerbeliste nominiert, darunter einige am Bodensee und in oberschwäbischen Feuchtgebieten. Die Fundstellen sind nun die ersten archäologischen Unterwasser-Denkmäler mit dem begehrten Welterbe-Titel.

 

Über Weissenhofsiedlung wird erst am Dienstag entschieden

Ob auch zwei Häuser der Stuttgarter Weissenhofsiedlung als Welterbe anerkannt werden, entscheidet die Unesco erst an diesem Dienstag. Die Pfahlbaureste stammen nach Angaben von Archäologen aus der Zeit von 4300 bis 800 vor Christus und haben unter Wasser oder in feuchten Böden bis heute überdauert. Von dem Titel versprechen sich Experten unter anderem eine bessere Erforschung. Nur ein sehr kleiner Teil der Pfahlbausiedlungen ist bisher wissenschaftlich untersucht worden. Eingriffe des Menschen wie die Uferverbauung oder der Klimawandel beispielsweise am Bodensee führten hingegen dazu, dass Pfahlbau-Reste freigespült und damit zerstört würden. Die Siedlungsspuren aus der Stein- und Bronzezeit befinden sich nach Angaben der deutschen Unesco-Vertretung in Seen und Mooren. Anders als in normalen Trockenbodenfundstellen sind dort organische Materialien wie Holz, Textilien, Pflanzen und sogar Essensreste erhalten.

In der Siedlung Hornstaad-Hörnle - an der Spitze der in den Bodensee ragenden Halbinsel Höri gelegen - ist der älteste Hausgrundriss aus dem Jahr 3915 vor Christus nachweisbar. Eine dort gefundene Scheibe aus Kupfer soll zu den frühesten Metallfunden in Mitteleuropa zählen. Perlen aus Kalkstein und zugehörige „Spezialbohrer“ ließen eine spezialisierte Perlenindustrie erkennen, berichtete die Unesco-Vertretung. Aus Bodman-Ludwigshafen stammten Teile eines Kulthauses (um 3860 v. Chr.) mit plastisch geformten und bemalten Brüsten, die ursprünglich an einer Hauswand angebracht waren. Die übrigen Areale liegen in Österreich, der Schweiz, Italien, Frankreich und Slowenien. Die Schweiz hatte die Federführung der Initiative übernommen. In die Unesco-Welterbeliste werden Kultur- und Naturstätten aufgenommen, die in ihrer Art einzigartig sind und für die Menschheit einen außergewöhnlichen Wert haben.

Schmid hocherfreut über Entscheidung

In Baden-Württemberg hatten bisher schon das Zisterzienserkloster Maulbronn, die Klosterinsel Reichenau und der obergermanisch-rätische Limes die Welterbe-Auszeichnung erhalten. Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD), der auch der oberste Denkmalschützer des Landes ist, zeigt sich hoch erfreut über die Entscheidung: „Das Unesco-Prädikat wird das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die weltweite Einmaligkeit der Pfahlbaustätten und die Bemühung um ihre Bewahrung in erheblichem Maße steigern“, sagte er. „Dass sie in die Welterbeliste aufgenommen wurden, ist ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung dieses einzigartigen archäologischen Erbes.“

An diesem Dienstag will die Unesco dann entscheiden, ob Baden-Württemberg ein weiteres Weltkulturerbe bekommt. Beantragt wurde der Status noch für zwei Häuser der Weissenhofsiedlung in Stuttgart. Die Gebäude wurden von dem französisch-schweizerischen Architekten und Stadtplaner Le Corbusier entworfen. Die experimentell angelegte Bauten sollten Funktionalität und Ästhetik gleichermaßen verkörpern.